Jean Marais, mit bürgerlichem Namen Jean Alfred Villain-Marais (* 11. Dezember 1913 in Cherbourg; † 8. November 1998 in Cannes, Alpes-Maritimes), war ein französischer Schauspieler und Bildhauer. Er war der langjährige Lebensgefährte von Jean Cocteau, der ihn in Filmklassikern wie Es war einmal einsetzte. Marais zählte über zwei Jahrzehnte durch Mantel-und-Degen-Filme sowie die Verkörperung des Superverbrechers Fantomas zu den beliebtesten Filmstars seines Landes.
Jean Marais in der Rolle des Orphée, 1949 (Fotografie von Carl Van Vechten, aus der Library of Congress)Jean Marais, 1965Jean Marais bei der César-Verleihung 1991
Leben
Jean Marais war fünf Jahre alt, als seine Eltern sich trennten. Gemeinsam mit seinem Bruder Henri wurde er von seiner Mutter, seiner Tante und seiner Großmutter in einem großen Haus in Le Vésinet bei Paris (Boulevard de Belgique No. 60, heute No. 90) aufgezogen. Schon früh entwickelte er eine Leidenschaft für das Zeichnen und das Theaterspielen. Als turbulenter Schüler wurde er des Gymnasiums verwiesen.
Seine berufliche Laufbahn begann er als Fotoretuscheur und Caddie auf einem Golfplatz, die künstlerische Karriere durch die Teilnahme am Salon des Indépendants. Der Filmregisseur und -produzent Marcel L’Herbier sorgte dafür, dass er erstmals als Statist in einem Film mitwirken konnte, versagte ihm jedoch bedeutendere Rollen. Nachdem Marais bei der Aufnahmeprüfung des Konservatoriums gescheitert war, besuchte er die Schauspielkurse von Charles Dullin und bezahlte diese durch seine Tätigkeit als Statist in Dullins Theater.
Im Jahr 1937 fand die erste Begegnung mit dem knapp 25 Jahre älteren Jean Cocteau statt, seinem späteren Mentor und Lebensgefährten, die die große Wende in Jean Marais’ Karriere herbeiführte und eine ebenso lange wie kreative Freundschaft und Zusammenarbeit einleitete. Marais spielte Malcolm in Macbeth und wurde von Jean Cocteau für die Erstaufführungen von Les chevaliers de la table ronde (Die Ritter der Tafelrunde) und Les parents terribles (Die schrecklichen Eltern) engagiert. Die geplante Verfilmung der Schrecklichen Eltern kam infolge der Mobilmachung zunächst nicht zustande. Trotz seiner Homosexualität war Marais zwischen 1944 und 1946 mit der Schauspielerin Mila Parély verheiratet.
Der endgültige Durchbruch gelang Marais durch seine Rollen in Jacques de Baroncellis Film Le pavillon brûle (1941) und der Tristan-und-Isolde-Adaption Der ewige Bann (1943) von Regisseur Jean Delannoy, zu der Jean Cocteau das Drehbuch beisteuerte. Es folgten weitere bedeutende Filme, darunter Es war einmal (1946), Der Doppeladler (1947) Die schrecklichen Eltern (1949) oder Orpheus (1949).
Nachdem er in diesen künstlerisch ambitionierten Filmen bekannt geworden war, trat Marais ab den 1950er Jahren verstärkt in kommerziell ausgerichteten Streifen auf, in denen er häufig in Liebhaber- und Abenteuerrollen zu sehen war. Sein athletisches Auftreten und sein Aussehen prädestinierten ihn für typische Mantel-und-Degen-Filme wie Der Graf von Monte Christo (1954), Des Königs bester Mann (1958), Ritter der Nacht (1959), Mein Schwert für den König (1960), Fracass, der freche Kavalier (1961), Die eiserne Maske (1962) oder Der Graf mit der eisernen Faust (1962). In diesem Rollenfach galt er jahrelang als idealtypischer Hauptdarsteller. Noch 1973 spielte er im Fernsehmehrteiler Cagliostro mit 60 Jahren eine der für ihn typischen Mantel-und-Degen-Rollen.
Marais trat außerdem in Liebesfilmen wie Rendezvous in Paris (1950), Geliebte um Mitternacht (1953) oder Weiße Margeriten (1956) auf und spielte regelmäßig in Historienfilmen wie Ruy Blas, der Geliebte der Königin (1948), Das Geheimnis von Mayerling (1949), Versailles – Könige und Frauen (1954), Napoleon (1954), Austerlitz – Glanz einer Kaiserkrone (1960), Kaiserliche Hoheit (1961) oder Der Raub der Sabinerinnen (1961). Im Jahr 1960 trat er in Das Testament des Orpheus ein letztes Mal unter der Regie von Jean Cocteau auf, der 1963 starb.
In den drei Fantomas-Krimikomödien trat Marais zwischen 1964 und 1967 in einer Doppelrolle auf und spielte, oft unter aufwendigen Masken kaum erkennbar, den Journalisten Fandor und den titelgebenden Superverbrecher Fantomas. Diese aufwendig produzierten Krimikomödien, die sich am Erfolgsrezept der James-Bond-Filme orientierten, wurden allerdings stark von Louis de Funès dominiert, der in der Rolle des Kommissar Juve zur Erheiterung beitrug. Nachdem seine Filmkarriere in den späten 1960er Jahren langsam ausgelaufen war, trat Marais ab den 1970er Jahren regelmäßig in Fernsehfilmen auf.
Jean Marais war dafür bekannt, auch schwierige Stunts selbst auszuführen. In Fantomas steigt er beispielsweise von einem Kranausleger auf eine Strickleiter, die an einem Helikopter hängt, und fliegt davon (dieser Stunt wurde später häufig von Jean-Paul Belmondo variiert). In Cagliostro erkletterte er im Alter von 60 Jahren eine hohe Burgmauer.
Der Schauspieler feierte bis ins hohe Alter Erfolge am Theater. Am Ende seines Lebens wandte er sich verstärkt der Bildhauerei zu. Er schuf unter anderem das Modell für die Bronzefigur Le passe-muraille („Der Mann, der durch die Wand ging“), die am Montmartre in Paris an dem Platz zu sehen ist, der nach Marcel Aymé, dem Autor der gleichnamigen Novelle, benannt ist. Seine letzte Filmrolle übernahm Marais im Jahr 1996 in Gefühl und Verführung von Bernardo Bertolucci.
Der Kettenraucher Jean Marais starb am 8. November 1998 im Alter von 84 Jahren in Cannes an einer Lungenentzündung und wurde in Vallauris (Alpes-Maritimes) beigesetzt.
Theater (Auswahl)
William Shakespeare, Macbeth
Jean Cocteau, Les chevaliers de la table ronde
Jean Cocteau, Les parents terribles
Filmografie
1933: L’Épervier – Regie: Marcel L’Herbier
1933: Dans les rues – Regie: Victor Trivas
1933: Étienne – Regie: Jean Tarride
1934: L’aventurier – Regie: Marcel L’Herbier
1934: Le scandale – Regie: Marcel L’Herbier
1935: Le bonheur – Regie: Marcel L’Herbier
1936: Die neuen Männer (Les hommes nouveaux) – Regie: Marcel L’Herbier
1936: Nuits de feu – Regie: Marcel L’Herbier
1937: Drôle de drame – ein sonderbarer Fall (Drôle de drame) – Regie: Marcel Carné
1937: Abus de confiance – Regie: Henri Decoin
1941: Le Pavillon brûle – Regie: Jacques de Baroncelli
1942: Reise ohne Hoffnung (Voyage sans espoir) – Regie: Christian-Jaque
1942: Le Lit à colonnes – Regie: Roland Tual
1943: Carmen – Regie: Christian-Jaque
1943: Der ewige Bann (L’éternel retour)
1946: Es war einmal (La Belle et la Bête)
1946: Ruy Blas – der Geliebte der Königin (Ruy Blas) – Regie: Pierre Billon
1946: Les chouans – Regie: Henri Calef
1948: Der Doppeladler (L’aigle à deux têtes)
1948: Treffpunkt Rio (Aux yeux du souvenir) – Regie: Jean Delannoy
1949: Die schrecklichen Eltern (Les parents terribles) – Regie: Jean Cocteau
1949: Orpheus (Orphée)
1949: Das Geheimnis von Mayerling (Le secret de Mayerling) – Regie: Jean Delannoy
1950: Einmal nur leuchtet die Liebe (Les miracles n’ont lieu qu’une fois) – Regie: Yves Allégret
1950: Rendezvous in Paris (Le Château de verre) – Regie: René Clément
1951: Nez de cuir – Regie: Yves Allégret
1952: La maison du silence – Regie: Georg Wilhelm Pabst
1952: Männer ohne Tränen (La voce del silenzio)
1953: Geliebte um Mitternacht (Les Amants de minuit) – Regie: Roger Richebé
1953: Im Schlafsaal der großen Mädchen (Dortoir des grandes) – Regie: Henri Decoin
1953: Julietta – Regie: Marc Allégret
1953: Ruf des Schicksals (L’appel du destin) – Regie: Georges Lacombe
1953: Der Arzt und das Mädchen (Le Guérisseur) – Regie: Yves Ciampi
1954: Der Graf von Monte Christo (Le Comte de Monte-Cristo) – Regie: Robert Vernay
1954: Versailles – Könige und Frauen (Si Versailles m’était conté)
1955: Reif auf jungen Blüten (Futures vedettes) – Regie: Marc Allégret
1955: L’Amour sous l’électrode (L’Amour sous l’électrode) – Regie: Jean Cocteau
1955: Napoleon (Napoléon)
1956: Der Mann, der die Millionen fand (Toute la ville accuse) – Regie: Claude Boissol
1956: Liebe unter heißem Himmel (Goubbiah) – Regie: Robert Darène
1956: Weiße Margeriten (Elena et les hommes)
1957: Taifun über Nagasaki (Typhon sur Nagasaki)
1957: Weiße Nächte (Le Notti bianche)
1957: Des Königs bester Mann (La Tour, prends garde!) – Regie: Georges Lampin
1957: Alchimie der Liebe (L’Amour de poche) – Regie: Pierre Kast
1958: Jeder Tag birgt ein Geheimnis (Chaque jour a son secret) – Regie: Claude Boissol
1958: Das Leben zu zweit (La vie à deux) – Regie: Clément Duhour
1959: Ritter der Nacht (Le Bossu) – Regie: André Hunebelle
1960: Austerlitz – Glanz einer Kaiserkrone (Austerlitz)
1960: Mein Schwert für den König (Le Capitan) – Regie: André Hunebelle
1960: Die Prinzessin von Cleve (La Princesse de Clèves)
1960: Das Testament des Orpheus (Le testament d’Orphée)
1961: Im Zeichen der Lilie (Le Miracle des loups) – Regie: André Hunebelle
1961: Fracass – Der freche Kavalier (Le Capitaine Fracasse) – Regie: Pierre Gaspard-Huit
1961: Der Raub der Sabinerinnen (Il ratto delle Sabine)
1961: Kaiserliche Hoheit (Napoléon II, l’aiglon)
1962: Pontius Pilatus – Statthalter des Grauens (Ponzio Pilato)
1962: Der Graf mit der eisernen Faust (Les mystères de Paris) – Regie: André Hunebelle
1962: Die eiserne Maske (Le Masque de fer) – Regie: Henri Decoin
1963: Geheimagent S. schlägt zu (L’Honorable Stanislas, agent secret) – Regie: Jean-Charles Dudrumet
1964: Fantomas (Fantômas)
1964: Pulverfass und Diamanten (Le Gentleman de Cocody) – Regie: Christian-Jaque
1964: Monsieur geht fremd (Patate) – Regie: Robert Thomas
1965: Fantomas gegen Interpol (Fantômas contre Interpol)
1965: Rendezvous der Killer (Pleins feux sur Stanislas)
1965: Der Zug zur Hölle (Train d’enfer) – Regie: Gilles Grangier
1966: Der Lord mit der MP (Le Saint prend l’affût)
1967: Fantomas bedroht die Welt (Fantômas contre Scotland Yard)
1967: 7 Mann und ein Luder (7 hommes et une garce) – Regie: Bernard Borderie
1968: Paria (Le Paria)
1970: Eselshaut (Peau d’âne)
1973: Cagliostro (Fernseh-Mehrteiler)
1986: Familienbande (Liens de parente)
1992: Ein Fall für die Inselkinder (Les enfants du naufrageur) Regie: Jérôme Foulon
1995: Les Misérables
1996: Gefühl und Verführung (Stealing Beauty)
Auszeichnungen
„Bambi“ für den besten internationalen Schauspieler: 1954, 1955, 1956 (nominiert auch 1948, 1950, 1958, 1960)
„César d’Honneur“ (Ehrenpreis beim César) 1993
Literatur
Jean Marais: Histoire de ma vie. Albin Michel, Paris 1975, Neuauflage 1998.
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