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Dsiga Wertow (russisch Дзига Вертов; eigentlich Dawid Abelewitsch Kaufman/Давид Абелевич Кауфман, wissenschaftliche Transliteration Dziga Vertov (Bedeutung: „Kreisel, dreh' dich!“'[1]); * 21. Dezember 1895jul. / 2. Januar 1896greg. in Białystok; † 12. Februar 1954 in Moskau) war ein sowjetischer Filmemacher. Er gilt sowohl seines experimentellen Schaffens als auch seiner theoretischen Texte wegen als einer der wichtigsten frühen Regisseure von Dokumentarfilmen.

Dsiga Wertow 1913
Dsiga Wertow 1913
Szene aus Wertows Der Mann mit der Kamera (1929)
Szene aus Wertows Der Mann mit der Kamera (1929)

Wertow war ein Bruder des späteren Hollywood-Kameramannes und Oscar-Preisträgers Boris Kaufman und des Kameramanns Michail Kaufman, mit dem er zusammenarbeitete, so in seinem berühmtesten Film Der Mann mit der Kamera.


Leben und Werk


Wertow stammte aus einem jüdischen Intellektuellen-Haushalt. Er wurde 1896 in die Familie eines Bibliothekars geboren und war das älteste von drei Kindern. Sie wuchsen in Bialystok auf.[2][3][4] Er studierte an Kunstschulen in Białystok, Sankt Petersburg und Moskau. Seinen Namen David Abeljewitsch Kaufman änderte er in Dsiga Wertow, als er nach der Oktoberrevolution zum Film kam.[5]

Mit dem Beginn der Oktoberrevolution 1917 produzierte er agitatorische Wochenschauen (Kinonedelja (Filmwoche) und Kino-Prawda (Film-Wahrheit)), später auch längere teils propagandistische Dokumentarfilme. Bei seiner Arbeit standen ihm seine Ehefrau Jelisaweta Swilowa als Filmeditorin und sein Bruder Michail Kaufman als Kameramann zur Seite. Wie Sergei Eisenstein und andere sowjetische Stummfilmregisseure seiner Zeit bemühte er sich, das Publikum seiner Filme durch Methoden der Filmmontage zu beeinflussen. Dabei ging er oft noch weitaus experimenteller als seine Zeitgenossen vor, was seinem künstlerischen Werdegang ein Ende bereitete, als in den 1930er Jahren auch in der Filmkunst der Sozialistische Realismus als Leitbild vorgeschrieben wurde – und gerade Filmdokumentaristen auch dem Personenkult um Stalin ihren Tribut zollen mussten. So musste Wertow 1934 in Drei Lieder über Lenin – einer filmischen Hymne über den Gründer der Sowjetunion zu dessen 10. Todestag – auf Befehl Stalins diesen selbst hinreichend in Szene setzen. Der einschlägige Film Wiegenlied ist ein aufschlussreiches Beispiel für den Missbrauch seiner dokumentarischen Mittel und seiner Montagekunst.

Wertows bekanntester Film und zugleich beispielhafte Kristallisation seines gesamten Schaffens ist Der Mann mit der Kamera, der einerseits das urbane Leben in sowjetischen Großstädten und die Mechanisierung des Lebens glorifiziert, andererseits jedoch den Entstehungsprozess des Films von der Kameralinse bis zum Schneideraum thematisiert. Eine Vielzahl inhaltlicher und stilistischer Ähnlichkeiten macht diesen Film zu einem Vorgänger von Godfrey Reggios Koyaanisqatsi. In der 2021 erstellten Liste der 100 besten Filme in der Geschichte des ukrainischen Kinos landete der Film auf dem dritten Platz.


Ästhetische Konzepte


Wertow veröffentlichte diverse Schriften und Manifeste über die ästhetischen Überlegungen, die hinter seinen Filmen standen. Er lehnte die mit Schauspielern inszenierten Fiktionen des Spielfilms als bürgerlich ab. Dagegen sah er revolutionäres Potential in dem Kino-glaz (Kino-Auge, gemeint war die Kameralinse), das jedes Detail der Welt umfassend und objektiv einfangen könne.

Nicht durch Schauspielerei, Inszenierung oder die Strukturen anderer Künste (des Theaters, des Romans), sondern durch die ausgefeilte Montage objektiver Wirklichkeitsausschnitte sollte der Sinn und die Wirkung des Films entstehen. So ließe sich die aufgenommene Wirklichkeit auch wirkungsvoll derart neu systematisieren, dass sie agitatorischen Zwecken diene. Wertows Konzept des Nichtspielfilms wurde um 1970 von dem DDR-Regisseur Joachim Hellwig im Rahmen seiner Künstlerischen Arbeitsgruppe defa futurum wieder aufgegriffen.


Wirkung


Ab Ende der 1960er Jahre wurde Dsiga Wertows Werk von ästhetisch wie politisch radikalen Künstlern wiederentdeckt. Wegweisend hierbei war Jean-Luc Godard, der Ende der 1960er Jahre seine individuelle Tätigkeit als Regisseur aufgab und bis in die 1970er Jahre hinein nur noch im programmatisch benannten Kollektiv der Gruppe Dsiga Wertow (französisch Groupe Dziga-Vertov) Filme drehte. Auf der documenta 8 im Jahr 1987 in Kassel wurden Aufnahmen von ihm im Rahmen der „Archäologie der akustischen Kunst 1: Radiofonia Futurista“ als offizieller Ausstellungsbeitrag aufgeführt.


Filmografie



Langfilme



Chroniken und Wochenschauen



Veröffentlichungen



Literatur




Commons: Dsiga Wertow – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Film- und Videoautoren Luzern: Der Mann mit der Kamera
  2. John MacKay: Nach der Mittelschule besuchte er eine Musikschule und zwei weitere Schulen der höheren Bildung.
  3. Club der Filmschaffenden der DDR und der Deutschen Zentralstelle für Filmforschung (Hrsg.): Dsiga Wertow. Publizist und Poet des Dokumentarfilms.
  4. Vertov vor Vertov. Jüdisches Leben in Bialystok. In: Dsiga Vertov. Die Vertov-Sammlung im Österreichischen Filmmuseum. Wien.
  5. Christoph Hesse: Film als Waffe. In: Dirk Braunstein, Sebastian Dittmann, Isabelle Klasen (Hrsg.): Alles falsch. Auf verlorenem Posten gegen die Kulturindustrie. Berlin, S. 222.
  6. DVD Österreichisches Filmmuseum
  7. DVD Österreichisches Filmmuseum
  8. Frankfurter Allgemeine Zeitung. 18. August 2010, S. 32.
  9. DVD Österreichisches Filmmuseum
Personendaten
NAME Wertow, Dsiga
ALTERNATIVNAMEN Kaufman, Dawid Abelewitsch
KURZBESCHREIBUNG sowjetischer Filmemacher
GEBURTSDATUM 2. Januar 1896
GEBURTSORT Białystok
STERBEDATUM 12. Februar 1954
STERBEORT Moskau

На других языках


- [de] Dsiga Wertow

[en] Dziga Vertov

Dziga Vertov (Russian: Дзига Вертов, born David Abelevich Kaufman, Russian: Дави́д А́белевич Ка́уфман, and also known as Denis Kaufman; 2 January 1896 [O.S. 21 December 1895] – 12 February 1954) was a Soviet pioneer documentary film and newsreel director, as well as a cinema theorist.[1] His filming practices and theories influenced the cinéma vérité style of documentary movie-making and the Dziga Vertov Group, a radical film-making cooperative which was active from 1968 to 1972. He was a member of the Kinoks collective, with Elizaveta Svilova and Mikhail Kaufman.

[es] Dziga Vértov

Dziga Vértov (en ruso, Дзига Вертов) es el seudónimo de Denís Abrámovich Káufman (Białystok, actual Polonia, 2 de enero de 1896 - Moscú, 12 de febrero de 1954), director de cine vanguardista soviético, autor de obras experimentales, como El hombre de la cámara (Человек с киноаппаратом, 1929), que revolucionaron el género documental.

[ru] Дзига Вертов

Дзи́га Ве́ртов (при рождении Давид А́белевич Ка́уфман[1], впоследствии известен также как Дени́с Абра́мович и Денис Арка́дьевич Кауфман; 21 декабря 1895 [2 января 1896], Белосток — 12 февраля 1954, Москва) — советский кинорежиссёр и сценарист, один из основателей и теоретиков документального кино. Обогатил кинематограф множеством приёмов и техник, включая методики «скрытая камера» и «киноглаз[en]»[2][3]. Его фильм «Человек с киноаппаратом» (1929) часто называют величайшим из всех документальных фильмов в истории[4].



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