Robert „Bob“ Wilson (* 4. Oktober 1941 in Waco, Texas) ist ein US-amerikanischer Regisseur, Theaterautor, Maler, Lichtdesigner, Bühnenbildner, Videokünstler und Architekt.
Leben
Wilson studierte von 1959 bis 1962 Betriebswirtschaft an der University of Texas. 1963 zog er nach Brooklyn, studierte Architektur am Pratt Institute und nahm Unterricht bei Sibyl Moholy-Nagy, der Witwe des Fotografen und Lichtkünstlers László Moholy-Nagy, und er studierte Malerei bei George McNeil und arbeitete mit den Choreographen George Balanchine und Merce Cunningham zusammen. Seine Architekturstudien setzte er bei Paolo Soleri in Arizona fort.[1]
Wilson, der mit Hilfe der Tänzerin Byrd Hoffman 1958 erfolgreich sein Stottern überwinden konnte, war schon während des Studiums die Arbeit mit behinderten Kindern sehr wichtig. Dies gipfelte 1968 in der Gründung der Byrd Hoffman School of Byrds in New York City und der Adoption eines gehörlosen Jungen.
Ab 1966 machte Wilson in New York mit seinen Theaterperformances auf sich aufmerksam. Neben seinen Theaterarbeiten ist Wilson als Maler, Zeichner und Designer tätig.
1972 wurde beim Schiras-Kunstfestival im Iran Wilsons einwöchiges Stück Ka mountain and guardenia terrace aufgeführt. 1976 erfolgte in Avignon die Uraufführung seiner Oper Einstein on the Beach mit Musik von Philip Glass und Lucinda Childs als leitende Choreografin und Tanzsolistin. Im selben Jahr hatte er in der Paula Cooper Gallery in New York seine erste Einzelausstellung. Ab Mitte der 1980er arbeitete er in mehreren Projekten mit Heiner Müller zusammen, den er 1977 auf dessen zweiter Amerikareise kennengelernt hatte. Beide beeinflussten die Arbeit des jeweils anderen nachhaltig. Robert Wilson ist Kuratoriumsmitglied der Internationalen Heiner Müller Gesellschaft.
Im Dezember 2005 erhielt er den Auftrag, für das Mozartjahr 2006 eine Dauerausstellung im Salzburger Geburtshaus Wolfgang Amadeus Mozarts zu schaffen. In ihr kombiniert er Originalausstellungsstücke mit eigenen Arbeiten.
Robert Wilson wurde von Andrzej Wirth als Gastprofessor an das Institut für Angewandte Theaterwissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen geholt.[2]
2016 inszenierte er L’incoronazione di Poppea an der Mailänder Scala. Er ist auch für das Bühnenbild und das Lichtdesign verantwortlich.
Im gleichen Jahr schuf er gemeinsam mit Arvo Pärt eine szenische Inszenierung mehrerer Werke von Pärt, die unter dem Titel Adam’s Passion eine gefeierte Uraufführung in Tallinn erlebte.
Ebenfalls 2016 wurde Wilsons zweites Hörspiel Tower of Babel veröffentlicht unter Mitwirkung u.a. von Edith Clever, CocoRosie, Daniel Libeskind, Jonathan Meese, Christopher Nell, Fiona Shaw und Daniel Hope.[3]
Bedeutung
Robert Wilson gilt als einer der bedeutendsten Repräsentanten des internationalen Gegenwartstheaters. Aufgrund seiner Vielseitigkeit als Regisseur, Bühnenbildner, Architekt und Designer hat er Theater und Performance-Kunst grundlegend erneuert. Dabei führte ihn seine Arbeit auch nach Deutschland, was dem Theaterleben neue Impulse gab. Mit der Aufführung von The Black Rider, einer Musicalversion von Webers Freischütz, erzielte Wilson einen Welterfolg. Er bearbeitet bis heute Werke von Büchner, Brecht, Wagner oder Strauss und bringt sie nicht nur in Deutschland, sondern international auf die Bühne.[4]
Preise und Ehrungen
1993: Goldener Löwe der Biennale Venedig für die Installation Memory/Loss zusammen mit Hans Peter Kuhn
1996: Mitglied der Akademie der Künste Berlin
1997: Europäischer Theaterpreis
2000: Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Letters[5]
2016: Deutscher Hörspielpreis der ARD für Tower of Babel[10]
Inszenierungen
1970: Deafman Glance am University Theatre in Iowa City
1973: The Life and Times of Joseph Stalin in Kopenhagen, New York und São Paulo
1976: Einstein on the Beach von Philip Glass, Uraufführung, Festival von Avignon, mit Aufführungen in Europa und in der Metropolitan Opera, New York City
1978: I Was Sitting on My Patio This Guy Appeared I Thought I Was Hallucinating Theater des Westens, Berlin
1979: Death Destruction & Detroit von Robert Wilson, Musik Alan Lloyd, Klangenvironment Hans Peter Kuhn, Schaubühne am Halleschen Ufer, Berlin
1981: The Man in the Raincoat. Klangenvironment Hans Peter Kuhn, Köln
1981–1984: The CIVIL warS. Theaterprojekt mit Produktionen aus 5 Nationen, geplant für die „Cultural Olympics“ Los Angeles 1984 (unvollendet)
1986: Die Hamletmaschine von Heiner Müller, aufgeführt in New York und Hamburg
1986: Alcestis. in Kooperation mit Laurie Anderson, Musik Hans Peter Kuhn aufgeführt im American Repertory Theatre, Cambridge, Mass.
1987: Erinnerung an eine Revolution, Environment von Robert Wilson, Galerie der Stadt Stuttgart, Katalog hrsg. von Johann-Karl Schmidt
1987: Parzival von Tankred Dorst am Thalia Theater, Hamburg
1987: Death Destruction & Detroit II von Robert Wilson, Musik Hans Peter Kuhn, Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin
1988: The Forest von David Byrne, Klangenvironment Hans Peter Kuhn, Uraufführung, Freie Volksbühne, Berlin
1989: Schwanengesang von Anton Tschechow, Münchner Kammerspiele
1990: The Black Rider, Uraufführung, Thalia Theater, Hamburg, Libretto: William S. Burroughs, Musik: Tom Waits
1990: King Lear von William Shakespeare, Klangenvironment Hans Peter Kuhn, Schauspiel Frankfurt
2002: Doctor Caligari nach dem Film Das Kabinett des Dr. Caligari (Carl Mayer, Hans Janowitz and Robert Wiene). Musik von Michael Galasso, Deutsches Theater, Berlin, Premiere am 26. März 2002.
2002: Die Frau ohne Schatten von Richard Strauss, Pariser Oper
2003: Die Versuchung des Heiligen Antonius nach einem Text von Gustave Flaubert, Musik und Libretto: Bernice Johnson Reagon, RuhrTriennale
2003: Leonce und Lena von Georg Büchner am Berliner Ensemble, Musik: Herbert Grönemeyer
2004: Les Fables nach Jean de la Fontaine an der Comédie-Française, Paris
2004: I La Galigo. Bühnenumsetzung des Bugis-Epos La Galigo
2005: Ein Wintermärchen von William Shakespeare am Berliner Ensemble, Berlin
2006: Quartett von Heiner Müller mit Isabelle Huppert in der weiblichen Hauptrolle, La Comédie de Genève, Paris. In Koproduktion mit dem Odéon-Théâtre de l’Europe
2006: L’incoronazione di Poppea für die Mailänder Scala
2006: Fidelio für die Oper in Valencia
2007: Rumi in the blink of the eye von Robert Wilson und Kudsi Erguner, Athen
2007: Dreigroschenoper von Bertolt Brecht, Berliner Ensemble, Berlin
2009: Shakespeares Sonette von William Shakespeare, Berliner Ensemble, Berlin, Musik: Rufus Wainwright
2011: Lulu von Frank Wedekind am Berliner Ensemble, Berlin, Musik: Lou Reed
2011: The Life and Death of Marina Abramović, mit Marina Abramović, Manchester International Festival, Manchester
2013: Peter Pan oder das Märchen vom Jungen, der nicht groß werden wollte von James Matthew Barrie/Erich Kästner, Berliner Ensemble, Berlin, Musik: CocoRosie[11]
2013: Das Mädchen mit den Schwefelhölzern von Helmut Lachenmann, Jahrhunderthalle Bochum
2013: Monsters of Grace II, Hörspiel, SWR/ZKM/HfG Karlsruhe
2015: Faust I und II von Johann Wolfgang von Goethe, Berliner Ensemble, Musik: Herbert Grönemeyer
2016: Tower of Babel, Hörspiel, HR/BBC/NDR/RBB/SWR
2017: Der Sandmann von E. T. A. Hoffmann im Düsseldorfer Schauspielhaus
2019: Mary Said What She Said, Isabelle Huppert tanzt Maria Stuart, Text: Darryl Pinckney, Musik: Ludovico Einaudi, Regie, Bühne, Licht: Robert Wilson, Premiere: 22. Mai 2019 im Espace Cardin des Pariser Théâtre de la Ville
2018–2019: Tower of Babel II, Hörspiel, HR/BBC/Radio France/NDR/RBB/SWR
2022: Dorian nach Motiven von Oscar Wilde, Düsseldorfer Schauspielhaus
Johann-Karl Schmidt: still life is real life. In: Robert Wilson: Erinnerung an eine Revolution. Galerie der Stadt Stuttgart 1987.
José Enrique Macián, Sue Jane Stocker, Jörn Weisbrodt (Hrsg.): The Watermill Center – A Laboratory for Performance: Robert Wilson’s Legacy. englisch. Daco, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-87135-054-2.
Mihail Moldoveanu: Komposition, Licht und Farbe in Robert Wilsons neuem Theater: Mit dem Körper Denken. Daco, Stuttgart 2001, ISBN 3-87135-047-8.
Ralph J. Poole: Performing Bodies. Überschreitungen der Geschlechtergrenzen im Theater der Avantgarde. Lang, Frankfurt am Main 1996, ISBN 978-3-631-48906-2.
Franco Quadri, Franco Bertoni, and Robert Stearns: Robert Wilson. Daco, Stuttgart 1997, ISBN 3-87135-033-8.
Jo Röttger: Wilson's World – mit einem Vorwort von Andrzej T. Wirth. deutsch/englisch. Peperoni, Berlin 2009, ISBN 978-3-941825-03-1.
Robert Wilson, Jan Linders (Hrsg.): Nahaufnahme: Robert Wilson: Lecture. Alexander, Berlin 2006, ISBN 3-89581-165-3. (Einführendes Werk in die Theatersprache Wilsons begleitet von persönlichen Skizzen und begleitenden Bildern)
Film
Absolute Wilson. 2006 Dokumentarfilm über die Arbeit und das Leben von Robert Wilson von Katharina Otto-Bernstein (zum Film erscheint ebenfalls ein Buch mit dem gleichen Titel – der Film wurde auf der Berlinale 2006 gezeigt) – auch als DVD erschienen
Honrary Members.American Academy Arts and Letters,abgerufen am 13.Januar 2019.
Preisverleihung an Robert Wilson: Eva Kühne-Hörmann (Mementodes Originals vom 16. Februar 2015 im Internet Archive)Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.hein-heckroth-ges.de auf der Website der Hein-Heckroth-Gesellschaft, abgerufen am 13. April 2015.
The Guardian, 8. Mai 2013, abgerufen am 22. Juni 2018
Irene Netta, Ursula Keltz:75 Jahre Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München. Hrsg.: Helmut Friedel. Eigenverlag der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München 2004, ISBN 3-88645-157-7, S.215.
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