art.wikisort.org - Künstler

Search / Calendar

Ambrogio Lorenzetti (* um 1290 in Siena; † um 1348 ebenda; lateinisch auch Ambrosius Laurentius) war ein italienischer Maler. Ambrogio und sein Bruder Pietro Lorenzetti waren wichtige Vertreter der Schule von Siena.

Maestà von Massa Marittima (ca. 1335). Dargestellt sind die Madonna mit dem Kind mit Heiligen, Propheten, Engeln und theologischen Tugenden, ca. 1335
Maestà von Massa Marittima (ca. 1335). Dargestellt sind die Madonna mit dem Kind mit Heiligen, Propheten, Engeln und theologischen Tugenden, ca. 1335

Berühmt ist er für seinen Freskenzyklus im Palazzo Pubblico von Siena, der heute gemeinhin als Allegorie und Auswirkungen der Guten und der Schlechten Regierung (Allegoria ed effetti del Buono e del Cattivo Governo) bezeichnet wird.


Biografie


Verkündigung, 1344, Pinacoteca Nazionale, Siena
Verkündigung, 1344, Pinacoteca Nazionale, Siena

Über Ambrogios persönliches Leben ist nur wenig bekannt. Sein frühestes datiertes Werk, die sogenannte Madonna von Vico l’Abate von 1319, legt ein Geburtsdatum in den 1290er Jahren nahe.[1]

Er malte hauptsächlich Altargemälde und Fresken. Zu seinen bedeutendsten Werken gehören mehrere große Maestàs, darunter der spektakuläre Altar für Massa Marittima, dessen Entstehungszeit auf etwa 1335 geschätzt wird (Abb. oben),[2] sowie zwei weitere in Freskotechnik in der Cappella di Montesiepi in Galgano und in der Kirche Sant’Agostino in Siena.[3] Die zuletzt genannte ist das einzige noch existierende Fragment eines großen Katharinenzyklus, der einst zu den bedeutendsten Meisterwerken Ambrogios gehörte, ebenso wie ein nur bruchstückhaft erhaltener Freskenzyklus in Kreuzgang und Kapitelsaal der Kirche San Francesco (Siena). Beide wurden von dem berühmten Bildhauer und Kunsttheoretiker Lorenzo Ghiberti hoch gelobt, genau beschrieben und bewundert, im Gegensatz zu den heute berühmten allegorischen Fresken im Palazzo Pubblico, die Ghiberti nur relativ beiläufig erwähnt.[4]

Verloren sind auch Fresken eines Marienlebens an der Fassade des Hospitals von Santa Maria della Scala in Siena, die Ambrogio zusammen mit seinem Bruder Pietro malte und die der einzige Beweis für die Tatsache waren, dass es sich bei den beiden Lorenzettis um Brüder handelte.[5]

Neben der erwähnten Madonna von Vico l’Abate sind nur zwei Spätwerke datiert: die Darbringung im Tempel von 1342 für eine Kapelle der Kathedrale von Siena (heute: Uffizien, Florenz) und die Verkündigung von 1344, die ursprünglich für den Palazzo Pubblico in Siena bestimmt war (heute: Pinacoteca Nazionale, Siena).[1]

Am 9. Juni 1348 machte Ambrogio sein Testament, für den Fall, dass er, seine Frau und drei Töchter die zu der Zeit grassierende Pestepidemie nicht überleben sollten, und vermachte all seine Güter der Compagnia della Vergine Maria von Siena. Da diese noch im selben Jahr verschiedene Besitztümer von Ambrogio veräußerte, geht man davon aus, dass tatsächlich seine ganze Familie von der Seuche ausgelöscht wurde.[1]


Werke


Triptychon des Hl. Proklos, ca. 1332 (?)
Triptychon des Hl. Proklos, ca. 1332 (?)

Freskenzyklus in der Sala dei Nove des Palazzo Pubblico von Siena


Die Fresken entstanden in den Jahren 1338 und 1339 auf drei Wänden der „Sala dei Nove“ im „Palazzo Pubblico di Siena“. Auf der Wand, die der Fensterseite gegenüberliegt, sieht man eine Allegorie der guten Regierung, auf der Wand links vom Betrachter eine Allegorie der schlechten Regierung, und auf der rechten Wand werden die Auswirkungen der guten Regierung auf Stadt und Land dargestellt. Im Deutschen wird „governo“ gelegentlich[6] auch mit „Regiment“ übersetzt.

Der etwas umständliche, heute gebräuchliche Titel des Freskenzyklus ist nicht die ursprüngliche Bezeichnung. Über Jahrhunderte hinweg, etwa bei Lorenzo Ghiberti[7] um die Mitte des 15. Jahrhunderts und bei Giorgio Vasari in seinen Künstlerbiographien hundert Jahre später werden diese Bilder schlicht als Darstellungen des Friedens und des Krieges bezeichnet.[8] Die 'modernen' Bildtitel, so schreibt die italienische Kunsthistorikerin Giulietta Chelazzi Dini[9] gehen auf den italienischen Kunsthistoriker Luigi Lanzi zurück, der 1792[10] den Freskenzyklus zutreffend als eine 'Dichtung zur moralischen Erziehung' bezeichnete. Eine detaillierte Geschichte der Rezeption und der Namengebung von Lorenzettis Zyklus findet sich 1980 bei Edna C. Southard[11].

Giulietta Chelazzi Dini[12] nennt diesen Freskenzyklus „die berühmteste Arbeit von Ambrogio Lorenzetti“, die die Kunsthistoriker zu „Strömen von Tinten“ angeregt habe, um die „allegorischen, historischen, dogmatischen, ikonographischen und künstlerischen Aspekte zu kommentieren.“ Sie liefert auch die beste und detailreichste Wiedergabe (108 cm × 23 cm) der Bilder des Freskenzyklus.[13] Eine sehr überzeugende Interpretation der Bilder, bei der nicht nur Bezüge zur Göttlichen Komödie Dantes hergestellt werden, sondern auch das republikanische Selbstbewusstsein der Regierung der Nove in Siena vor dem Hintergrund der (verklärten) Römischen Republik entwickelt und in dem Freskenzyklus Lorenzettis wiederentdeckt wird, liefert Dagmar Schmidt in ihrer Dissertation aus dem Jahre 2003[14] Dagmar Schmidt untersucht darüber hinaus in ihrer Arbeit, in welchem Verhältnis die Texte auf den Bannern der einzelnen allegorischen Figuren zu der Bildgestaltung stehen. Diese Texte, gelegentlich auch als „Verslegenden“[15] bezeichnet, hat Furio Brugnolo[16] aus dem „volgare“ des Trecento transkribiert. Schmidt kommt zu dem Schluss: „Das Bild allein als Illustration der Verslegenden zu bezeichnen, würde die Ordnung der einzelnen Figuren untereinander vernachlässigen.“

Wesentliche Beiträge zu der Interpretation dieser Fresken stammen auch von Uta Feldges (1980)[17] und von Max Seidel[18] Feldges weist überzeugend nach, dass Ambrogio Lorenzetti mit seinem Doppelfresko, das die Auswirkungen der guten Regierung der Nove auf Stadt und Umland Sienas zeigt, „die erste Landschaftsdarstellung der abendländischen Malerei [gelungen ist], die in naturalistischer Hinsicht voll überzeugend ist.“ Seine Fresken liefern hier ein zwar im Sinne der guten Regierung der Nove idealisiertes, aber durchaus naturalistisches, sog, topographisches „Porträt“ der Stadt Siena und der von ihr kontrollierten Region.[19] Seidel analysiert die Fresken bis in die kleinsten Details und zeigt, auch unter Hinzuziehung zeitgenössischer Quellen zur Wirtschaft im frühen Trecento in Siena, wie präzise diese Bilder Ambrogio Lorenzettis das Alltagsleben in Stadt und Land und auch die zugrundeliegende Staatstheorie der Sieneser Oligarchie wiedergeben. Auch Seidel sieht in den Fresken schließlich die allegorische, oder, wie er es nennt, „mythologisch-astrologische Überhöhung einer politischen Doktrin“.

Jacob Burckhardt assoziiert bei der Betrachtung dieser Fresken Lorenzettis thematische Bezüge zu der „Ekphrasis“, der Beschreibung eines (fiktiven) Bildes in der Ilias Homers, nämlich zu der Darstellung der Welt auf dem von Hephaistos geschmiedeten Schild des Achill im XVIII. Gesang. Damit beweist Jacob Burckhardt seine umfassende Bildung, gibt aber keinen Hinweis auf eine mögliche Quelle der Bildvorlagen des Malers und will ihn auch gar nicht geben. Denn Burckhardt betont ausdrücklich, dass Ambrogio Lorenzetti sicherlich nicht irgend eine auch nur mittelbare Kunde von Homer gehabt habe.[20] Die moderne Kulturwissenschaft hält es ebenfalls für eine „falsche Spur“, eine detaillierte Kenntnis der Inhalte der Ilias bei den Malern des Trecento zu vermuten, auch nicht in den stark verkürzten lateinischen Versionen.[21] Eine intensive bildnerische Auseinandersetzung mit Szenen aus Homers Werken findet in der europäischen Malerei wohl frühestens mehr als 100 Jahre später, in der Renaissance, und dann vor allem im Barock statt[22], und auch die Dichter des Trecento wie Petrarca und Boccaccio haben die Ilias genauer wohl erst in der lateinischen Übersetzung von Leontius Pilatus nach 1362 kennenlernen können.

Ambrogios Fresko Allegorie der Guten Regierung enthält auch die vermutlich erste Darstellung[23] einer Sanduhr in der Hand der Temperantia, einer der Kardinaltugenden, die in dieser Form wohl erst bei einer „Restauration“ des Freskos durch Andrea Vanni in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ergänzt wurde[24]



Literatur




Commons: Ambrogio Lorenzetti – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Chiara Frugoni: Pietro e Ambrogio Lorenzetti (italienisch), Scala, Cinisello Balsamo (Mailand), 1988, S. 36.
  2. Chiara Frugoni: Pietro e Ambrogio Lorenzetti (italienisch), Scala, Cinisello Balsamo (Mailand), 1988, S. 47–48.
  3. Chiara Frugoni: Pietro e Ambrogio Lorenzetti (italienisch), Scala, Cinisello Balsamo (Mailand), 1988, S. 41–47.
  4. Chiara Frugoni: Pietro e Ambrogio Lorenzetti (italienisch), Scala, Cinisello Balsamo (Mailand), 1988, S. 36, 41 und 59–62
  5. Dies wurde 1649 von Ugurgieri Azzolini in Pompe senese überliefert, kurz vor der Zerstörung dieser Fresken. Chiara Frugoni: Pietro e Ambrogio Lorenzetti (italienisch), Scala, Cinisello Balsamo (Mailand), 1988, S. 3.
  6. Jacob Burckhardt: Die Kunst der Renaissance. Band I. Die Malerei nach Inhalt und Aufgaben. Aus dem Nachlaß herausgegeben von Marizio Ghelardi u. a. C. H. Beck. München. Schwabe.Basel. 2006, S. 351 (= Jacob Burckhardt: Werke. Kritische Gesamtausgabe. Band 16)
  7. Julius von Schlosser (Herausgeber): Lorenzo Ghibertis Denkwürdigkeiten (I Commentarii). Zum ersten Male nach der Handschrift der Biblioteca Nazionale in Florenz herausgegeben und erläutert von Julius von Schlosser. Im Verlag von Julius Bard. Berlin 1912. https://resources.warburg.sas.ac.uk/pdf/cnh955b2403138.pdf; hier Seite 41. Siehe auch die folgende Anmerkung.
  8. “Nel palagio di Siena è dipinto di sua mano la pace e‘lla guerra” – Im Palast von Siena ist der Frieden und der Krieg von seiner Hand gemalt.
  9. Giulietta Chelazzi Dini, Alessandro Angelini, Bernardino Sani: Sienesische Malerei. DuMont. Köln. 1997, S. 165
  10. In einer späteren Auflage: Luigi Antonio Lanzi: Storia pittorica della Italia: dal risorgimento delle belle arti fin presso al fine del XVIII secolo. Volume 1. Milano.1824, S. 382. https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/lanzi1824bd1/0407
  11. Edna Carter Southard: Ambrogio Lorenzetti's Frescoes in the Sala della Pace: A Change of Names. Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz 24. Bd., H. 3 (1980), pp. 361–365
  12. Giulietta Chelazzi Dini, Alessandro Angelini, Bernardino Sani: Sienesische Malerei. DuMont. Köln. 1997., S. 165
  13. Giulietta Chelazzi Dini, Alessandro Angelini, Bernardino Sani: Sienesische Malerei. DuMont. Köln. 1997., S. 157 – S. 171
  14. Dagmar Schmidt. Der Freskenzyklus von Ambrogio Lorenzetti über die gute und die schlechte Regierung. Eine danteske Vision im Palazzo Pubblico von Siena. St. Gallen. 2003. https://docplayer.org/79295838-Der-freskenzyklus-von-ambrogio-lorenzetti-ueber-die-gute-und-die-schlechte-regierung.html.
  15. Dagmar Schmidt, Der Freskenzyklus von Ambrogio Lorenzetti über die gute und die schlechte Regierung. Eine danteske Vision im Palazzo Pubblico von Siena. St. Gallen. 2003. S, 130 ff. https://docplayer.org/79295838-Der-freskenzyklus-von-ambrogio-lorenzetti-ueber-die-gute-und-die-schlechte-regierung.html.
  16. Furio Brugnolo, Enrico Castelnuovo, Maria Monica Donato (1995): Ambrogio Lorenzetti : il Buon governo., Electa, Milano, 1995. S. 381 – 391. Siehe auch: http://casavacanze.poderesantapia.com/arte/ambrogiolorenzetti/allegoria_effettidelbuongovernoincampagna1canzone.htm und: https://moodle.unifr.ch/pluginfile.php/1001899/mod_resource/content/0/10.1%20Siena.pdf
  17. Uta Feldges, „Landschaft als topographisches Porträt. Der Wiederbeginn der europäischen Landschaftsmalerei in Siena.“Benteli Verlag. Bern, 1980
  18. Max Seidel. „Dolce Vita. Ambrogio Lorenzettis Porträt des Sieneser Staates.“ Schwabe & Co Verlag. Basel. 1999 = Vorträge der Aeneas-Silvius-Stiftung an der Universität Basel, XXXIII
  19. Uta Feldges, „Landschaft als topographisches Porträt. Der Wiederbeginn der europäischen Landschaftsmalerei in Siena.“Benteli Verlag. Bern, 1980. z. B. S. 113
  20. Jacob Burckhardt: Die Kunst der Renaissance. Band I. Die Malerei nach Inhalt und Aufgaben. Aus dem Nachlaß herausgegeben von Marizio Ghelardi u. a. C. H. Beck. München. Schwabe. Basel. 2006, S. 351 (= Jacob Burckhardt: Werke. Kritische Gesamtausgabe. Band 16)
  21. Patrick Boucheron: Gebannte Angst. Siena 1338. Wolff Verlag Berlin. Deutsch 2017, S. 196.
  22. archiv.ub.uni-heidelberg.de
  23. Chiara Frugoni: Pietro et Ambrogio Lorenzetti. S. 83.
  24. L. Bellosi: Buffalmacco e il trionfo della morte. Turin. 1974, S. 53–54.
Personendaten
NAME Lorenzetti, Ambrogio
KURZBESCHREIBUNG italienischer Maler
GEBURTSDATUM um 1290
GEBURTSORT Siena
STERBEDATUM um 1348
STERBEORT Siena

На других языках


- [de] Ambrogio Lorenzetti

[en] Ambrogio Lorenzetti

Ambrogio Lorenzetti (Italian pronunciation: [amˈbrɔːdʒo lorenˈtsetti]; c. 1290 – 9 June 1348)[1] or Ambruogio Laurati was an Italian painter of the Sienese school. He was active from approximately 1317 to 1348. He painted The Allegory of Good and Bad Government in the Sala dei Nove (Salon of Nine or Council Room) in Siena's Palazzo Pubblico. His elder brother was the painter Pietro Lorenzetti.

[es] Ambrogio Lorenzetti

Ambrogio Lorenzetti (Ambrosio en español, o Ambruogio Laurati), fue un pintor italiano de la escuela de Siena, nacido probablemente en 1290. Era el hermano menor de Pietro Lorenzetti, también pintor reconocido. Su máxima actividad se desarrolló entre los años 1317 y 1348, cuando murió, probablemente a causa de la Peste Negra, lo mismo que su hermano.

[fr] Ambrogio Lorenzetti

Ambrogio Lorenzetti (Sienne, vers 1290 - Sienne, 1348) est un peintre de l'école siennoise, connu à partir de 1317 jusqu'à sa mort en 1348 due à la peste noire. Il est l'un des maîtres de l'école siennoise du Trecento. Jeune frère de Pietro Lorenzetti, il se distingue surtout par la forte composante allégorique et le symbolisme complexe de ses œuvres et par la profonde humanité des sujets qu'il représente.

[it] Ambrogio Lorenzetti

Ambrogio Lorenzetti (Siena, 1290 circa – Siena, 9 giugno 1348) è stato un pittore italiano. Fu uno dei maestri della scuola senese del Trecento. Fratello minore di Pietro Lorenzetti, fu attivo dal 1319 al 1348 e si distinse soprattutto per la forte componente allegorica e complessa simbologia delle sue opere mature e per la profonda umanità dei soggetti rappresentati e dei loro rapporti.

[ru] Лоренцетти, Амброджо

Амброджо Лоренцетти (итал. Ambrogio Lorenzetti, ок. 1290, Сиена — 9 июня 1348, там же) — итальянский живописец сиенской школы, младший брат художника Пьетро Лоренцетти (ок. 1280—1348).



Текст в блоке "Читать" взят с сайта "Википедия" и доступен по лицензии Creative Commons Attribution-ShareAlike; в отдельных случаях могут действовать дополнительные условия.

Другой контент может иметь иную лицензию. Перед использованием материалов сайта WikiSort.org внимательно изучите правила лицензирования конкретных элементов наполнения сайта.

2019-2025
WikiSort.org - проект по пересортировке и дополнению контента Википедии