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Die so genannte Architektonische Perspektive (auch: Architektonische Vedute) ist ein Gemälde mit der Ansicht eines Platzes, das wahrscheinlich im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts in Mittelitalien entstanden ist und vermutlich Teil einer Raum- oder Möbeldekoration war. Der Maler ist unbekannt; von der kunstwissenschaftlichen Forschung wird das Bild unter anderem Francesco di Giorgio Martini und Pietro di Francesco Orioli zugeschrieben. Das in Tempera auf Pappelholz[1] ausgeführte Tafelbild ist streng zentralperspektivisch aufgebaut. Es ist Teil der Dauerausstellung der Gemäldegalerie Berlin (Inventarnummer 1615).[2] Zwei Gemälde mit ähnlichen Platzansichten befinden sich in der Galleria Nazionale delle Marche in Urbino[3] und im Walters Art Museum in Baltimore;[4] ein weiteres aus dem Besitz des Berliner Kunstgewerbemuseums ist seit Ende des II. Weltkriegs verloren.[5]

Architektonische Perspektive
Unbekannter Künstler, letztes Viertel des 15. Jahrhunderts
Tempera auf Pappelholz
131× 233cm
Gemäldegalerie, Berlin
Vorlage:Infobox Gemälde/Wartung/Museum

Beschreibung



Bildbeschreibung


Das Bild zeigt einen Blick durch eine die gesamte Bildbreite einnehmende Portikus auf einen dahinter liegenden weiten, bis zum Meeresufer reichenden Platz, der links und rechts von Gebäuden gesäumt ist. Die Portikus wird an den Seiten von Wänden mit rundbogigen Öffnungen und kannelierten Pilastern begrenzt, die gemeinsam mit den gleichfalls kannelierten Säulen einen geraden Architrav tragen. Pilaster und Säulen besitzen ungewöhnliche Blattkapitelle. Die drei Joche korrespondieren mit der Gliederung der gemalten Holzvertäfelung unterhalb der Platzdarstellung. Der Boden der Loggia ist mit einem an eine Marmorinkrustation erinnernden Muster mit drei mal vier Quadraten und einem diagonal schwarz und porphyrrot abwechselnden Rautenmuster verziert. Die Unterseite der Decke zeigt eine Kassettierung mit hängenden roten und grünen Pyramiden. Der Platz ist menschenleer; auf der linken Bildseite sind die übermalten Reste einiger Personen zu erkennen, deren Größenmaßstab nicht recht zur sie umgebenden Architektur passt.[6]

Ansicht der rechten Seite des Gemäldes
Ansicht der rechten Seite des Gemäldes

Der erste Palast auf der linken Bildseite ähnelt in seiner Fassadengestaltung dem Florentiner Palazzo Rucellai. An ihn schließen zwei weitere Wohngebäude an; darüber ist ein Stück einer Basilika zu erkennen. Am Ufer links befindet sich ein Gebäude, das an die Engelsburg in Rom erinnert. Auf der rechten Seite des Platzes sind vier Wohngebäude dargestellt. Das Erdgeschoss des ersten Palastes ist als Portikus mit Arkaden zum Platz hin geöffnet; rechts schließt sich eine hohe gezinnte Gartenmauer an, die von Bäumen überragt wird. Das zweite Gebäude auf der rechten Platzseite besitzt einen Zinnenkranz. Am Ufer links erhebt sich ein dreigeschossiger Palazzo mit einem heute nicht mehr identifizierbaren Wappen. Auf dem Meer sind sechs Schiffe, zum Teil mit gesetzten Segeln, erkennbar.


Bildaufbau


Das Gemälde ist zentralperspektivisch aufgebaut; der Blick durch den Portikus und die Pflasterung unterstützen die sogartige Wirkung der Komposition. Der Fluchtpunkt befindet sich auf der Horizontlinie in der Mitte des Bildes, leicht rechts von einem der hinteren Schiffe. Bei den Bildern in Baltimore und Urbino liegt der Fluchtpunkt in der zentralen Öffnung des Triumphbogens bzw. in der Tür des Zentralbaus im Zentrum des Platzes.[7]


Material und Technik


Der Bildträger besteht aus verleimten Pappelholzbrettern. Der Künstler hat, wie Streiflichtaufnahmen zeigen, mit Hilfe von Lineal und Zirkel Konstruktionslinien in die Grundierung geritzt. Danach wurde die Temperafarbe aufgebracht;[6] zum Schluss wurde das Bild wie üblich gefirnisst.


Zustand


Die Farbschicht ist schadhaft und rissig. Unten rechts und oben links befinden sich außerdem tiefe Risse im Holz. Wegen seines problematischen Zustands konnte das Gemälde 2012 nicht für die Ausstellung La città ideale. L’utopia del Rinascimento a Urbino tra Piero della Francesca e Raffaello in Urbino ausgeliehen werden.[8]


Autorschaft


Welcher Künstler das Gemälde schuf, ist unklar. Die in der kunstwissenschaftlichen Forschung diskutierte Zuschreibung an Francesco di Giorgio Martini beruhte auf der Beschreibung eines Hafens an einem großen Platz in einem seiner Architekturtraktate.[9][10] Als gesichert gilt, dass es ein Maler war, der sowohl die Architekturmalerei wie auch die Zentralperspektive beherrschte – Ende des 15. Jahrhunderts durchaus verbreitete Kenntnisse. Wegen der Ähnlichkeit zur Stadtansicht in Urbino wurden auch andere Künstler am Hof von Federico da Montefeltro wie etwa Piero della Francesca oder Luciano Laurana in die Überlegungen einbezogen.[11] In der Gemäldegalerie wird das Bild den sienesischen Künstlern Francesco di Giorgio Martini und Pietro di Francesco Orioli zugeschrieben.


Stadtbilder aus Baltimore und Urbino


Città ideale – Galleria Nazionale delle Marche, Urbino (um 1480)  67,7 × 239,4 cm
Città ideale – Galleria Nazionale delle Marche, Urbino (um 1480) 67,7 × 239,4 cm
The Ideal City – Walters Art Museum, Baltimore (um 1480) 80,3 × 220 cm
The Ideal City – Walters Art Museum, Baltimore (um 1480) 80,3 × 220 cm

Es existieren aus dieser Zeit mehrere Bilder, die Parallelen zum Berliner Bild aufweisen.[12] Zwei, in diesem Zusammenhang immer wieder genannte Tafeln befinden sich in Baltimore (Walters Art Museum)[4] und Urbino (Galleria Nazionale delle Marche).[3] Sie wurden ebenfalls Künstlern des Hofes in Urbino zugeschrieben; unterscheiden sich aber deutlich sowohl vom Berliner Bild als auch untereinander. Der Kunsthistoriker Richard Krautheimer verband die Tafeln aus Baltimore und Urbino in einem frühen Aufsatz (1948) mit Bühnenbildern (scena tragica und scena comica);[13] diese Überlegung wurde von Krautheimer selbst später verworfen.[14] Für eine Verbindung der drei architektonischen Veduten – beispielsweise eine gemeinsame Beauftragung oder einen gemeinsamen Anbringungsort – gibt es keine Belege.

Die drei Gemälde sind nicht die einzigen Bilder aus dieser Zeit mit einer solchen zentralperspektivischen Darstellung eines Stadtprospekts; so gibt es einige intarsierte bzw. bemalte Cassoni (Brauttruhen), die mit ähnlichen Motiven versehen sind.[15][16] Eine früher im Berliner Kunstgewerbemuseum aufbewahrte Cassone-Tafel mit der Piazza Ognissanti in Florenz ist seit 1945 verloren.[5]

Anonymous, Piazza Ognissani in Florenz, 15. Jahrhundert, bis 1945 Kunstgewerbemuseum, Berlin, verschollen
Anonymous, Piazza Ognissani in Florenz, 15. Jahrhundert, bis 1945 Kunstgewerbemuseum, Berlin, verschollen

Provenienz


Das Bild stammt angeblich aus einer Villa bei Florenz; Nachweise hierfür existieren nicht. 1896 wurde es durch den Kaiser Friedrich-Museums-Verein in Florenz erworben und befindet sich seitdem als Dauerleihgabe in der Gemäldegalerie.[11]


Ursprüngliche Funktion


Die Funktion des Gemäldes ist unbekannt. Möglicherweise war es als so genannte Spalliera Teil eines Möbels – vielleicht eines sofaartigen Tagbettes (ital. lettuccio) – oder einer Wandverkleidung.[2][6]


Siehe auch



Literatur




Commons: Architektonische Perspektive (Gemäldegalerie) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Zu den Gemälden in Berlin, Urbino und Baltimore:


Einzelnachweise


  1. Catalogo. In: Marchi (Hrsg.): La città ideale : l’utopia del Rinascimento a Urbino tra Piero della Francesca e Raffaello. Ausstellungskatalog, Urbino, Galleria Nazionale delle Marche, 6 aprile–8 luglio 2012. 2012, S. 124.
  2. Hannelore Nützmann: Architektonische Perspektive. In: SMB Digital. Archiviert vom Original am 24. Juni 2020;.
  3. Città Ideale. In: gallerianazionalemarche.it. Abgerufen am 23. Juni 2020 (italienisch).
  4. The Ideal City. In: art.thewalters.org. Abgerufen am 23. Juni 2020 (englisch).
  5. Prospekt eines fiktiven, an die Piazza Ognissanti in Florenz erinnernden Platzes mit dem Palazzo Lenzi, Spalliera-Tafel, 36 × 147 cm, früher Berlin, Kunstgewerbemuseum Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Inv. Nr. 1885,884; Heinz Lehmann: Une vue de Place Ognissanti à Florence. In: Gazette des Beaux-Arts. Band 6, Nr. 1, 1936, S. 244–247 (bnf.fr [abgerufen am 25. Juli 2022]).
  6. Christine Seidel: Inszenierung in der Gemäldegalerie: Neue Wege zwischen alten Italienern. In: blog.smb.museum. 28. April 2016, abgerufen am 2. Juli 2020.
  7. Véronique Mérieux: Le panneau dit de Berlin (1477)Appareillage pour l’imaginaire. In: Italies. Littérature – Civilisation – Société. Nr. 17/18, 1. Oktober 2014, ISSN 1275-7519, S. 411–428, doi:10.4000/italies.4835 (openedition.org [abgerufen am 24. Juni 2020]).
  8. La Città Ideale – The Ideal City. In: vallenuova.it. Abgerufen am 2. Juli 2020 (englisch).
  9. Francesco di Giorgio Martini: Trattato di architettura civile e militare. Cesare Saluzzo, 1841, abgerufen am 7. Juli 2020 (italienisch).
  10. Francesco di Giorgio Martini: Trattati di architettura ingegneria e arte militare. Hrsg.: Corrado Maltese. Band 2. Mailand 1967.
  11. Architektonische Vedute. In: kaiser-friedrich-museumsverein.de. Abgerufen am 23. Juni 2020.
  12. Luca Onniboni: The “Ideal City” in three Renaissance paintings. In: archiobjects.org. Abgerufen am 23. Juni 2020 (englisch).
  13. Richard Krautheimer: The tragic and comic scene of the Renaissance  : the Baltimore and Urbino Panels. In: Gazette des beaux-arts. 6. Pér., Nr. 33, 1948, S. 327–346.
  14. Richard Krautheimer: "Scena tragica und Scena comica in der Renaissance. Die Tafeln in Baltimore und Urbino". In: Richard Krautheimer (Hrsg.): Krautheimer, Richard: "Scena tragica und Scena comica in der Renaissance. Die Tafeln in Baltimore und Urbino – Ausgewählte Aufsätze zur europäischen Kunstgeschichte. Köln 1988, S. 334–353.
  15. Maria Angela Tolazzi: L’Arte Svelata. Band 3, 2015, S. 217 (italienisch).
  16. Cassone con prospettiva di citta' ideale. Abgerufen am 9. Juli 2020 (italienisch).

На других языках


- [de] Architektonische Perspektive

[en] The Ideal City (painting)

The Ideal City (Italian: Città ideale) is the title given to three strikingly similar Italian Renaissance paintings of unresolved attribution. Being kept at three different places they are most commonly referred to by their location: The Ideal city of Urbino, Baltimore, and Berlin. Hubert Damisch, who has written at length about the paintings, refers to them as the "Urbino perspectives" or "panels".[1] The three paintings are dated to the late 15th century and most probably they have different authors but various attributions have been advanced for each without any consensus. There is also a discussion about the purpose of the paintings as they are all in an unusual elongated format (approx. 2.0 x 0.7m). In 2012 the Baltimore and Urbino panels were shown at a joint exhibition, with the Berlin painting being represented by a copy, as the original is too fragile to be shipped abroad.[citation needed]

[it] Città ideale (dipinto)

La città ideale è un tema della pittura sviluppato attorno al XV secolo come rappresentazione del concetto teorico rinascimentale della città ideale. Sopravvivono tre opere di autori ignoti, identificati per la città in cui sono esposti.

[ru] Идеальный город (картина)

«Идеальный город» (итал. Città ideale) — картина неизвестного автора, датируемая в диапазоне от 1470 года до первых десятилетий XVI века.



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