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Elfriede Lohse-Wächtler (* 4. Dezember 1899 in Löbtau als Anna Frieda Wächtler; † 31. Juli 1940 in Pirna) war eine deutsche Malerin der Avantgarde. Sie wurde im Rahmen der nationalsozialistischen Euthanasie-Aktion T4 in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein ermordet. In der dortigen Gedenkstätte wird seit 2000 in einer ständigen Ausstellung zur Dokumentation der Verbrechen an ihr Leben und Werk erinnert.

Porträtaufnahme vor dem Kachelofen (um 1928)
Porträtaufnahme vor dem Kachelofen (um 1928)
Elfriede Lohse-Wächtler: Selbstportrait (um 1930); Öl auf Karton 43,0 × 45,0 cm
Elfriede Lohse-Wächtler: Selbstportrait (um 1930); Öl auf Karton 43,0 × 45,0 cm

Leben


Elfriede Lohse-Wächtler wuchs in einem gutbürgerlichen Elternhaus als Tochter des in Dresden gebürtigen kaufmännischen Angestellten Gustav Adolf Wächtler und seiner aus Böhmen stammenden Frau Maria Zdenka (Sidonie) Ostadal auf. Die Eltern hatten sich im Mai 1898 verlobt und heirateten wegen konfessioneller Hindernisse erst am 17. Juli 1899, als die katholische Maria Zdenka bereits mit ihrer Tochter schwanger war.

Anna Frieda Wächtler, die sich selbst später den Namen Elfriede gab, wurde evangelisch getauft und hatte einen zwölf Jahre jüngeren Bruder Hubert Wächtler (1911–1988). Sie verließ ihr Elternhaus mit 16 Jahren und besuchte von 1915 bis 1918 die Königliche Kunstgewerbeschule Dresden (zunächst Fachklasse Mode, ab 1916 dann Fachklasse Angewandte Graphik). Von 1916 bis 1919 belegte sie zudem Mal- und Zeichenkurse an der Dresdner Kunstakademie[1]. Sie fand Anschluss an die Dresdner Sezession Gruppe 1919 und Aufnahme in den Freundeskreis um Otto Dix, Otto Griebel und Conrad Felixmüller. Im Atelier des letzteren nahe dem Dresdner Stadtzentrum mietete sie sich ein und erwarb sich mit Batiken, Postkarten- und Illustrationsarbeiten ihren Lebensunterhalt.

Gedenktafel am Steinbruchpfad Wehlen-Zeichen
Gedenktafel am Steinbruchpfad Wehlen-Zeichen
Selbstporträt um 1921
Selbstporträt um 1921

In der Zeit von April 1921 bis September 1922 lebte sie mit ihrem späteren Mann im Werkleiterhaus des schreckenbachschen Steinbruch in Wehlen und verbrachte dort ihre glücklichste Zeit. Besucher waren unter anderen die Künstler Robert Sterl, Pol Cassel, Otto Dix, Otto Griebel und weitere. Der Initiator des Steinbruchpfades, Herr Andreas Bartsch, sorgte im Jahr 1992 nicht nur für den Erhalt der Dokumentation der Arbeit der Steinbrecher, sondern er sorgte auch für die Aufstellung der Informations- und Gedenktafeln.[2]

Im Juni 1921 heiratete sie den Maler und Opernsänger Kurt Lohse, dem sie 1922 nach Görlitz und 1925 nach Hamburg folgte. Die Ehe war schwierig und das Paar trennte sich in den folgenden Jahren mehrmals. 1926 trat Elfriede Lohse-Wächtler dem Bund Hamburgischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen bei. 1928 beteiligte sie sich an einigen Ausstellungen der Neuen Sachlichkeit. Zudem trat sie in jenem Jahr der Hamburgischen Künstlerschaft bei.

Elfriede Lohse-Wächtler: Schmerzhaft Ruhende (1929)
Elfriede Lohse-Wächtler: Schmerzhaft Ruhende (1929)
Elfriede Lohse-Wächtler: Selbstporträt in fantastischer Gesellschaft (um 1930)
Elfriede Lohse-Wächtler: Selbstporträt in fantastischer Gesellschaft (um 1930)
Elfriede Lohse-Wächtler: Loschwitzer Brücke (1931)
Elfriede Lohse-Wächtler: Loschwitzer Brücke (1931)

1929 erlitt sie einen Nervenzusammenbruch infolge von materiellen und partnerschaftlichen Schwierigkeiten und wurde in die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg eingewiesen. Während des etwa zweimonatigen Aufenthalts entstanden die Friedrichsberger Köpfe, eine Werkgruppe von etwa 60 Zeichnungen und Pastellen, hauptsächlich Porträts von Mitpatienten. Nach ihrer Genesung und endgültigen Trennung von Kurt Lohse erlebte sie eine kreative Phase, sie schuf zahlreiche Bilder des Hamburger Hafens, des Arbeiter- und Prostituiertenmilieus, ebenso ihre als schonungslos bezeichneten Selbstbildnisse. Trotz einiger Ausstellungsbeteiligungen, Verkäufe und kleinerer Stipendien lebte sie in bitterer Armut.

Mitte des Jahres 1931 kehrte sie wegen materieller Probleme und zunehmender Vereinsamung in das Elternhaus nach Dresden zurück. Nach Verschlechterung ihres seelischen Zustandes ließ ihr Vater sie 1932 in die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Arnsdorf einweisen. Es wurde Schizophrenie diagnostiziert. Von 1932 bis 1935 war sie weiterhin kreativ tätig, sie zeichnete Porträts und arbeitete kunstgewerblich. Nach der Scheidung von Kurt Lohse im Mai 1935 folgte die Entmündigung wegen „unheilbarer Geisteskrankheit“.

Nachdem sie ihre Einwilligung zur Sterilisation verweigert hatte, wurde ihr der bisherige freie Ausgang aus der Pflegeanstalt verwehrt. Im Dezember 1935 unterzog man sie im Rahmen der nationalsozialistischen Eugenik in der Frauenklinik des Stadtkrankenhauses Dresden-Friedrichstadt der Zwangssterilisation. Mit diesem Eingriff wurde ihre Schaffenskraft endgültig gebrochen.

1940 wurde sie in die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein deportiert und dort im Rahmen der nationalsozialistischen Euthanasie-Aktion T4 ermordet. Die offizielle Todesursache war „Lungenentzündung mit Herzmuskelschwäche“. Insgesamt vergasten die Nationalsozialisten in den Jahren 1940/1941 13.720 vorwiegend psychisch kranke und geistig behinderte Menschen in der „Heil- und Pflegeanstalt“, die zur Tötungsanstalt wurde.


Werke


Elfriede Lohse-Wächtler: Blick über den Hafen (um 1929); Aquarell 51,0 × 72,8 cm
Elfriede Lohse-Wächtler: Blick über den Hafen (um 1929); Aquarell 51,0 × 72,8 cm
Elfriede Lohse-Wächtler: Die Blumenalte (1930); Aquarell und Bleistift 57,5 × 46,0 cm
Elfriede Lohse-Wächtler: Die Blumenalte (1930); Aquarell und Bleistift 57,5 × 46,0 cm

Elfriede Lohse-Wächtlers kreativste Schaffenszeit fällt in die Zeit des Hamburger Aufenthalts. Von 1927 bis 1931 entstanden einige ihrer Hauptwerke. Große Beachtung fanden und finden auch die Vielzahl von Kopf- und Körperstudien psychisch Kranker, die sie während ihrer Aufenthalte in der Staatskrankenanstalt Hamburg-Friedrichsberg 1929 und in der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Arnsdorf zwischen 1932 und 1935 schuf.

1937 wurde in der Nazi-Aktion „Entartete Kunst“ nachweislich aus dem Stadtmuseum Altona und dem Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg neun Werke Elfriede Lohse-Wächtlers beschlagnahmt. Sechs wurden vernichtet.[3] Ebenso wurde ein großer Teil ihrer Arnsdorfer Bilder zerstört.


1937 als „entartet“ beschlagnahmte Werke



Nachwirkung


Im Jahr 1989 erfolgt die öffentliche Anerkennung ihrer Werke im Rahmen einer Präsentation in Reinbek bei Hamburg. Im Jahr 1994 wurde der Förderkreis Elfriede Lohse-Wächtler e. V. gegründet. Mit der Herausgabe der Monographie Im Malstrom des Lebens versunken … – Elfriede Lohse-Wächtler. 1899–1940. Leben und Werk von Georg Reinhardt 1996 und Ausstellungen unter anderem in Dresden, Hamburg-Altona und Aschaffenburg begann eine breitere Rezeption des künstlerischen Werks und Schicksals der lange vergessenen Malerin.

1997 produzierte Heide Blum[5][6] im IMS Medionbüro Sachsen mit der Filmdramaturgin Valerie Ry Andersen, nach deren zweijähriger Recherche, den Dokumentarfilm:  es wird schon alles wieder gut … Porträt der Malerin Elfriede Lohse-Wächtler (1899–1940), Förderfilm – Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. Valerie Ry Andersen konzipierte davon einen Kurzbeitrag im Kulturmagazin artour des MDR, organisierte Film-Vortragsreihen[7][8] über die Künstlerin sowie zum Thema T4-Aktion und schrieb das Schauspiel Laus – oder das Ermessen der Gegenseitigkeit (1998–2000). Der Film und die Aktionen um den Film machten erst Autoren, Redakteure und Kunsthistoriker auf die Künstlerin aufmerksam und bewirkte auch deren Ehrung.

Im Jahr 1999 wurde zum Gedenken an Elfriede Lohse-Wächtler im Sächsischen Krankenhaus in Arnsdorf eine Stele errichtet und ein Stationshaus nach ihr benannt. In Pirna-Sonnenstein wurde der Malerin 2005 eine Straße gewidmet, seit 2008 trägt auch in Arnsdorf eine Straße ihren Namen.

Elfriede Lohse-Wächtler gewidmeter Rosengarten in Hamburg
Elfriede Lohse-Wächtler gewidmeter Rosengarten in Hamburg
Stolperstein für Elfriede Lohse-Wächtler
Stolperstein für Elfriede Lohse-Wächtler
Relief vom Dresdner Bildhauer Ulrich Eißner
Relief vom Dresdner Bildhauer Ulrich Eißner

Auf dem Gelände des ehemaligen Krankenhauses Friedrichsberg (heute Schön Klinik Hamburg Eilbek in Hamburg-Barmbek-Süd) legte man 2004 einen Rosengarten mit Gedenktafel für sie an. In dem hier entstandenen Neubaugebiet Parkquartier Friedrichsberg wurde eine weitere Straße nach ihr benannt. Im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg wird ihrer mit einem Stein in der Erinnerungsspirale erinnert. In Hamburg und Dresden sind ebenfalls Straßen nach ihr benannt.[9]

Seit 2012 erinnert in Dresden vor dem Wohnhaus Voglerstraße 15 ein Stolperstein an Lohse-Wächtler.

Der Landesfrauenrat Sachsen ehrt die 1899 in Dresden geborene Malerin anläßlich ihres 120. Geburtstages mit einem Gedenkort im Foyer des HfBK-Gebäudes Güntzstraße 34 in Dresden. Dort hatte sie an der ehemaligen Königlichen Kunstgewerbeschule studiert. Der Dresdner Bildhauer und Hochschul-Professor Ulrich Eißner schuf dafür nach historischen Fotografien ein Porträtrelief der bedeutenden Künstlerin. Die Ausformung als Aluminiumguss erfolgte in der Metallgusswerkstatt der Hochschule für Bildende Künste durch den Werkstattleiter Toralf Mieth.


Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen



Einzelausstellungen



Ausstellungsbeteiligungen



Siehe auch



Literatur



Monographien



Beiträge



Film- und Radio-Features




Commons: Elfriede Lohse-Wächtler – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Archiv der Hochschule für Bildende Künste Dresden
  2. Steinbruchpfad
  3. Datenbank zum Beschlagnahmeinventar der Aktion „Entartete Kunst“, Forschungsstelle „Entartete Kunst“, FU Berlin
  4. Stale Session. Abgerufen am 22. Februar 2022.
  5. Videofilm über Elfriede Lohse-Wächtler auf heideblum.de, abgerufen am 11. Februar 2016.
  6. Elfriede Lohse-Wächtler
  7. Film-Vortragsreihen auf stsg.de, abgerufen am 11. Februar 2016.
  8. …es wird schon alles wieder gut. (Memento vom 11. Februar 2016 im Internet Archive) (PDF) auf societaetstheater.de.
  9. Elfriede Lohse-Wächtler-Weg in Hamburg auf clac.at, abgerufen am 11. Februar 2016.
  10. Deutschlandfunk-Beitrag zur Ausstellung vom 21. März 2009: Tragik einer Künstlerin auf dradio.de.
  11. Verlagswebsite zum Buch
  12. (PDF-Leseprobe, 398 kB).
Personendaten
NAME Lohse-Wächtler, Elfriede
ALTERNATIVNAMEN Wächtler, Anna Frieda; Lohse, Anna Frieda
KURZBESCHREIBUNG deutsche Malerin der Avantgarde
GEBURTSDATUM 4. Dezember 1899
GEBURTSORT Löbtau
STERBEDATUM 31. Juli 1940
STERBEORT Pirna

На других языках


- [de] Elfriede Lohse-Wächtler

[en] Elfriede Lohse-Wächtler

Elfriede Lohse-Wächtler (born Anna Frieda Wächtler; 4 December 1899 – 31 July 1940) was a German painter of the avant-garde whose works were banned as "degenerate art", and in some cases destroyed, in Nazi Germany. She became mentally ill and was murdered in a former psychiatric institution at Sonnenstein castle in Pirna under Action T4, a forced euthanasia program of Nazi Germany. Since 2000, a memorial center for the T4 program in the house commemorates her life and work in a permanent exhibition.

[es] Elfriede Lohse-Wächtler

Elfriede Lohse-Wächtler (Dresde-Löbtau, 4 de diciembre de 1899 - Pirna, 31 de julio de 1940) fue una pintora vanguardista.[1] Fue asesinada en el sanatorio de Pirna-Sonnenstein dentro del programa nacionalsocialista de eutanasia Aktion T4. Desde el año 2000 el monumento conmemorativo de Pirna-Sonnenstein acoge una exposición permanente en recuerdo de su asesinato, vida y obra.

[fr] Elfriede Lohse-Wächtler

Elfriede Lohse-Wächtler, née le 4 décembre 1899 à Dresde et morte le 31 juillet 1940 à Pirna[1] est une peintre avant-gardiste allemande.

[it] Elfriede Lohse-Wächtler

Elfriede Lohse-Wächtler, nata Anna Frieda Wächtler (Dresda, 4 dicembre 1899 – Pirna, 31 luglio 1940), è stata una pittrice tedesca.



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