art.wikisort.org - Künstler

Search / Calendar

Robert Johann Arthur Gernhardt[1] (* 13. Dezember 1937 in Tallinn, Estland; † 30. Juni 2006 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Schriftsteller, Dichter, Zeichner und Maler, der vor allem durch seine Satiren und seine komischen Gedichte und Zeichnungen in der Tradition Wilhelm Buschs bekannt wurde. Er war Redakteur der Zeitschrift Pardon sowie Mitbegründer der Neuen Frankfurter Schule und des Satiremagazins Titanic.

Robert Gernhardt bei einer Lesung im Evangelischen Stift Tübingen (2001)
Robert Gernhardt bei einer Lesung im Evangelischen Stift Tübingen (2001)

Leben


Grab von Almut und Robert Gernhardt auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt am Main
Grab von Almut und Robert Gernhardt auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt am Main

Robert Gernhardts Vater war Richter.[2] Die Familie Gernhardt gehörte in Estland zur Minderheit der Deutsch-Balten und musste 1939 nach Posen übersiedeln.[3]

1945 fiel der Vater als Soldat im Zweiten Weltkrieg. Nach Kriegsende floh die Mutter mit den Söhnen Robert, Per und Andreas über Thüringen nach Bissendorf. 1946 kam die Familie nach Göttingen. Nach Abschluss seiner Schulausbildung 1956 studierte Gernhardt Malerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und der Akademie der Künste in Berlin sowie Germanistik an der FU Berlin.[4] Seit 1964 lebte er als freiberuflicher Maler, Zeichner, Karikaturist und Schriftsteller in Frankfurt am Main. 1972 kaufte er in der Gegend von Arezzo in der Toskana ein altes Gebäude, wo er fortan viel Zeit verbrachte.[5] 1965 heiratete er die Malerin Almut Ullrich (1940–1989). 1990 ging Gernhardt eine zweite Ehe mit Almut Gehebe ein. 1996 musste er sich einer schweren Herzoperation unterziehen.

Gernhardt war 1999/2000 Stipendiat am Wissenschaftskolleg Berlin und verbrachte 2006 kurze Zeit als residenter Autor an der University of Warwick in England. Am 30. Juni 2006 erlag er in Frankfurt einer Darmkrebserkrankung, von der er seit Juli 2002 Kenntnis hatte.[6] Er wurde auf dem Frankfurter Hauptfriedhof beigesetzt.[7]


Werk


Von April 1964 bis Dezember 1965 war Gernhardt Redakteur der Satirezeitschrift Pardon, bei der er 1964 einer der Mitbegründer der Nonsensbeilage Welt im Spiegel war, die bis 1976 erschien und die neuere humoristische Literatur erheblich und maßgeblich beeinflusste. Gernhardt hatte eine Reihe von Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen unter anderem in Berlin, Frankfurt am Main, Basel und Regensburg. Er war Mitglied des Deutschen Künstlerbundes.[8] Zusammen mit F. W. Bernstein, F. K. Waechter, Chlodwig Poth, Eckhard Henscheid, Bernd Eilert, Peter Knorr und Hans Traxler war er Mitbegründer der Neuen Frankfurter Schule, deren Publikationsorgan nach der Zeitschrift pardon das Satiremagazin Titanic wurde. 1974 liefen im Hessischen Rundfunk sechs Folgen der Radiosendung HELP, ein satirisches Aushilfsmagazin, das in Zusammenarbeit mit Peter Knorr entstand.[9] Von 1975 bis 1978 wurden 8 Folgen der Fernsehsendung Dr. Muffels Telebrause produziert, einer Comedyshow von Robert Gernhardt, Bernd Eilert und Peter Knorr.[10] In den 1980er Jahren war Gernhardt gemeinsam mit Eilert und Knorr unter dem Kürzel GEK-Gruppe Co-Autor diverser Otto-Shows. Er gab auch Bücher von Otto Waalkes heraus und war am Drehbuch von vier „Otto-Filmen“ beteiligt.

Mit Glück Glanz Ruhm (1983), Gedanken zum Gedicht (1990) und Der letzte Zeichner (1999) trat Gernhardt als Essayist hervor.

Schon seit Beginn der 1980er Jahre veröffentlichte Gernhardt Gedichte (Wörtersee, 1981) und wurde im Laufe der 1990er Jahre zunehmend auch von der Kritik als bedeutender Lyriker anerkannt. Zu nennen sind vor allem die Gedichtbände Weiche Ziele (1994), Herz in Not (1996), Lichte Gedichte (1997), Die K-Gedichte (2004) und Später Spagat (2006 posthum erschienen).

Er gilt heute als einer der wichtigsten zeitgenössischen Dichter deutscher Sprache. Sein Werk hat sich dabei von den Nonsense-Versen und den humoristischen Formen der 1960er und 1970er Jahre zu einer vielseitigen Lyrik weiterentwickelt, die Gernhardt auch stets um neue Töne erweiterte. So parodierte er lyrisch verschiedene Textsorten, das berühmteste Beispiel ist das Sonett Materialien zu einer Kritik der bekanntesten Gedichtform italienischen Ursprungs, eine scheinbar wütende Invektive gegen eben diese Gedichtform und deren Verfasser.[11] Die Begleitumstände seiner Herzoperation verarbeitete Gernhardt in dem aus 100 reimlosen Siebenzeilern bestehenden Gedichtszyklus Herz in Not. Auch über seinen Kampf mit dem Krebs ab 2002 verfasste er mehrere Gedichte, die den ersten Teil der K-Gedichte darstellen. Seit 2003 las er in der Sendung Druckfrisch in der ARD regelmäßig ein zeitkritisches Sonett. Im Wintersemester 2005/2006 hielt er als Heine-Gastprofessor dieselben Vorlesungen über Lyrik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die er fünf Jahre zuvor auch im Rahmen der Frankfurter Poetik-Vorlesungen gehalten hatte.

Gernhardts Nachlass liegt im Deutschen Literaturarchiv Marbach. Aus den rund 40.000 Seiten umfassenden Aufzeichnungen in den sogenannten „Brunnen“-Heften[12] wurde 2011 der Band Toscana mia herausgegeben, der eine Auswahl aus Gernhardts Notizen, Versen und Zeichnungen enthält, die er während der Jahre 1979 bis 2005 in seinem Haus in der Toskana zu Papier brachte.[13]
Teile des Nachlasses sind im Literaturmuseum der Moderne in Marbach in der Dauerausstellung zu sehen.[14]


Pseudonyme


Robert Gernhardt kommentierte später seine Verwendung von Pseudonymen während der Arbeit an Welt im Spiegel (WimS):

„Gruppensitzungen in Gasthäusern, außerhalb der Arbeitszeit, anfangs ohne Verwertungsgedanken; während der Arbeitszeit machten wir jede Art von Redaktionsarbeit, außerdem geißelten wir die Missstände, Weigle als Hermann Rabe, F. W. Bernstein oder Bernhard Schuster, ich als Herr Kin, Lützel Jeman, Paul H. Burg, Arthur Klett oder Alfred Karch … Ein wichtiges Datum ist dann der Februar 1970. Von da ab haben wir WimS in eigener Regie gemacht … 1971 ist wieder ein entscheidendes Datum. Lützel Jeman gibt sein Pseudonym auf … Ich habe das dann in einem langen, strategisch breitangelegten Überleitungsprozess ähnlich wie von Coca Cola zu Coke von Lützel Jeman über Robert Jeman Gernhardt zu Robert Gernhardt gebracht“[15]

Die Erzähler in seinen Geschichten haben oft Namen wie G oder Norbert Gamsbart und sind augenscheinlich an den Namen des Autors angelehnt. Mit ihrer Hilfe konnte Gernhardt Ansichten verbreiten, die im Wesentlichen die eigenen waren, aber von denen er sich jederzeit distanzieren konnte mit dem Hinweis, nicht er, sondern seine Kunstfigur habe sie geäußert.[16]

Hans Mentz ist ein Sammelpseudonym, unter dem in der Satirezeitschrift Titanic verschiedene Autoren die Rubrik Humorkritik verfassen.


Robert-Gernhardt-Preis


Im Dezember 2008 stiftete die Landesbank Hessen-Thüringen im Andenken an Robert Gernhardt den beim Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst angesiedelten Robert-Gernhardt-Förderpreis (heute: Robert-Gernhardt-Preis). Er wird seit 2009 jährlich an je zwei hessische Autoren vergeben, um sie darin zu unterstützen, ein besonderes literarisches Projekt zu verwirklichen.[17] Das Preisgeld beträgt für jeden Preisträger jeweils 12.000 Euro.


Einzeltitel (Auswahl)



Posthume Veröffentlichungen



Übersetzung der Werke



Englisch



Japanisch



Niederländisch



Schwedisch



Herausgabe



Filme



Drehbücher



Filme mit und über Robert Gernhardt



Auszeichnungen und Ehrungen


Frankfurter Grüngürteltier auf dem Berger Rücken
Frankfurter Grüngürteltier auf dem Berger Rücken
Drei Gernhardt-Eschen mit der GrünGürteltier-Stele „Auf dem Wörth“ in Nied, Frankfurt am Main
Drei Gernhardt-Eschen mit der GrünGürteltier-Stele „Auf dem Wörth“ in Nied, Frankfurt am Main

Literatur über Gernhardt




Beiträge zu Gernhardt

Commons: Robert Gernhardt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikiquote: Robert Gernhardt – Zitate

Beiträge von Gernhardt

Interviews mit Gernhardt


Nachrufe


Einzelnachweise


  1. Robert Gernhardt: Hinter der Kurve: Reisen 1978-2005 (Seite 18). 1. Auflage. S. Fischer, 2012, ISBN 978-3-10-025513-6, S. 304.
  2. deutschlandfunkkultur.de: Einer, der das Land zum Lachen brachte. Abgerufen am 20. August 2022.
  3. Robert Gernhardt. (Memento vom 15. Juli 2001 im Internet Archive) AiD, Ausländer in Deutschland 1/2001, 17. Jg., 30. März 2001 (nach unten scrollen)
  4. ZDF, Heute, 30. Juni 2006 (Memento vom 17. Juli 2006 im Internet Archive)
  5. Hubert Spiegel: Tagebücher aus der Toskana. In: faz.net, 3. Juni 2011, abgerufen am 18. Juli 2014.
  6. Robert Gernhardt: „Ich litt nicht am Krebs, nur unter der Therapie“. In: Die Welt, 3. Juli 2006.
  7. Das Grab von Robert Gernhardt. In: knerger.de
  8. Ordentliche Mitglieder des Deutschen Künstlerbundes seit der Gründung 1903 / Gernhardt, Robert. (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) In: kuenstlerbund.de, abgerufen am 26. August 2015
  9. …oder drei. (1973-1975). Webpräsenz von Pit Knorr. Abgerufen am 3. Januar 2019
  10. Dr. Muffels Fernsehbrause. fernsehserien.de. Abgerufen am 3. Januar 2019.
  11. Tobias Eilers: Robert Gernhardt: Theorie und Lyrik. Erfolgreiche komische Literatur in ihrem gesellschaftlichen und medialen Kontext. Waxmann, Münster/New York/München/Berlin 2011, S. 308
  12. Januar 2010: Robert Gernhardts Schulheft. (Memento vom 21. Mai 2013 im Internet Archive) In: dla-marbach.de
  13. Hubert Spiegel: Rezension (FAZ 2011)
  14. Unter lauter Kugelschreibern eine Welt. Süddeutsche Zeitung, 19. Mai 2010
  15. Jahre der großen Lockerung. In: Wiener Zeitung, Extra-Lexikon, 8. Juli 2006, Nachruf
  16. Klaus Cäsar Zehrer: Dialektik der Satire. Zur Komik von Robert Gernhardt und der „Neuen Frankfurter Schule“. Dissertation. Der Andere Verlag, Osnabrück 2002, ISBN 3-936231-64-8. online (PDF; 9,5 MB). Seite 177.
  17. Robert Gernhardt Förderpreis für hessische Autorinnen und Autoren. Abgerufen am 20. August 2022.
  18. Eine umfangreiche Rezension dieses Bandes durch Thomas Steinfeld erschien in der Süddeutschen Zeitung vom 7./8. Januar 2006, S. 16: Der echte Herr Hecht und die Hunde: Ein Besuch in der Welt der geglückten Stürze. Robert Gernhardt und seine "Gesammelten Gedichte 1954-2004"
  19. Rezension von Dieter Hildebrandt. In: Die Zeit. Nr. 33, 10. August 2006.
  20. Das Literarische Quartett, ZDF, 17. August 2005 (Memento vom 12. November 2006 im Internet Archive)
Personendaten
NAME Gernhardt, Robert
ALTERNATIVNAMEN Gernhardt, Robert Johann Arthur (vollständiger Name)
KURZBESCHREIBUNG deutscher Schriftsteller, Dichter Zeichner und Maler
GEBURTSDATUM 13. Dezember 1937
GEBURTSORT Tallinn, Estland
STERBEDATUM 30. Juni 2006
STERBEORT Frankfurt am Main

На других языках


- [de] Robert Gernhardt

[en] Robert Gernhardt

Robert Gernhardt (13 December 1937 – 30 June 2006) was a German writer, painter, graphic artist and poet.

[fr] Robert Gernhardt

Robert Gernhardt (né le 13 décembre 1937 à Tallinn, mort le 30 juin 2006 à Francfort-sur-le-Main) est un écrivain, illustrateur et peintre allemand.



Текст в блоке "Читать" взят с сайта "Википедия" и доступен по лицензии Creative Commons Attribution-ShareAlike; в отдельных случаях могут действовать дополнительные условия.

Другой контент может иметь иную лицензию. Перед использованием материалов сайта WikiSort.org внимательно изучите правила лицензирования конкретных элементов наполнения сайта.

2019-2024
WikiSort.org - проект по пересортировке и дополнению контента Википедии