Aris Kalaizis (* 1966 in Leipzig) ist ein figurativer Maler deutsch-griechischer Herkunft. Er wird der Neuen Leipziger Schule zugerechnet.[1]
Aris Kalaizis wuchs als Sohn griechischer Emigranten in Leipzig auf. Seine Eltern waren 1949 als Kinder infolge des griechischen Bürgerkrieges (1946–1949) nach Leipzig gekommen.
Kalaizis' erste künstlerische Schritte begannen Mitte der 80er-Jahre in Leipzig, wo er zunächst, als Teil einer musikalischen Subkultur, Plattencover für diverse Punk-, Metal- oder New-Wave-Bands schuf.
Nach einer Lehre zum Offsetdrucker und einer Umschulung zum Fotolaboranten begann er im Jahr 1992 das Studium der Malerei an der Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Arno Rink sowie dessen Assistenten Neo Rauch, das er 1997 mit Auszeichnung abschloss.[2] Von 1997 bis 2000 absolvierte er sein Meisterschülerstudium bei Arno Rink. In späteren Publikationen betonte Kalaizis, dass er mit seinem Lehrer, Arno Rink, ...ein überaus offenes, intensives und fruchtbares Verhältnis hatte. Neben Arno Rink, der ihn während des gesamten Studiums betreute, war Aris Kalaizis in den Anfangsjahren auch von Jusepe de Ribera sowie von Francis Bacon beeinflusst.[3] Seine Malerei hat sich jedoch seither stark verändert und weist heute eine unverwechselbare Stilistik auf.
Noch vor Abschluss seines Meisterschülerstudiums gründete er 1999 mit seinem Freund Torsten Reiter die maerzgalerie, Leipzig (heute Reiter-Galleries). Die Gründung der Galerie fiel in eine Zeit, in der die Bilder zunächst ...wie Blei an den Wänden hingen. Kunst und die Vermittlung von Kunst hatten in jenen Jahren einen weitaus geringeren Stellenwert als heute. Nach schwierigen Anfangsjahren etablierte sich aber die Galerie zusehends. Nach 13 Jahren überaus erfolgreicher Zusammenarbeit verabschiedete sich Kalaizis von der Galerie. Wenngleich der Markt für seine Bilder erhalten blieb, zeigte er sich zum Ende ein wenig enttäuscht vom Kunstmarkt, der Kunstszene mit ihren hohlen Phrasen, die ihm leer und prahlerisch vorkam. Die Zeit war reif für eine Neuorientierung Kalaizis', denn auch die Galerie war nun in einem sicheren Fahrwasser (...ich verlasse kein sinkendes Schiff. Leben heißt sich zu verändern und Perfektion heißt, sich oft zu verändern).
Eine frühe, erste und umfassend-öffentliche Einzelschau fand 2005 im Marburger Kunstverein und der zugehörigen Kunsthalle statt. Darüber hinaus präsentierte Kalaizis 2007 in der Motti-Hasson-Gallery und im Zuge eines Arbeitsstipendiums seine erste USA-Soloshow in New York.[4]
Später wurde er einem internationalen Publikum durch die Teilnahme an der Biennale di Venezia (12. Mostra Internazionale di Architettura) sowie 2011 durch seine Teilnahme an der 4. Triennale im Guangdong Museum in Guangzhou (China) bekannt. Die international besetzte Triennale, die im Guangdong Museum of Art stattfand, gewährte Kalaizis einen größeren Einzelraum, in dem acht großformatige Bilder präsentiert wurden.[5] Eine für Kalaizis etwas untypische und außergewöhnliche Ausstellung fand jedoch 2011 unter dem Titel „Der doppelte Blick“ im Schlossmuseum Greiz statt, wo Kalaizis erstmals vorgefundene historische Räume in einen zeitgenössischen Kontext stellte. Besonders deutlich wurde dies im seinerzeit präsentierten Geschichtsschrank, der einen kompositorischen Aufprall deutscher Geschichte im Stile der Assemblage ähnelt. In den Folgejahren gab es Museumstouren durch Deutschland, Österreich, Italien und den Niederlanden.
Auch theoretische Texte existieren. Im Museum Angerlehner veröffentlichte Kalaizis einen kunsttheoretischen Text, der seine Auffassungen zur Kunst verdeutlicht.[6] Des Weiteren äußerte er sich 2014 zur Finanzkrise und zur Krise Europas, die er als Ausdruck eines „Empathieverlustes“ verstand:[7] Im Jahr 2019 hielt er im Verwaltungsgericht Leipzig die Rede „Warum male ich ein Portrait“. Anlass des Vortrages war die Übergabe eines Kalaizis-Gemäldes an das Bundesverwaltungsgericht, das Kalaizis auf Wunsch der ersten deutschen Bundespräsidialrichterin Marion Eckertz-Höfer und im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichtes malte.
Seit 2000 lebt er mit seiner Frau Annett sowie seiner Tochter Nike freischaffend als Maler in Leipzig.[8][9] Seine Bilder befinden sich in mehreren in- und ausländischen Museen und Kunstsammlungen.[10]
Kalaizis konstruiert heute seine, zumeist aus dem Traum hervorgerufenen, Gemälde, mit Hilfe aufwändiger Inszenierungen oder Aufbauten, die er am Handlungsort anfertigt, und an deren vorläufigem Ende zunächst mehrere Fotografien entstehen.[11][12] Die manchmal surreal anmutenden Szenen in seinen Bildern sind aus Ideen entwickelt worden, die Kalaizis damals nach der Art eines Drehbuchs aufzeichnete.[13] Ein Drehbuch gibt es heute nicht mehr, da Kalaizis davon ausgeht, ...dass man die dringlichsten Dinge nicht mehr vergisst. Am Ende dieses Schöpfungsprozesses entstehen malerische Wunschbilder innerer Möglichkeitswelten.
Am Beginn der Arbeit steht jedoch stets der Traum, der das Innenbild bzw. Wunschbild evoziert. Steht das Innenbild, baut er in seinem Atelier ein realitätsnahes Modell oder sucht in der Realität nach einer äußeren Gegebenheit, zumeist einem Bildhintergrund, der seinem ‚Wunschhintergrund‘ am nächsten kommt. Ist jene äußere Gegebenheit gefunden, macht er von diesem Ort ein Foto.[14] Dieses selbstgefertigte Foto dient ihm zumeist als Basis für die Hintergrundebene.[15] Was folgt, ist ein meditativer, kontemplativer Vorgang, in dem er überlegt, was vor / mit dieser Bildszenerie geschehen könnte. Dieser Arbeitsansatz unterscheidet Kalaizis grundlegend von den Fotorealisten, da jene keine neue Realität herausfordern.[16]
Sein prägendes Strukturprinzip ist die Antithetik, wodurch die erreichten malerischen Positionierungen – zum Ziel eines nuanciert erneuerten Vorhabens – in Frage gestellt werden sollen. So geschehen auch in dem kleinformatigen Bild Make-Believe (2009), das den damaligen Papst Benedikt zeigt, von einem zeitgenössischen Engel flankiert, welcher dem Papst den rechten Weg zu weisen scheint. In einem wiederum sehr großformatigen Bild malte er 2014/15 mit dem Gemälde Das Martyrium des Hl. Bartholomäus oder Das doppelte Martyrium ein weiteres Bild religiösen Inhalts. Es befand sich damals im Kaiserdom St. Bartholomäus in Frankfurt am Main und findet sich heute in einer Privatsammlung. Auch hier wurde der durch die Legende überlieferte Schändungsvorgang des Hl. Bartholomäus in einem zeitgenössischen Setting dargestellt und durch die Kirchenruine Wachau (Markkleeberg bei Leipzig) angereichert. Die Kirche ist auf diesem Bild ein nurmehr verwaister Ort, die Wege dorthin erscheinen für den heutigen Menschen beinahe unmöglich. Auch ein Verweis auf die Bücherverbrennungen in Deutschland wird deutlich. Zwischen diesem und anderen Untergangsszenarien wird Hoffnung sichtbar. Ein Mann, in der Hand ein brennendes Buch haltend, begibt sich an den scheinbar verwaisten Ort, um das, was Menschen durch kulturelle Überlieferung einst verbunden hatte, abermals mit Leben zu füllen.
In einem zeitaufwändigen Prozess, in dem zumeist nicht mehr als fünf Bilder pro Jahr gemalt werden, entstehen dabei Parallelentwürfe zum Bestehenden. Da sich jedoch diese Gemälde weder dem Surrealen noch dem Realen zuordnen lassen, entwickelte die amerikanische Kunsthistorikerin, Carol Strickland, in Bezug auf Kalaizis’ Bilderwelt, den Begriff des Sottorealismus.
„Strotzend vor Doppeldeutigkeit versprechen seine Bilder zu enthüllen, was sie doch verbergen. Aber selbst bei genauer Untersuchung sind ihre vielfältigen Bedeutungsschichten unerschöpflich. Vielleicht ist ein neuer Begriff für die Beschreibung seiner Arbeit bezeichnender als die Begriffe Realismus oder Surrealismus. An Stelle von sur, dies bedeutet über oder oberhalb, ist Sottorealismus hier passender. Sotto (unterhalb oder unter) weist auf die in einer Farbe verborgenen Geheimnisse hin, die unter der Oberfläche der Geschichte vergraben sind.[17]“
Was dabei zumeist entsteht, sind Bilder, die einen gewissen Taumel, eine gewisse Störung des inneren Gleichgewichts hervorrufen. Leben und Tod, Traum und Wirklichkeit fließen seltsam ineinander. Das Bewegliche scheint erstarrt und das Starre unheimlich bewegt. Oft sind die Bilder aufgeladen mit einer seltsamen Heftigkeit, in denen stets alles zugleich ist: Zauber, Anmut, Süße und Abgründigkeit.[18][19] Kalaizis, dessen Bilder die Themengebiete Realität und Imagination umkreisen, erwähnt in Diskussionen oft den Surrealisten André Masson, der einmal gesagt hat: „Es gibt nichts Phantastischeres als die Wirklichkeit“.[20]
Im Zentrum seiner Bilder steht jedoch immer der Mensch in einem stark existenzialistischen Sinne. Auch Bezüge zu religiösen Themen, die ein Bestreben um Rückgewinnung einer verlorengegangen Mystik erkennen lassen, sind ebenso kennzeichnend wie die Sphären der Magie und des Grotesken.
Kennzeichnend für den Arbeitsprozess des Malers Aris Kalaizis sind die aufwendigen Aufbauten, die im Vorfeld seiner Bildprojekte entstehen. Sie dienen der Annäherung an das Zielbild, das schließlich auf der Leinwand malerisch umgesetzt wird. Paul-Henri Campbell schrieb hierzu: „Aris Kalaizis (durchschreitet) bei der Bildfindung mehrere Arbeitsetappen: 1) Innere Leere, die für ein Inbild empfänglich macht; 2) die Geduld diese numinose Empfindung an realen Orten, Gegenständen und Figuren wiederzuentdecken; 3) die Erbauung dieses Inbildes in der profanen Wirklichkeit des Ateliers oder der freien Natur; 4) die photographische Dokumentation dieser aufwendigen Aufbauten, bei denen häufig ganze Kohorten an Handwerkern, Statisten und professionelle Schauspieler einbezogen werden; 5) Entwurf der Leinwandgestalt des Bildes anhand dieser Fotodokumente.“[21] Nach Abschluss dieser Vorarbeiten realisiert Kalaizis das meist in Öl gemalte Bild in seinem Atelier in Leipzig. Dieser für einen Maler ungewöhnliche Vorgang bildet zugleich ein Alleinstellungsmerkmal in der zeitgenössischen Malerei.[22]
Die obige Serie dokumentiert den Aufbau zum in Öl gemalten Bild „Wiederkehr eines Abschieds“, welches den Abschluss der Reihe bildet. Um die Modelle umsetzen zu können, sind häufig zusätzliche Hilfskräfte notwendig, um beispielsweise Böden zu verlegen, provisorische Wände aufzustellen und zu tapezieren, aber auch Schauspieler, Lichttechniker oder Kostümdesigner.[23][24] Requisiten sind vielfältig, beispielsweise der Wurzelteller eines Baumes, Flugzeugturbinen, lebende Tiere u.v.m.[25][26]
Personendaten | |
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NAME | Kalaizis, Aris |
ALTERNATIVNAMEN | Καλαϊζής, Άρης (griechisch) |
KURZBESCHREIBUNG | deutsch-griechischer Maler |
GEBURTSDATUM | 1966 |
GEBURTSORT | Leipzig |