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Boris Groys (russisch: Борис Ефимович Гройс; Betonung: Borís Jefímowitsch Grois; * 19. März 1947 in Ost-Berlin) ist ein russisch-deutscher Philosoph, Kunstkritiker und Medientheoretiker.

Boris Groys in der Villa Waldberta (1996)
Boris Groys in der Villa Waldberta (1996)

Leben


Boris Groys wurde 1947 in Ost-Berlin als Sohn eines Ingenieurs geboren. Sein jüdischer Vater Jefim Groys stammte aus Kiew, seine russische Mutter aus Kasachstan.[1] Groys wuchs in Leningrad auf, wo er von 1965 bis 1971 an der Universität Leningrad Philosophie und Mathematik studierte. Danach war er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an mehreren Instituten in Leningrad sowie von 1976 bis 1981 am Institut für strukturale und angewandte Linguistik in Moskau tätig. 1981 verließ Groys die UdSSR und zog in die Bundesrepublik Deutschland, wo er bis 1985 verschiedene Stipendien erhielt. Ab 1986 arbeitete er für zwei Jahre als freier Autor in Köln, bis er 1988 eine Gastprofessur an der University of Pennsylvania in Philadelphia (USA) erhielt. Von 1989 bis 1994 lehrte Groys als wissenschaftlicher Mitarbeiter des philosophischen Seminars an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster.[2] 1991 wurde er für ein Jahr Gastprofessor an der University of Southern California in Los Angeles (USA). 1992 wurde Groys in Münster in Philosophie promoviert. Ab 1994 war er Professor für Kunstwissenschaft, Philosophie und Medientheorie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe (HfG), und seit 2005 unterrichtet er als Global Distinguished Professor an der Faculty of Arts and Science der New York University, New York. Groys ist Senior Research Fellow des HfG Forschungsinstituts, Mitglied der Association Internationale des Critiques d’Art und Mitglied der 2016 gegründeten Bewegung Demokratie in Europa 2025 (DiEM25).[3] Von Groys gesammelte Materialien sowjetischer inoffizieller Künstler und Samizdat-Literatur werden im Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen aufbewahrt.


Gesamtkunstwerk Stalin


Groys beschäftigt sich mit der russischen Avantgarde, der Kunst des Stalinismus sowie den ästhetisch-intellektuellen Konzepten des Postkommunismus. Mit seinem zuerst in deutscher Übersetzung erschienenen Werk Gesamtkunstwerk Stalin (1988) erregte Groys Aufsehen. Er vertritt darin unter anderem die provokante und historisch umstrittene These, zwischen russischer Avantgarde und stalinistischem Terror bestünde kein Bruch, sondern eine Kontinuität. Stalins Politik habe die Ästhetik der Avantgarde in radikaler Weise fortgeführt.


Moskauer Konzeptualismus


Als Theoretiker der zeitgenössischen russischen Kultur prägte Groys verschiedene Bezeichnungen für künstlerische Strömungen. Er verhalf der Bezeichnung Soz Art für die Antwort von Künstlern im Sozialismus auf Pop Art zu breiterer Verwendung. 1979 prägte er den Terminus „Moskauer romantischer Konzeptualismus“ für die zeitgenössische Underground-Konzeptkunst, aus dem die Bezeichnung Moskauer Konzeptualismus hervorging. Außerdem prägte er den Terminus „Kollektive Aktionen“ („Kollektivnye dejstvija“) für eine seit den späten 1970er Jahren aktive Aktionskunst-Gruppe um Andrei Monastyrski.


Kunst und Archiv


In weiteren Arbeiten betrachtet Groys die Wirkung von Kunstwerken und Theorien vor dem Hintergrund einer Werthierarchie. Diese gliedere die Welt in ein kulturelles Archiv und einen profanen Raum. Das Archiv sei das materialisierte Gedächtnis einer Gesellschaft, in dem die als wertvoll erachteten Kulturgüter aufbewahrt werden. Groys nennt als Beispiele Bibliotheken, Museen und Filmotheken.[4]

„Den Bereich, der aus all den Dingen besteht, die von den Archiven nicht erfaßt sind, kann man als den profanen Raum bezeichnen.“

Groys, Über das Neue., S. 56

Steht ein neues Kunstwerk oder eine neuartige Theorie im Verdacht, kulturell wertvoll zu sein, findet nach Groys ein Vergleich zwischen Archiv und profanem Raum statt, wobei das Neue entweder dem Profanen oder dem Archiv zugeordnet wird. Eine Innovation sei demnach die Überwindung der Wertgrenze zwischen diesen beiden Bereichen im Zuge einer „Umwertung der Werte“, wobei sich Groys auf Friedrich Nietzsche bezieht.[5] Kunstwerke und Theorien bezögen ihre Wirkung also aus der Spannung zwischen Wertebenen. Auch technische Innovationen lassen sich mit Groys nach dieser Logik bestimmen.[6]


Philosophie einer Zukunft im Jetzt


Erst auf Englisch erschienen, dann auf Deutsch, widmet sich Groys dem Themenkomplex Sorge und Selbstsorge, aus philosophischer Perspektive (Philosophie der Sorge, München, 2022). Diskurshistorisch geht er über die Phänomenologie der Begrifflichkeiten Sorge, Selbstsorge, Fürsorge, Pflege, und medizinische Vorsorge in eine Darstellung, um auf die Bedeutung zu deuten, das Ich in seiner Selbstbestimmung nicht an ein (Gesundheits-)System abtreten zu lassen. Er greift Nietzsche auf mit dem Gesunden, Aggressiven, Zukünftigen, Namenlosen (Hegel s Ende der Geschichte), des Mutigen Auftretens der Individuen in der tätlich zu gestaltenden Zukunft.[7] Eine Philosophie einer/der Zukunft.


Schriften



Essays



Kuratierte Ausstellungen


Groys war Kurator des russischen Pavillons der 54. Biennale di Venezia 2011, in dem der Aktionskünstler Andrei Wiktorowitsch Monastyrski und dessen Gruppe Kollektive Aktion ausgestellt wurden.


CDs



Künstlerische Arbeiten



Literatur




Essays

Interviews

Zur Person

Audio und Video


Anmerkungen


  1. Ukraine-Krieg – „In Russland gibt es überhaupt keine revolutionäre Initiative“. Abgerufen am 10. Mai 2022.
  2. Lebenslauf von Boris Groys auf der Website der Freien Akademie der Künste, Hamburg.
  3. Website der Bewegung
  4. Boris Groys: Über das Neue. Versuch einer Kulturökonomie. 3. Auflage. Frankfurt am Main 2004, S. 31.
  5. Boris Groys: Über das Neue. Versuch einer Kulturökonomie. 3. Auflage. Frankfurt am Main 2004, S. 74.
  6. Boris Groys: Technik im Archiv – Die dämonische Logik technischer Innovation. In: W. Rammert (Hrsg.): Innovation : Prozesse, Produkte, Politik. (= Technik und Gesellschaft. Jahrbuch 9). Campus, Frankfurt am Main/New York 1997, ISBN 3-593-35741-0, S. 15–33.
  7. Boris Groys: Philosophie der Sorge 1. Auflage. München, 2022, S. 33, 44ff.
  8. Georg Imdahl: Boris Groys: „Nur Gott sieht all diese Bilder“. 2. September 2009, abgerufen am 20. Juni 2021 (deutsch).
Personendaten
NAME Groys, Boris
ALTERNATIVNAMEN Grois, Boris Efimowitsch
KURZBESCHREIBUNG deutscher Philosoph, Kunstkritiker und Medientheoretiker
GEBURTSDATUM 19. März 1947
GEBURTSORT Berlin

На других языках


- [de] Boris Groys

[en] Boris Groys

Boris Efimovich Groys (born 19 March 1947) is an art critic, media theorist, and philosopher. He is currently a Global Distinguished Professor of Russian and Slavic Studies at New York University and Senior Research Fellow at the Karlsruhe University of Arts and Design in Karlsruhe, Germany. He has been a professor of Aesthetics, Art History, and Media Theory at the Karlsruhe University of Arts and Design/Center for Art and Media in Karlsruhe and an internationally acclaimed Professor at a number of universities in the United States and Europe, including the University of Pennsylvania, the University of Southern California and the Courtauld Institute of Art London.

[ru] Гройс, Борис Ефимович

Борис Ефимович Гройс (род. 19 марта 1947, Восточный Берлин) — советский и немецкий искусствовед, философ, писатель и публицист, славист. Профессор философии, теории искусства, медиа-ведения в Государственной высшей школе дизайна в Карлсруэ[de], профессор славистики в Нью-Йоркском университете.



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