art.wikisort.org - Künstler

Search / Calendar

Hermann Finsterlin (* 18. August 1887 in München; † 16. September 1973 in Stuttgart) war ein deutscher Maler und Dichter des Expressionismus, Essayist, Architekturtheoretiker und Spielzeugmacher. In der einschlägigen Kunstliteratur über die Architektur des Expressionismus wird er als „utopischer Architekt“ etikettiert.[1]


Leben


Hermann Wilhelm Ludwig Finsterlin wurde am 18. August 1887 in München geboren und wuchs dort als einziger Sohn einer großbürgerlichen Familie auf. Sein Vater, Robert Finsterlin, war Chemiker und Besitzer einer Fabrik. Seine Mutter war Bertha Edle von Berueff, sein Urgroßvater war Hofmaler und Freund Ludwigs I. Von 1905 bis 1908 ließ er sich zum Kunstmaler ausbilden, nachweislich bei Walter Thor und Hermann Groeber. Finsterlin hatte Kontakte zu den Lehr- und Versuchswerkstätten Wilhelm von Debschitz, gründete mit Freunden ein freies Atelier in Schwabing und schloss Bekanntschaften mit Anton Schöner und Walter Ernst Haeckel. Von 1908 bis 1914 wohnte er, unterbrochen von Reisen an die Nordsee und nach Italien, abwechselnd in Schönau bei Berchtesgaden und in München.

1914/15 war Finsterlin an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität immatrikuliert und belegte Veranstaltungen bei Adolf von Baeyer und Theodor Paul. 1913 lernte er Helene Kratz kennen, die er 1916 heiratete. Im selben Jahr zog das Ehepaar nach Schönau um. Wahrscheinlich 1917 entwarf er ein eigenes Wohnhaus. Vom 24. November 1919 bis zum 24. Dezember 1920 nahm Hermann Finsterlin an dem von Bruno Taut angeregten Briefwechsel der Gläsernen Kette, an dem vor allem Architekten beteiligt waren, teil. Er ließ u. a. den Essay „Der siebte Tag“, das Szenarium „Die Grotte“ und das Filmskript „Der Trotz des Heils“ kursieren und wurde Mitglied im Arbeitsrat für Kunst. 1920 schrieb er in einem Briefentwurf an den niederländischen Maler Albert Servaes (1883–1966) vom Versuch, „einen meiner Entwürfe real entstehen zu lassen“.

1922 besuchten ihn das Ehepaar Mendelsohn und Bruno Taut in Schönau. Bei einem Aufstieg mit Taut auf den Watzmann konzipierte Finsterlin seine „Alpine Architektur“. 1926 zog die Familie nach Stuttgart, da die Kinder die dortige Waldorfschule besuchen sollten, zunächst in eine Mietwohnung, Ende 1928 in ein eigenes Wohnhaus auf dem Frauenkopf, das von dem anthroposophischen Architekten Felix Kayser gebaut worden ist.[2] Finsterlin blieb weit in die 30er Jahre in Schönau und lebte höchstens halbjährig in Stuttgart.

Spätestens seit den Ausstellungen 1963 zur „Gläsernen Kette“ im Schloss Morsbroich in Leverkusen und 1954 in der Akademie der Künste Berlin stand Hermann Finsterlin wieder in brieflicher Verbindung mit fast allen noch lebenden Mitgliedern der „Gläsernen Kette“, nachdem er mit Wassili Luckhardt 1962, mit Max Taut bereits Mitte der 1950er Jahre und mit Walter Gropius sogar schon Ende der 1940er Jahre Kontakt aufgenommen hatte. 1963 wurde er zu einem Vortrag an der Technischen Hochschule Aachen eingeladen.

Am 18. August 1965 starb seine Ehefrau Helene Finsterlin.

Von 1966 bis 1967 pflegte er einen Briefwechsel mit den Amigos de Gaudí. 1969 setzte wieder ein Briefwechsel mit Hendrik Wijdeveld ein, der schon 1924 ein Heft seiner Zeitschrift „Wendingen“ über Hermann Finsterlin herausgegeben hatte. Ein Brief von Günter Behnisch vom 18. August 1971 teilt Finsterlin mit, dass sich sein Plan, eine seiner Architekturen auf dem Olympia-Gelände in München zu realisieren, nicht verwirklichen werde.

Hermann Finsterlin starb am 16. September 1973 in Stuttgart.


Werk



Bildende Kunst


1914 umfasste das bildnerische Werk vor allem Porträts, Landschafts- und Naturdarstellungen sowie mythologische Themen. Bis 1918 erweiterte sich das Repertoire des Malers nur zögernd. Neben die Porträts traten Phantasieporträts. Er wandte sich mythologischen und märchenhaften Themen zu, gelangte zu einer freieren Landschaftsauffassung und begann zahlreiche Miniaturen zu zeichnen. Seine intensive Nietzsche-Lektüre äußerte sich in einem „Zarathustra“-Aquarell. Er neigte zu verspielt-grotesker Titelei. 1918 malte er nach einer nächtlichen Watzmannbesteigung das Bild „Sonnenaufgang über dem Watzmann“ und schrieb die Gedichtbände „Den Schöpfern des Schöpfers in Liebe“ bzw. „Der Weltseele Sang“ und das Szenarium „Die Grotte“. 1921 entwarf er das „Stilspiel“. Dieses Architekturspiel und ein „Baukasten für Zukunfts-Stil“, das später sogenannten „Formdomino“, wurden in die Gebrauchsmusterrolle des Reichspatentamts in Berlin eingetragen. 1923 schloss Finsterlin einen Vertrag mit den Rheinischen Werkstätten zur Herstellung des „Stilspiels“.

1930 malte er das Porträt des Direktors des Landesgewerbemuseums Stuttgart, Gustav Pazaurek. 1931 und 1932 schuf er die Dekoration für die Stuttgarter Künstlerfeste „Spuk“, „Eröffnung der ersten Internationalen Kunstausstellung“ und 1937 und 1938 für die Berchtesgadener Künstlerfeste. Er malte in der Villa Medusa, dem Ernst-Haeckel-Haus in Jena, nach einer Jugendphotographie Haeckels ein Fresko. Ab 1935 erhielt er Aufträge für diverse Wandmalereien, wie die Orchestermuschel in Bad Mergentheim und Wandfüllungen der Wandelhalle (1935), Wandmalerei im Speisesaal des Hotels Castellet auf Mallorca. 1957 malte Finsterlin im Foyer des Kurhauses in Schömberg Wand- und Deckengemälde. Die Gemälde wurden 1979/1980 mit einer Tapete überklebt und erst 1999 wieder freigelegt und restauriert.


Architekturvisionen


1918 oder Anfang 1919 regte ihn sein „Architekturtraum“ zu neuartigen Hausentwürfen an. 1919 wurde er von Walter Gropius im Namen des Arbeitsrats für Kunst aufgefordert, an einer Ausstellung junger Architekten teilzunehmen. Er schickte die wenigen vorliegenden „Traumhäuser“, eine telegrafische Rückfrage nach mehr Arbeiten führte zu einem wahren Schaffensrausch. Seine Architekturvisionen hatten wenig gemein mit konventionellen Bauten zum Nutzen und Gebrauch durch Menschen, sondern ähnelten eher Fabeltieren, Tiefseeschnecken, Muschelbänken, Pilzkolonien oder anderen exotisch anmutenden organischen Formen aus der Natur. Seine Entwürfe waren zwar seinerzeit auf Ausstellungen erfolgreich, wurden bestaunt, aber keiner seiner Entwürfe wurde ausgeführt.

Finsterlin hielt 1962 in Berlin im Rahmen seiner Ausstellung „Architekturvisionen, Formmetaphern, Modelle, Ölbilder, Stilbaukästen, Zeichnungen“ in der Galerie Diogenes, den Vortrag „Casa novissima“. Neben Wassili Luckhardt und Oswald M. Ungers wurde auch Sergius Ruegenberg zu einem Vortrag in die Galerie eingeladen. Daraufhin kam es 1963 zu einem Briefwechsel mit Sergius Ruegenberg.


Literarisches Werk


Das literarische Werk umfasst drei handgeschriebene und vier maschinengeschriebene Gedichtbände sowie ein zum Einbinden bestimmtes Konvolut von Gedichten. Erste Gedichte entstanden 1904, 1907 der erste handgeschriebene Gedichtband „Meine ersten Versuche“. Seine Lyrik ist stark vom Werk des Dadaisten Hans Arp geprägt, insbesondere von der intensiven Lektüre von Arps Gedichtband „Die Wolkenpumpe“ (1920).[3] Noch vor 1950 begann Friedrich Carl Lamprecht mit dem Versuch, zunächst Finsterlins umfassendes Gedichtwerk zu ordnen. Es kam zu keiner Veröffentlichung. Eine Ordnung des Gesamtwerkes wurde nicht abgeschlossen.


Zitate


„Im Stil ist das Spiel das Ziel. Im Spiel ist das Ziel der Stil. Am Ziel ist das Spiel der Stil.“[4]

In seinem Buch Das Gebaute, das Ungebaute und das Unbaubare schreibt Robert Harbison kritisch über das Werk Finstlerlins:


Ausstellungen (Auswahl)



Ausstellungen postum



Schriften



Literatur


Schriften über Hermann Finsterlin posthum erschienen



Anmerkungen, Einzelnachweise


  1. Hermann Finsterlin. In: archINFORM; abgerufen am 15. Dezember 2016. (Literaturquellen)
  2. Thomas Faltin: Ein Hexenhaus auf dem Frauenkopf Stuttgarter Zeitung, 2. Juli 2015, abgerufen am 15. Dezember 2016
  3. Reinhard Doehl: Hermann Finsterlin abgerufen am 15. Dezember 2016
  4. Vor August 1930 hielt er einen Vortrag am Bauhaus in Dessau. In seinem Roman Gläserne Zeit – Ein Bauhaus-Roman schreibt ihm Andreas Hillger dieses Wortspiel zu.

Personendaten
NAME Finsterlin, Hermann
KURZBESCHREIBUNG deutscher Architekt, Maler, Dichter, Essayist, Spielzeugmacher und Komponist
GEBURTSDATUM 18. August 1887
GEBURTSORT München
STERBEDATUM 16. September 1973
STERBEORT Stuttgart

На других языках


- [de] Hermann Finsterlin

[en] Hermann Finsterlin

Hermann Finsterlin (18 August 1887 – 16 September 1973) was a German visionary architect, painter, poet, essayist, toymaker and composer. He played an influential role in the German expressionist architecture movement of the early 20th century but due to the harsh economic climate realised none of his projects. By 1922, Finsterlin had withdrawn from the circle of expressionist architects as they moved towards the New Objectivity movement, he moved to Stuttgart to concentrate on painting and writing.



Текст в блоке "Читать" взят с сайта "Википедия" и доступен по лицензии Creative Commons Attribution-ShareAlike; в отдельных случаях могут действовать дополнительные условия.

Другой контент может иметь иную лицензию. Перед использованием материалов сайта WikiSort.org внимательно изучите правила лицензирования конкретных элементов наполнения сайта.

2019-2025
WikiSort.org - проект по пересортировке и дополнению контента Википедии