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Hans Gerhard Evers (* 19. März 1900 in Lübeck; † 8. April 1993 in Hofgeismar) war ein deutscher Kunsthistoriker und Hochschullehrer.

Hans Gerhard Evers (1956)
Hans Gerhard Evers (1956)

Leben


Evers war das jüngste von drei Kindern des Pastors und ab 1919 Seniors der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Lübeckischen Staate Johannes Evers (1859–1945) und seiner Frau Anna Evers, geb. Plitt (1874–1906). Bis zum Abitur 1917 besuchte er das Humanistische Gymnasium Katharineum zu Lübeck.[1]

Er studierte zunächst Deutsch, Geschichte und Turnen an den Universitäten Göttingen, Heidelberg und Berlin und legte 1923 das Staatsexamen für das höhere Lehrfach ab. Während seines Studiums in Göttingen wurde er 1918 Mitglied der Schwarzburgbund-Verbindung Burschenschaft Germania.[2]

Mit der bildenden Kunst kam er erst während des Studiums insbesondere durch den Einfluss des Archäologen Ludwig Curtius in Heidelberg und des Kunsthistorikers Georg Graf Vitzthum in Göttingen in Kontakt. 1924 wurde er mit einer Arbeit zu Winkelmann und Lessing im Kampf um die Erziehung zur Kunst promoviert. Mit diesem Thema und den Prüfungsfächern Literaturgeschichte, Kunstgeschichte und Archäologie vollzog er den Wechsel zu den kunstwissenschaftlichen Disziplinen.[3]


Wissenschaftlicher Werdegang bis zum Zweiten Weltkrieg


1924/25 war Evers Assistent am kunsthistorischen Seminar der Universität Heidelberg bei Carl Neumann. Ein amerikanisches Arbeits- und Reise-Stipendium für ägyptologische Studien ermöglichte ihm im Winter 1925/26 einen sechsmonatigen Studienaufenthalt in Ägypten und die Assistenz am ägyptologischen Institut bei Hermann Ranke in Heidelberg. Als Ergebnis erschien 1929 das zweibändige Werk von Evers Staat aus dem Stein über die ägyptische Plastik des Mittleren Reiches, illustriert überwiegend mit eigenen Fotografien.[3]

Nach dieser Doppelrolle als Ägyptologe und Kunsthistoriker entschied sich Evers endgültig für die Kunstgeschichte, wechselte 1928 an die Universität München und bewarb sich um die Lehrerlaubnis bei Wilhelm Pinder. Er habilitierte sich Ende 1932 mit einer Arbeit über die Breitrichtung der Basilika und arbeitete anschließend als Privatdozent für neuere Kunstgeschichte an der Universität München.[3]


Wehrdienst/Kunstschutz


Von 1939 bis 1945 war Evers zum Militärdienst einberufen. Er diente zunächst als einfacher Soldat, dann als Gefreiter in einer Truppenentgiftungseinheit. 1940 wurde er Unteroffizier. Ab September 1940 war er im Kunstschutz in Frankreich und Belgien eingesetzt. Von November 1943 bis zur Entlassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft im September 1945 war er als Militärverwaltungsrat für den Schutz von Kunstschätzen und Baudenkmälern im besetzten Italien verantwortlich.[4]


Ordinarius für Kunstgeschichte an der TH Darmstadt


Nachdem er im Rahmen der Entnazifizierung als „unbelastet“ eingestuft worden war,[5] konnte Hans Gerhard Evers 1948 als außerplanmäßiger Professor ohne eigenen Lehrstuhl an die Universität München zurückkehren. Ab 1949 war er zunächst als Lehrbeauftragter und dann von 1950 bis 1968 als ordentlicher Professor Inhaber des Lehrstuhls für Kunstgeschichte in der Fakultät für Architektur der Technischen Hochschule Darmstadt. Er vertrat diesen Lehrstuhl über die Altersgrenze hinaus und war auch nach seiner Emeritierung weiter wissenschaftlich tätig.[3]


Familiäres


Hans Gerhard Evers starb 1993 nach langjähriger Alzheimer-Erkrankung in Hofgeismar. Er hatte zwei Kinder aus einer ersten und vier Kinder aus einer zweiten Ehe, Tilman Evers ist sein Sohn.[3]


Lehre und Forschung


Hans Gerhard Evers vertrat in seiner kunsthistorischen Lehre eine außergewöhnliche inhaltliche Breite. Als einziger Vertreter seines Fachgebietes an der TH Darmstadt hielt er in mehrjährigen Zyklen Vorlesungen, die die gesamte Kunstgeschichte von frühesten steinzeitlichen Überlieferungen bis in die zeitgenössische Moderne umfassten. Dabei berücksichtigte er Architektur, Malerei und Plastik gleichermaßen. Evers sprach stets frei und ließ immer zwei Lichtbilder nebeneinander projizieren, um seine Darlegungen im unmittelbaren Vergleich zu veranschaulichen. Seine Vorlesungen im stets überfüllten großen Hörsaal fanden Nachhall weit über die Architekturfakultät und die Hochschule hinaus. Sie wurden als Brücke zwischen Universität und Stadt verstanden und von zahlreichen Gasthörern besucht. Mit den Architekturstudenten führte er zahlreiche große Exkursionen u. a. nach Frankreich, England und mehrfach nach Ägypten durch.[3][6]

Auch in seinen Forschungen und Publikationen, die sich über mehrere Jahrtausende und alle Gattungen der Bildenden Kunst erstrecken, spiegelt sich seine umfassende Sicht und Kenntnis der Kunstgeschichte als Gesamtdisziplin.

Neben seiner Lehrtätigkeit an der Technischen Hochschule Darmstadt unterrichtete er Kunstgeschichte auch an der Werkkunstschule Darmstadt und hielt deutschlandweit kunstwissenschaftliche Diavorträge bei unterschiedlichen Veranstaltern.[7]

In zeitgenössischen kunsthistorischen Fachkreisen galt die Themenvielfalt von Evers als ungewöhnlich und wurde teilweise kritisch gesehen. Evers scheute sich auch nicht, im wissenschaftlichen Alleingang immer wieder kontroverse Anstöße zu geben.[3]


Rubensforschung


Ein Schwerpunkt von Evers waren seit 1925 Forschungen zu dem flämischen Barockmaler Peter Paul Rubens. Nachdem der Haupttext zu einer neuen Rubensbiografie bei der Einberufung 1939 bereits zur Hälfte geschrieben war, wurde Evers vom Oktober 1941 bis 1943 auf Empfehlung des Kunstschutzes[8] nach Antwerpen beordert und zur Fertigstellung der Biografie eingesetzt. Als Ergebnis legte Evers zwei umfangreiche Bände über Peter Paul Rubens vor, 1942 eine Biografie anhand der Originalquellen mit neuem, selbst fotografiertem Bildmaterial, und 1943 einen ergänzenden Forschungsband. Diese Publikationen begründeten Evers’ Ruf als Rubensspezialist; bis ins hohe Alter war er für Expertisen und Rubens-Beiträge gefragt.


Historismus/Kunst des 19. Jahrhunderts


Als einer der ersten Kunsthistoriker überhaupt würdigte er die historistische Kunst des 19. Jahrhunderts, insbesondere die Schlossbauten von Ludwig II. von Bayern, denen er Abhandlungen in seinen frühen Veröffentlichungen,[9] aber auch sein letztes großes Buch widmete.[10] Evers hatte hierbei Zugang zum Geheimen Hausarchiv der Wittelsbacher und zu den Tagebüchern des Königs, die ihm einen zusätzlichen und einmaligen Einblick in die Denkweise von Ludwig II ermöglichten.[11]


Ingenieurbauten


Als Kunsthistoriker an einer Technischen Hochschule arbeitete Evers auch über Ingenieurbauten, etwa die Eisenkonstruktionen bei Brücken, Hallen und Schiffen, in denen er eine eigenständige Architekturform erkannte.[3]


Fotografie


Wo immer möglich fotografierte Evers seine Forschungsgegenstände selbst und verdeutlichte oft schon durch die Wahl des Blickwinkels und durch Detailaufnahmen seine besondere Sichtweise und Interpretation. Nachfolgende Forscher konnten teilweise nur anhand seiner Aufnahmen über kriegszerstörte Bauwerke arbeiten. Die Aufnahmen sind heute überwiegend im Kunstgeschichtlichen Institut der TU Darmstadt, im Bildarchiv Foto Marburg und im Department of Art History, New York University zu finden.

Evers befasste sich als Kunsthistoriker aber auch früh mit der Fotografie als neuer Kunstform und förderte deren Anerkennung in seinen Fachkreisen.

„[…] Es war der endgültige Durchbruch in der Überwindung eines normativen Tabus, daß Photographie nichts mit Kunst zu tun hätte. So nämlich lautete die Formulierung, mit der noch 1970 die Redaktion des Fachorgans deutscher Kunsthistoriker, die "Kunstchronik", abgelehnt hatte, eine Rezension zur Münchner Ausstellung ("Malerei und Photographie im Dialog von 1840 bis heute", Anm. des Verfassers) aus der Feder von Prof. Dr. Hans Gerhard Evers/Darmstadt zu drucken. Erst ein Protest mehrerer Kollegen und Besprechungen in über fünfzig Zeitungen führten zur Einsicht und damit doch noch zur Veröffentlichung der abgelehnten Rezension.“

Josef Adolf Schmoll genannt Eisenwerth: 1. Das Kunstgeschichtliche Institut der Universität des Saarlandes: Lebensbilder. 2006.

Darmstädter Gespräche/Kunstausstellungen/Bürgerschaftliches Engagement


Evers nahm am kulturellen Leben in Darmstadt regen Anteil. Er gehörte zu den Mitinitiatoren und danach von 1950 bis 1968 durchgängig zum Ständigen Komitee der Darmstädter Gespräche.[12] Er leitete das erste Darmstädter Gespräch 1950 mit dem Thema Das Menschenbild in unserer Zeit.[13] Auch bei zwei der nachfolgenden Darmstädter Gespräche übernahm er Teile der Gesprächsleitung.[14] Zu großen Darmstädter Kunstausstellungen wie Zeugnisse der Angst in der modernen Kunst (1963),[15] Erste Internationale der Zeichnung (1964), Menschenbilder (1968) oder einer großen Werkausstellung zu Henry Moore (1969) und zu deren Ausstellungskatalogen trug er wesentlich bei.

Evers war Gründungsmitglied und von 1961 bis 1985 2. Vorsitzender des Vereins Freunde des Landesmuseums und viele Jahre Jury-Mitglied für den Darmstädter Kunstpreis Wilhelm-Loth-Preis.[16][1]


Ehrungen


(Den Preis nahm Evers erst entgegen, nachdem sein Protest gegen einen geplanten Abriss des kriegsbeschädigten alten Hoftheaters von Georg Moller erfolgreich war.[19] Der Bau beherbergt heute u. a. das Hessische Staatsarchiv Darmstadt und das Haus der Geschichte.)[20]


Veröffentlichungen (Auswahl)


Anmerkungen zur Liste der Veröffentlichungen[21]


Schriften



Andere Publikationen



Ägyptologie/Archäologie/Sinologie


Mittelalter


Renaissance/Barock


Peter Paul Rubens


19. Jahrhundert/Historismus


20. Jahrhundert


Fotografie


Sonstiges


Literatur



Familienarchiv der Familie Hans Gerhard Evers





Einzelnachweise


  1. Die Freunde des Landesmuseums (PDF; 4,3 MB) Abschnitt: Prof. Dr. Hans Gerhard Evers
  2. Hermann Goebel (Hrsg.): Mitgliederverzeichnis des Schwarzburgbundes. 8. Aufl., Frankfurt am Main 1930, S. 66 Nr. 695.
  3. siehe Abschnitt „Quellen“
  4. Familienarchiv Evers. Bedeutsam sind u. a. Schreiben mehrerer italienischer Denkmalpfleger, die Evers nach Kriegsende einen untadeligen Einsatz für die italienische Kunst bescheinigen. Siehe auch: Cecilia Ghibaudi: Pinacoteca di Brera. Mailand 1943-1945. Die Schutzmaßnahmen der Soprintendenza alle Gallerie und ihr Verhältnis zum deutschen Kunstschutz. In: Christian Fuhrmeister, Johannes Griebel, Stephan Klingen, Ralf Peters (Hrsg.): Kunsthistoriker im Krieg, Deutscher Militärischer Kunstschutz in Italien 1943–1945. Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2012, ISBN 978-3-412-20804-2, S. 129–152.
  5. Familienarchiv Evers
  6. Erinnerungen an den Hochschullehrer H.G. Evers von dem Architekten Prof. Jochem Jourdan (PDF; 1,7 MB).
  7. z. B.: Albrecht Dürers Kunst in tiefenpsychologischer Sicht, März 1972 bei Literarische Gesellschaft Gräfelfing
  8. Namentlich auf Empfehlung von Franz Graf Wolff Metternich und Bernhard von Tieschowitz. Eine entsprechende Bestätigung dieser beiden Vorgesetzten von Evers im Kunstschutz ist im Familienarchiv erhalten.
  9. Tod, Macht und Raum, siehe Abschnitt Veröffentlichungen
  10. Ludwig II. von Bayern, siehe Abschnitt Veröffentlichungen
  11. Markus Spangenberg, unten (Stand 5/2012) und Familienarchiv.
  12. Mit dem Ausscheiden von Evers bei seiner Emeritierung brach auch die Tradition der Darmstädter Gespräche nach dem 10. Gespräch zunächst ab
  13. Tagungsband: Hans Gerhard Evers (Hrsg.): Darmstädter Gespräch, Das Menschenbild in unserer Zeit. Neue Darmstädter Verlagsanstalt, Darmstadt 1950.
  14. Tagungsband: Hans Schwippert (Hrsg.): Darmstädter Gespräch, Mensch und Technik. Neue Darmstädter Verlagsanstalt, Darmstadt 1952; Tagungsband: Rudolf Krämer-Badoni, Hans Gerhard Evers (Hrsg.): Darmstädter Gespräch, Mensch und Menschenbilder. Neue Darmstädter Verlagsanstalt, Darmstadt 1968.
  15. Wovor die Angst sich ängstigt. In: Die Zeit. 32/1963 (zeit.de).
  16. Zeitungsartikel, siehe Quellen, Tagungsbände der Darmstädter Gespräche, Ausstellungskataloge.
  17. Stadtlexikon Darmstadt, siehe Lexika
  18. Satzung über die Ehrungen der Stadt Darmstadt (PDF; 235 kB) und darmstadt.de (Übersicht über Ehrungen der Stadt Darmstadt)
  19. Theaterbau: Pour le mérite. In: Der Spiegel. 49/1960.
  20. Zeitungsartikel und Familienarchiv, siehe Quellen und Zitat aus Die Freunde des Landesmuseums, siehe vorherige Anmerkung
  21. Bibliografie bis 1968 in: Beiträge. Für Hans Gerhard Evers anlässlich der Emeritierung im Jahre 1968. Darmstädter Schriften 22, hrsg. J.A. Schmoll gen. Eisenwerth, Justus von Liebig Verlag, Darmstadt, 1968, S. 101–106. Ergänzungen und spätere Veröffentlichungen: Eigene Recherche und Familienarchiv Evers
  22. Staat aus dem Stein. Download als PDF
  23. Tod, Macht und Raum als Bereiche der Architektur. Download als PDF
  24. Rubens-Biografie und Forschungen. Info zur Entstehung und Downloadlink
  25. Vom Historismus zum Funktionalismus. Download als PDF
  26. Dürer bei Memling. Inhaltsverzeichnis als PDF
  27. Schriften. Download als PDF
  28. Infolge der beginnenden Alzheimer-Erkrankung konnte Evers dieses letzte Buch nicht mehr selbst abschließen. Unter der Herausgeberschaft von J.A. Schmoll gen. Eisenwerth wurde die Drucklegung von Klaus Eggert besorgt. Informationen zum Buch unter https://archiv.evers.frydrych.org/ludwig.html
Personendaten
NAME Evers, Hans Gerhard
ALTERNATIVNAMEN Evers, Hans-Gerhard; Evers, H.G.; Evers, Hans G.
KURZBESCHREIBUNG deutscher Kunsthistoriker und Hochschullehrer
GEBURTSDATUM 19. März 1900
GEBURTSORT Lübeck
STERBEDATUM 8. April 1993
STERBEORT Hofgeismar



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