Tatjana Doll (* 1970 in Burgsteinfurt) ist eine zeitgenössische deutsche Malerin.
Tatjana Doll, 20 PICT Theodor, 2010
Leben
Als Meisterschülerin von Dieter Krieg schloss sie 1998 ihr Studium an der Kunstakademie Düsseldorf ab. Von 2005 bis 2006 hielt sie eine Gastprofessur für Malerei an der Kunsthochschule Weißensee, Berlin, inne. Nach Arbeitsaufenthalten in New York, Istanbul, Johannesburg sowie an der Accademia Tedesca Villa Massimo in Rom, lebt und arbeitet Tatjana Doll heute in Berlin. 2009 wurde sie an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe für das Fachgebiet Malerei berufen.
Werk
Als Motive in Tatjana Dolls Bildern dienen vor allem alltägliche Gegenstände, „die unser Leben strukturieren und beeinflussen, ohne dass wir ihre Wirkung bewusst wahrnehmen“. Pappbecher, Koffer, Elektronikgeräte, Transportfahrzeuge oder Autos werden oft in überlebensgroß, in einer realistischen Manier dargestellt. Die Objekte stehen im Zentrum des Bildes und werden mit den Mitteln der Malerei präzise analysiert. Diese Konzentration auf dem einzelnen Ding erlaubt, eine gewisse Distanz von dem automatisierten Blick zu nehmen, die Gegenstände neu zu betrachten und in ihren sozial-politischen Kontexten zu erforschen. „Dolls Malerei setzt an der gesellschaftlichen Wirklichkeit ebenso an, wie bei der Frage nach den Bildern und Zeichen für Prozesse dieser Wirklichkeit und deren subjektiver Aneignung“[1].
Malweise und Material
Tatjana Doll, Ferrari F430, 2005
In ihren Bildern untersucht Tatjana Doll Möglichkeiten und Grenzen der Malerei sowie ihr Potential, „gesellschaftliche Prozesse und deren Wahrnehmung offen zu legen“. Die überwiegend realistische Malweise gewinnt durch die überdimensionale Größe der Werke an besonderer Bedeutung. Oft behandelt die Künstlerin ein Motiv in Serien von Bildern und bringt somit den Zufall als wichtiges gestalterisches Element ins Spiel.
Tatjana Doll bringt in ihrer Kunst den Kontrast zwischen Perfektion und Störung, Ganzheit und Bruch zum Ausdruck. Das Material spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Künstlerin arbeitet mit Lackfarben, deren glänzende Oberfläche oft Risse, Farbpfützen und Wellen bekommt.
Piktogramme
Das charakteristische Zusammenspiel der Darstellungsweise und des Inhalts kommt in den Piktogrammen-Bildern zum Vorschein. Die Eindeutigkeit des standardisierten Zeichens wird durch die malerische Geste in die Subjektivität der künstlerischen Aussage verwandelt. Durch das Unvorhersehbare und das Unregelmäßige in der Darstellung gewinnen die anonymen schematischen Zeichen individuelle, lebendige Züge. Auf diese Weise wird ebenso ihr fester Rahmen gebrochen und ihre befehlende oder restriktive Funktion aufgelöst. Stattdessen wirken nun die Piktogramme narrativ: sie erzählen Geschichten, die häufig eine sozial-politische Konnotation besitzen und durch eine kritische Haltung geprägt sind. In den Bildern, die Texte mit visuellen Motiven verbinden, lässt Tatjana Doll die beiden semantischen Systeme aufeinander wirken und zu einer gemeinsamen visuellen Botschaft verschmelzen.
Übermalung
Tatjana Doll, AD Fe Real, 2010
In der Serie „RIP“ nimmt Tatjana Doll die Werke der früheren Kunstgeschichte auseinander. Die daraus entstehenden Bilder sind weniger Repliken oder Reproduktionen als vielmehr eigenständige Studien der ausgewählten Motive und der Malerei selbst. Ihre Praxis kann in diesem Fall als „Übermalung“ bezeichnet werden (s. dazu Ulrich Loock). Den bereits bestehenden Motiven werden neue Erscheinungsformen und Bedeutungen verliehen. Der Prozess der Übermalung besteht darin, „dass Dolls Malerei die ursprüngliche vertreibt und sie in derjenigen, die sie nur nachträglich sich selbst verschreibt, wieder lebendig macht“.
Wenn Tatjana Doll in der Serie „AD“ die Cowboy-Bilder von Richard Prince übermalt, lässt sie den Lack aus den Konturen von Figuren „herausfließen“ oder „übergießt“ die erkennbaren Gestalten ausgiebig mit verschiedenen Farben. Diese Bilder geben den Einblick in die Subjektivität der künstlerischen Praxis, in Bedeutung von Symbolen sowie in die Funktionsweise der eigenen Wahrnehmung. Damit befragt Tatjana Doll erneut die Malerei und „ihre ästhetischen, gestalterischen Grundlagen, darüber hinaus aber auch die Beziehungen zwischen Bild, Bildmotiv und seiner Wirklichkeit im gesellschaftlichen Kontext“.
Einzelpublikationen
2020 Madonna 1000, Text: Marcus Steinweg, Ulrich Loock, Peter Wawerzinek u.a., Verbrecher Verlag, Berlin
2019 Siehe F, Free Speech Zones. Un*geordnete Notizen, Text: Tatjana Doll, Marcus Steinweg, Verbrecher Verlag, Berlin
2010 Toxic Chemicals, Text: Klaus Gerrit Friese, Reinhard Spieler, Sabine Mainberger, Ullrich Loock, Herausgeber: Reinhard Spieler and Kehrer Verlag Heidelberg
2010 Tel Lie Vision, Text: Gianni Romano, Herausgeber: corsoveneziaotto, Milan
2009 Tatjana Doll – Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Text: Michael Hübl, Herausgeber: Der Kunsthandel Verlag GmbH, Kunsthandel Verlag
2008 Drive In, Text: Rudolf Lauscher, Harald Kunde, Ulrich Loock, Interview zwischen Eberhard Havekost und Tatjana Doll, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln
2007 Tatjana Doll, Tim Trantenroth, Verlag für Moderne Kunst Nürnberg
2006 100 Bilder aus der Sammlung Schleich, Text: Peter Kämmerer, Herausgeber: Galerie Gebr. Lehmann, Verlag für Moderne Kunst Nürnberg
2005 DOLL, Herausgeber: Kunstverein Bremerhaven, Bremerhaven; Verbrecher Verlag, Berlin
Preise und Stipendien
2019 Rompreisträgerin Deutschen Akademie Rom Villa Massimo[2]
2018 Konrad-von-Soest-Preis des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe
2016 Hannah-Höch-Förderpreis
2003 Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für Bildende Kunst
2003 Senatsstipendium der Stadt Berlin für PS1/ MoMA New York
2001 Projektstipendium des Landes NRW
2000–2001 Arbeitsstipendium der Stiftung Kunstfonds Bonn
1998–2000 Graduiertenstipendium der Kunstakademie Düsseldorf
1998 DAAD Stipendium (New York)
1995–1998 Studienstiftung des deutschen Volkes
1995 Reisestipendium der Kunstakademie Düsseldorf
Einzelausstellungen (Auswahl)
2018 Nicht vorbeigehen, (Konrad-von-Soest-Preis) LWL Museum für Kunst und Kultur, Münster
2018 Operating Manual, Zwischenwelt, Berlin (mit Kalin Lindena)
2017 III BIII, Kunsthalle Bremerhaven
2017 Monolithes, Galerie Jean Brolly, Paris
2016 Hannah-Höch-Förderpreis-2016, "Neuer Weltatlas", Berlinische Galerie [Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Berlin]
2015 The Pharaoh Is Coming, Galerie Gebr. Lehmann, Berlin
2014 DOLL vs. HAVEKOST, Neue Galerie Gladbeck (mit Eberhard Havekost)
2013 Recession II, Cristina Guerra, Lissabon
2013 Raster Image Processing – Balthus, Beckmann, Delacroix, Kirchner & Douanier Rousseau, Galerie Jean Brolly, Paris
2013 SILENT RUNNING (Get off Facebook), Nanzuka Underground Gallery, Tokio
2012 Enigma, The Essential Collection, Zürich
2011 Deutsche Dinge (mit Eberhard Havekost und Anton Stankowski), White Block Gallery, Seoul, Korea
2011 Hang 'Em High, Galerie Gebr. Lehmann, Berlin
2011 Girls (Used to) Wait, Galerie Klaus Gerrit Friese, Stuttgart
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