Arno Nadel (geboren am 5. Oktober 1878 in Wilna, Russisches Kaiserreich; gestorben im März 1943 im KZ Auschwitz) war ein Musikwissenschaftler, Schriftsteller und Maler.
Arno Nadel (1938)Selbstporträt (1926)Bildnis einer Japanerin
Leben
Der Sohn eines Mechanikers war in einer Welt des östlichen Judentums aufgewachsen. Bei Eduard Birnbaum in Königsberg wurde er in synagogalem Gesang unterrichtet. 1895 ging er nach Berlin, wo er die Jüdische Lehrerbildungsanstalt besuchte. Anschließend wirkte er als Lehrer und Musiker. Ab 1916 war er Leiter des Chors und Kantor an der Synagoge am Kottbusser Ufer. Er sammelte und bearbeitete jüdische Volkslieder und Synagogenmusik. Daneben veröffentlichte er Kritiken und musiktheoretische Aufsätze. 1923 erhielt er von der Berliner Jüdischen Gemeinde den Auftrag zur Zusammenstellung einer Anthologie der Synagogenmusik. Diese Arbeit schloss er 1938 ab. Er hatte vor, sie in sieben Bänden als Kompendium Hallelujah! Gesänge für den jüdischen Gottesdienst zu veröffentlichen. 1933 war Nadel auf der ersten Ausstellung der jüdischen Künstlerhilfe in den Wandelgängen des Berliner Theaters vertreten.[1]
1938 wurde er für mehrere Wochen im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Obwohl er und seine Frau 1940 die für die Einreise in die USA notwendigen Affidavits erhielten, gelang ihnen unter den erpresserischen Auswanderungsbestimmungen die Auswanderung nicht mehr. Nadel wurde 1942 zur Zwangsarbeit in der Bibliothek des Reichssicherheitshauptamtes herangezogen. Am 12. März 1943 wurden er und seine Frau Anna nach Auschwitz deportiert und dort vermutlich unmittelbar nach der Ankunft ermordet. Sein Archiv und seine Sammlung hatte Nadel der Künstlerin Käthe Kollwitz übergeben. Die Materialien wurden durch Kriegseinwirkung zerstört. Ein Rest seines musikalischen Nachlasses befindet sich heute in der Schreiber Jewish Music Library in Philadelphia (Pennsylvania). Ein anderer Teil ist in der Archivabteilung der National Library of Israel aufbewahrt.
Neben seinem musikalischen und musikhistorischen Werk schuf Arno Nadel ein literarisches Werk, das aus Gedichten und Theaterstücken besteht und von Nadels Interesse an philosophischen und religiösen Themen beeinflusst ist. Daneben übersetzte er aus dem Jiddischen. Nadel betätigte sich außerdem als Maler und Zeichner.
Werke
Werke, Stand 1921
Aus vorletzten und letzten Gründen. Berlin 1909
Cagliostro. Berlin 1913
Um dieses alles. München [u.a.] 1914
Adam. Leipzig 1917
Bildnis Issai Kulvianski (Öl auf Hartfaser, 57 × 41 cm, 1920er Jahre; Berlinische Galerie)[2]
Jacob Steinhardt. Berlin 1920
Das Jahr des Juden. Berlin 1920 (zusammen mit Joseph Budko)
Rot und glühend ist das Auge des Juden. Berlin 1920
Der Sündenfall. Berlin 1920
Der Ton. Leipzig 1921
Das gotische ABC. Berlin 1923
Heiliges Proletariat. Konstanz 1924
Die Erlösten. Berlin 1924
Tänze und Beschwörungen des Weissagenden Dionysos. Berlin 1925
Drei Augen-Blicke. Berlin 1932
Das Leben des Dichters. Berlin 1935
Der weissagende Dionysos. Heidelberg 1959; wieder 1986
CD
Arno Nadel, Isidoro Abramowicz, Chor der Synagoge Pestalozzistraße, Jakub Stefek, Thomas Bößl: Schire Simroh. Liturgische Gesänge, 2021, ISBN 978-3-86956-515-6.[3]
Herausgeberschaft
Jontefflieder. Berlin 1919
Jüdische Volkslieder. Berlin (1920), Band 1,1 und 1,2
Jüdische Liebeslieder. Berlin [u.a.] 1923
Die Haggadah des Kindes. Berlin 1933
Zemirōt šabat. Die häuslichen Sabbatgesänge. Gesammelt und herausgegeben. Berlin: Schocken, 1937
Der Dybuk 1921
Übersetzungen
Samuel Lewin: Chassidische Legende. Charlottenburg 1924
Salomon An-ski: Der Dybuk. Berlin 1921
Siehe auch
Liste der vom NS-Regime verfolgten Kunstschaffenden der Bildenden Kunst
Literatur
Jascha Nemtsov: Arno Nadel. Sein Beitrag zur jüdischen Musikkultur. herausgegeben von Centrum Judaicum, Hentrich & Hentrich, Berlin 2008, ISBN 978-3-938485-89-7 (= Jüdische Miniaturen, Band 77).
Jascha Nemtsov: Deutsch-jüdische Identität und Überlebenskampf: Jüdische Komponisten im Berlin der NS-Zeit. Wiesbaden: Harrassowitz, 2010, S. 37–125
Christine Zahn: Wer den Maler Arno Nadel noch nicht kennt, weiß von dem Dichter und findet in ihm den Musiker wieder. In: Juden in Kreuzberg. Edition Hentrich, Berlin 1991, ISBN 3-89468-002-4 (= Reihe Deutsche Vergangenheit, Band 55: Stätten der Geschichte Berlins. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung vom 18. Oktober bis 29. Dezember 1991 im Kreuzberg-Museum, Berlin, herausgegeben von der Berliner Geschichtswerkstatt, Redaktion Andreas Ludwig), S. 299–304.
Nadel, Arno. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Band 17: Meid–Phil. Hrsg. vom Archiv Bibliographia Judaica. De Gruyter, Berlin u.a. 2009, ISBN 978-3-598-22697-7, S. 250–257.
Kerstin Schoor: Vom literarischen Zentrum zum literarischen Ghetto: deutsch-jüdische literarische Kultur in Berlin zwischen 1933 und 1945. Wallstein, Göttingen 2010, ISBN 978-3-8353-0656-1.
Andreas Kilcher: Nadel, Arno. In: Andreas B. Kilcher (Hrsg.): Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur. Jüdische Autorinnen und Autoren deutscher Sprache von der Aufklärung bis zur Gegenwart. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Metzler, Stuttgart/Weimar 2012, ISBN 978-3-476-02457-2, S. 384–386.
Carola L. Gottzmann, Petra Hörner:Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburgs. De Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-019338-1, S.945–959.
Thomas Schipperges:Arno Nadel im Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit (LexM), Stand: 28.September 2017
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