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Wladimir Georgijewitsch Sorokin (russisch Владимир Георгиевич Сорокин, wiss. Transliteration Vladimir Georgievič Sorokin; Betonung: Wladímir Geórgijewitsch Sorókin; * 7. August 1955 in Bykowo bei Moskau) ist ein russischer Schriftsteller und Dramatiker. Sorokin gilt als Vertreter des Moskauer Konzeptualismus und der russischen Postmoderne. Er war in der Vergangenheit heftigen Angriffen von regierungsnahen politischen Organisationen ausgesetzt.[1] Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 lebt er im Exil in Berlin.[2]

Wladimir Sorokin bei einer Lesung während der Lit.Cologne 2006 in Köln
Wladimir Sorokin bei einer Lesung während der Lit.Cologne 2006 in Köln

Leben


Wladimir Sorokin im Literaturhaus Zürich, 2022.
Wladimir Sorokin im Literaturhaus Zürich, 2022.


Sorokin studierte am Moskauer Gubkin-Institut der Erdgas- und Erdölindustrie sowie am Institut für Chemie. Nach dem Abschluss seiner Ingenieursausbildung im Jahre 1977 arbeitete er ein Jahr lang für die Zeitschrift „Wechsel“ (Смена), bevor die Weigerung, dem Komsomol beizutreten, zu seiner Entlassung führte. Unterdessen beschäftigte sich Sorokin bereits mit Buchgraphik, Malerei und Konzeptkunst und nahm an zahlreichen Ausstellungen teil; so gestaltete und illustrierte er etwa 50 Bücher. Auch die ersten eigenen literarischen Gehversuche machte er schon zu Beginn der 1970er Jahre. 1972 debütierte er als Dichter in der auflagenstarken Zeitung „Für die Erdölindustrie“ (За кадры нефтяников).

In den 1980er Jahren zählte er zur Moskauer inoffiziellen Literatur. Sorokin stand damals dem Moskauer Kreis der Konzeptualisten nahe und publizierte im Samisdat. 1985 wurden in der Pariser Zeitschrift А-Я sechs Erzählungen Sorokins nachgedruckt. Im selben Jahr erschien der Roman „Die Schlange“ (Очередь) im französischen Verlag Syntaxe. Die erste Publikation in der Sowjetunion fällt ins Jahr 1989, als Sorokin in der Novemberausgabe der Zeitschrift „Quelle“ (Родник) einige Erzählungen veröffentlichte. In der Folge erschienen „Dritte Modernisierung“ (Третья модернизация) und „Ende des Jahrhunderts“ (Конец века), Mitin Journal (Митин журнал), Mesto Pechati (Место печати).

Im März 1992 wurde Sorokin einem größeren Leserkreis bekannt, als der Roman „Die Schlange“ in der Zeitschrift „Kinokunst“ (Искусство кино) und ein Erzählband im Moskauer Verlag „Russlit“ (Русслит) erschienen. Zudem wurde das Manuskript „Die Herzen der Vier“ (Сердца четырёх) veröffentlicht. Seine Bücher sind gegenwärtig in 22 Sprachen übersetzt. Wladimir Sorokin lebt in der Nähe von Moskau und in Berlin, ist verheiratet und Vater von Zwillingstöchtern. Im November 2014 fand er nach einer Unterbrechung von 35 Jahren wieder zurück zur Malerei.

Sorokins Texte sind im deutschsprachigen Raum so populär, dass selbst seine Romane Bühnenfassungen bekommen. So wurde zum Beispiel Manaraga. Tagebuch eines Meisterkochs von Regisseurin Blanka Rádóczy in einer pausenfrei 80-minütigen Performance-Inszenierung am Schauspielhaus Graz auf die Bühne gebracht. Die Gemeinschaftsproduktion von Schauspielhaus Graz & steirischer herbst ’19 hatte ihre Uraufführung am 9. Oktober 2019.[3][4]

Sorokin war Mitglied des PEN Russland, verließ diesen aber, wie er sagt, als dieser "konformistisch und pro-putinistisch wurde". Im Juni 2022 gehörte er zu den Mitgründern des PEN Berlin.[5]


Kontroverse


Sorokin wird neben Wiktor Pelewin und Wiktor Jerofejew als einer der drei Hauptvertreter der russischen Postmoderne angesehen und gilt als einer der schärfsten Kritiker des politischen Systems Russlands.[6] In seinen Erzählungen und Romanen zitiert er unterschiedliche Schreibweisen, z. B. parodiert er die Stilistik des sozialistischen Realismus und kombiniert sie mit Gewaltdarstellungen und Elementen russischer Mythologie. Gemäß Sorokin ist das gegenwärtige Russland nur noch mit den grotesken Mitteln der Satire abzubilden.[7]

Sorokins Texte führten in Russland zu mehreren politischen Kontroversen. Insbesondere die putinnahe Jugendbewegung Идущие вместе (Iduschtschije wmeste – „Gemeinsamer Weg“) initiierte eine Reihe von diffamierenden Aktionen, die sich gegen das Wirken Sorokins richteten, u. a. bauten sie 2002 vor dem Bolschoi-Theater in Moskau eine riesige Toilette auf, in die sie Sorokins Bücher warfen. 2002 reichten sie beim Moskauer Bezirksgericht Klage gegen Sorokin wegen angeblicher Pornographie, u. a. in seinem Roman Himmelblauer Speck (Goluboe Salo) ein.[8] Der Rechtsstreit endete zu Gunsten Sorokins;[9] der russische Kulturminister Michail Schwydkoi hatte sich schon früh gegen die Zensurversuche ausgesprochen.[10] Warf Iduschtschije Wmeste Sorokins Bücher noch symbolisch ins Klo, so verbrannte die Organisation unter ihrem neuen Namen Naschi („Unsere“) die Bücher des Schriftstellers in der Folge sogar öffentlich.[11]

Im Frühjahr 2005 wurde der Kulturausschuss der Duma legitimiert, gegen die Uraufführung der Oper Rosenthals Kinder (Musik: Leonid Desjatnikow, Libretto: Wladimir Sorokin) am Bolschoi-Theater eine Untersuchung einzuleiten. Protagonisten der Oper sind u. a. ein Genforscher, eine Reihe von Prostituierten und Klone der verstorbenen Komponisten Mozart, Verdi, Mussorgski, Wagner und Tschaikowski.[1]

Im Jahr 2006 erschien Der Tag des Opritschniks, eine Dystopie, in der die Welt Ivan des Schrecklichen ins zeitgenössische Russland projiziert wird. Trotz des Datums in der Zukunft ist darin die Gegenwart erkennbar mit nationalpatriotischen beziehungsweise neoimperialistischen Diskursen.[7]

Die russische Zeitung Moskowski Komsomolez nannte den Autor 2010 nach der Verleihung des Gorki-Preises einen Revolutionär, der auf der Suche nach neuen literarischen Formen sei. Allerdings könnten die meisten Russen wenig anfangen mit Wladimir Sorokin und seiner Moderne.[12]

Im März 2022 gehörte Sorokin zu den Unterzeichnern eines Appells russischsprachiger Schriftsteller an alle russisch sprechenden Menschen, innerhalb Russlands die Wahrheit über den Krieg in der Ukraine zu verbreiten[13]. Im Juni schrieb er, jeder vernünftige Mensch habe 20 Jahre Zeit gehabt, um zu erkennen, wer Putin ist. Aber die Menschen hätten das Gewissen gegen materielles Wohlergehen getauscht, und nun, 2022 ernteten sie die Früchte ihres Tuns.

„Ich habe das Ausmaß von Putins Wahnsinn unterschätzt. Er zerstörte alles, was er berührte. Er sagt, er habe Russland von den Knien gehoben, aber in Wirklichkeit hat er es zerstört.“

Wladimir Georgijewitsch Sorokin[14]

Bibliographie


Wladimir Sorokin, aufgenommen während eines Aufenthalts in der Villa Waldberta von Barbara Niggl Radloff (1990)
Wladimir Sorokin, aufgenommen während eines Aufenthalts in der Villa Waldberta von Barbara Niggl Radloff (1990)

Romane



Kunstbücher



Kurzgeschichten, Essays, Prosagedichte



Theaterstücke



Film-Drehbücher



Auszeichnungen



Literatur




Commons: Wladimir Georgijewitsch Sorokin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Christine Engel: Der Kampf um die Deutungsmacht als inszenierter Skandal – Vladimir Sorokin im Bol'šoj–Theater. In: Stefan Neuhaus, Johann Holzner (Hrsg.): Literatur als Skandal – Fälle – Funktionen – Folgen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, S. 707–717.
  2. Literaturhaus Berlin | »Im Berliner Exil: Vladimir Sorokin«. Abgerufen am 17. Juli 2022 (englisch).
  3. Reinhard Kriechbaum: Manaraga. Tagebuch eines Meisterkochs – Schauspielhaus Graz: „Halt Dein Holz trocken!“, Rezension auf nachtkritik.de vom 9. Oktober 2019, abgerufen am 13. Oktober 2019
  4. Huy Van Jonny Diep: „Sorokins "Manaraga" beim Steirischen Herbst: Dekadenz als Performance“, Rezension in Der Standard vom 9. Oktober 2019, abgerufen am 13. Oktober 2019
  5. PEN Berlin. Abgerufen am 17. Juli 2022.
  6. Vladimir Sorokin. Internationales Literaturfestival Berlin. 2010. Abgerufen am 16. November 2011.
  7. Vladimir Sorokin, Dekoder, 26. Januar 2017
  8. Interview mit Wladimir Sorokin im Spiegel vom 6. August 2002; Erste Niederlage für Sorokin, Spiegel vom 29. August 2002.
  9. Schriftsteller Vladimir Sorokin freigesprochen, Spiegel vom 25. April 2003.
  10. Regierung distanziert sich von Literaturzensur, Spiegel vom 21. Januar 2002.
  11. APA: Gorki-Preis an Vladimir Sorokin. Der Standard, Wien. 1. Oktober 2010. Abgerufen am 2. Oktober 2010.
  12. MK: Сорокину отдали задолженное. Moskowski Komsomolez. 1. Oktober 2010. Archiviert vom Original am 7. Oktober 2010. Abgerufen am 2. Oktober 2010.
  13. Sprechen Sie mit den Russen! FAZ, 5. März 2022
  14. "Wir werden das neue Russische Reich begraben müssen – zusammen mit dem sowjetischen" Vladimir Sorokins Interview mit der Financial Times handelt vom Krieg und von Russland, das im Mittelalter verharrt. Eine Nacherzählung, Meduza, 24. Juni 2022
  15. Tobias Wenzel: Vladimir Sorokin: „Manaraga“ – Kulinarische Bücherverbrennung, Rezension im Deutschlandfunk Kultur vom 7. November 2018, abgerufen am 7. November 2018
  16. Hochzeitsreise (Svadebnoe putešestvie) in der Datenbank theatertexte.de
Personendaten
NAME Sorokin, Wladimir Georgijewitsch
ALTERNATIVNAMEN Сорокин, Владимир Георгиевич (russisch); Sorokin, Vladimir Georgievič (wissenschaftliche Transliteration)
KURZBESCHREIBUNG russischer Schriftsteller und Dramatiker
GEBURTSDATUM 7. August 1955
GEBURTSORT Bykowo bei Moskau

На других языках


- [de] Wladimir Georgijewitsch Sorokin

[en] Vladimir Sorokin

Vladimir Georgiyevich Sorokin (Russian: Влади́мир Гео́ргиевич Соро́кин; born 7 August 1955) is a contemporary postmodern Russian writer and dramatist, one of the most popular in modern Russian literature.[1][2]

[it] Vladimir Georgievič Sorokin

Vladimir Georgievič Sorokin (in russo: Владимир Георгиевич Сорокин?; Bykovo, 7 agosto 1955) è uno scrittore, drammaturgo, pittore e sceneggiatore russo, uno dei più importanti rappresentanti del concettualismo nella letteratura russa.

[ru] Сорокин, Владимир Георгиевич

Влади́мир Гео́ргиевич Соро́кин (род. 7 августа 1955, п. Быково, Московская область) — русский писатель, сценарист и драматург, художник. Один из наиболее ярких представителей концептуализма и соц-арта[5][6][7][8] в русской литературе. Автор одиннадцати романов, а также ряда повестей, рассказов, пьес и киносценариев.



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