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Maurice Matieu (* 11. März 1934 in Paris; † 17. Juni 2017 in Saint-Denis-le-Gast, Manche) war ein französischer Kunstmaler, Buchautor und Herausgeber.


Biographie


Maurice Matieu, noch nicht dreißigjährig, begann seine Karriere als Mathematiker am Collège de France in der Forschergruppe um Francis Perrin und an der Wissenschaftlichen Hochschule von Jussieu. Der Algerien-Krieg brachte ihn jedoch dazu, aus der Universitätskarriere auszusteigen. Ohne auf die mathematische Disziplin ganz zu verzichten, widmete er sich ab 1959 der Malerei. 1965 hatte er seine erste Ausstellung in der Galerie Maeght "Fünf Maler und ein Bildhauer", über die der französische Philosoph Alain Badiou einen Artikel in der Revue Derrière le miroir schrieb. Es folgten diverse individuelle und kollektive Ausstellungen sowohl in Frankreich als auch im Ausland[1]. Matieu war Autor und Herausgeber mehrerer Bücher.

Maurice Matieu arbeitete und lebte in der Normandie,[2] wo er am 17. Juni 2017 in Saint-Denis-le-Gast starb.[3]


Malerei und Politik


Maurice Matieu – Die Unmöglichkeit, den Krieg zu malen
Maurice Matieu – Die Unmöglichkeit, den Krieg zu malen

Ab Mai 1968 stellte Maurice Matieu die Herstellungs- und Verbreitungsformen künstlerischer Werke in Frage und nahm im Jahr 1972 zusammen mit den Künstlern des Salon de la jeune peinture und dem Front des artistes plasticiens am Protest gegen die Ausstellung Douze ans d’art contemporain en France (auch Expo-Pompidou genannt) teil.[4].[5] Er trug zur Gründung des Antifaschistischen Kollektivs innerhalb des Salon de la jeune peinture von 1975 bei und arbeitete 1976–1977 mit dessen Mitgliedern aktiv darauf hin, dass das Centre Pompidou schon vor seiner Eröffnung eine autonome Kommission von Künstlern miteinbezieht.[6][7]

Maurice Matieu schloss sich mit Maler- und Bildhauergruppen zusammen, um aktiv in politisches Geschehen einzugreifen; dies bot die Möglichkeit, gemeinsam neue Ausdrucksformen in Parolen und Losungen sowie in Forderungen zu suchen.[6] So entstanden großformatige Spruchbänder für Demonstrationen zur Unterstützung der Arbeiter von Lip (1. Mai 1975), für Vietnam und etwas später zur Unterstützung der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc.[6]

Seine künstlerischen Aktivitäten waren auch Reaktionen auf politische Geschehnisse wie der Staatsstreich in Chile am 11. September 1973 oder der Tod von Pierre Overney am 25. Februar 1972, einem maoistischen Aktivisten. Es entstanden kollektive Werke wie das Plakat Tramoni, flic du patronat von Maurice Matieu und Claude Yvel,[8] oder das Gemälde von Matieu L’enterrement d’Overney,[9] das als Eigentum des damals sozialistisch orientierten Gewerkschaftsbundes CFDT im gewerkschaftlichen Ausbildungszentrum der Domaine von Bierville ausgestellt ist.

1999 nahm Maurice Matieu an einer Gruppen-Reise in den Irak teil, die im Rahmen der französisch-irakischen Freundschaft zur Unterstützung des irakischen Volkes nach dem Golf-Krieg durchgeführt wurde. Im Mai 2000 reiste er auf eigene Initiative in den Irak zur Organisation der Ausstellung Artistes contemporains irakiens im Institut du Monde Arabe (Paris, 4. Juli bis September 2000),[10] deren Kurator er war. Diese Reise konfrontierte ihn von Neuem mit dem zutiefst politischen Thema Krieg, das sich durch sein Werk zieht, vor allem in den Bildern über den Krieg in Vietnam oder über das Massaker von Sabra und Schatila. Maurice Matieu widmete 1966 und 1967 eine Serie der Unmöglichkeit den Krieg zu malen (Impossibilité de peindre la guerre).[11]

Anlässlich der zweihundertjährigen Feier der Französischen Revolution, erarbeiteten Gilles Aillaud und Maurice Matieu 1989 ein Projekt zur Gründung der Republik im Jahr 1793, in dessen Mittelpunkt die politische Persönlichkeit Robespierre stand. Dieses Projekt, das Dramaturgen, Schriftsteller, Maler und Bildhauer, Philosophen und Juristen zusammenführen sollte, kam nicht zur Ausführung.[12] Es gingen jedoch das Theaterstück Le masque de Robespierre[13] von Gilles Aillaud (1996) daraus hervor und im gleichen Jahr die Ausstellung von Maurice Matieu Rêver à Robespierre (vorwiegend inspiriert durch die Entdeckung der Robespierre-Totenmaske von Vivant Denon)[14] und später der Roman Les onze von Pierre Michon (2009).


Malerei und Mathematik


Die mathematischen Disziplinen waren für Maurice Matieu Achse und Grundlage seiner Überlegungen bei der täglichen Arbeit in der Malerei.[1] Sie waren für ihn Bezug und Methode, um das Nicht-Gedachte aufzuspüren, die versteckte Ideologie, vergleichbar mit einer mathematischen Formel, die die Konstruktion einer Fläche ermöglicht.[15] Die mathematischen Disziplinen lieferten ihm auch für seine Überlegungen und seine Werke kontinuierlich genutztes Formenmaterial: aufeinander folgende Formen, Fliesen, die eine lineare Kausalität unterbrechen,[16] Peano-Kurven, die über alle Punkte einer Oberfläche gehen ohne sich zu überschneiden, fünfeckige Parkettierung mit der Erfindung oder Wiederentdeckung von unregelmäßigen Polygonen, Zerlegung der ebener Flächen, ohne eine bevorzugte Richtung zu definieren,[1] Permutationen von Quallen, Vögeln oder Philodendron-Blättern à la Henri Matisse, Projektionen von an Stelle des Modells gesetzten Schatten, ein die Form auf- oder abbauendes Puzzle vom Vier- zum Dreieck, algebraische Gruppen und Strukturen.[17] Ob ideologisch oder flächenfüllend, es ging ihm in jedem Fall um eine der wesentlichen Herausforderungen der Malerei: Dem Nicht-Vorhandensein eines Ordnungsbezugs auf einer ebenen Fläche[18].[1] etwas entgegenzusetzen.

Beispiele für den Gebrauch von operativen Tabellen einer algebraischen Struktur durch Maurice Matieu[15]


Weitere tragende Themen und Motive


Das Politische, die Mathematik und die Malerei bilden ein erstes Dreieck für Maurice Matieu,[1] aber andere Themen durchquerten sein Werk, wie zum Beispiel:

Maurice Matieu – La mirada ou la tendresse du regard (La mirada oder die Zärtlichkeit des Blickes)
Maurice Matieu – La mirada ou la tendresse du regard (La mirada oder die Zärtlichkeit des Blickes)

Veröffentlichungen


Neben seiner Malerei war Maurice Matieu als Herausgeber aktiv und gab anderen Artisten das Wort. Zusammen mit dem Philosophen Jean Boreil rief er 1989 im Collège International de Philosophie (Ciph) Regards sur le regard ins Leben: Treffen zwischen Philosophen und bildenden Künstlern, die anschließend in der vom Ciph herausgegebenen Revue Le cahier du collège international de philosophie (später Rue Descarte) die ständige Rubrik "Ateliers" wurde. Dort erschienen die "Ateliers" von Jean Ipousteguy, Eduardo Arroyo, Gilles Aillaud, Anselm Kiefer, Julio le Parc, Daniel Buren, Guy de Rougemont, Valerio Adami, Takis und Hervé Télémaque.[1].[26].

Daran anschließend erschienen La ronde ou le peintre interrogé, Gespräche mit Philippe Sergeant, von Armelle Auris (L’Harmattan, 1991), und Esthétique de l’écart, Atelier-I, ein von Armelle Auris unter verantwortlicher Leitung von Jean Boreil und Maurice Matieu erstellter Text (L’Harmattan, 1994).

Maurice Matieu war Autor oder Co-Autor mehrerer Bücher, die im Bezug zu seiner bildnerischen Arbeit stehen, vor allem: Au bord du signe (Verdier, 1981), Gedichte von Georges Herment, Zeichnungen von Maurice Matieu; Voir Hélène en toute femme (Les Empêcheurs de penser en rond, 2000) in Zusammenarbeit mit der Philosophin Barbara Cassin; La Banalité du massacre (Actes Sud, 2001) Posthume sur mesure (Editions du regard, 2007) Autobiographie par la forme (Actes Sud, 2009) La Candelaria, Gaza et autres banalités (Actes Sud, 2011) J’appellerai mon fils insurrection. Assis, debout, mit einem Text von Juliette Simont und Photographien von François Boissonnet (Actes Sud, 2014).


Politisches Engagement


Das politische Engagement von Maurice Matieu war ein persönliches Engagement und kein parteilich gebundenes. Es hatte seine Wurzeln in der Ablehnung des Algerien-Krieges. Als Vorsitzender des Streik-Komitees der Universität Jussieu im Mai 1968 hat er versucht jenen Ideen Vorschub zu leisten, die in den vorherigen Kämpfen nicht zum Ausdruck gekommen waren.[1] Als Verantwortlicher der Bauernkommission innerhalb der Groupe pour la Fondation de l’Union des Communistes Français (1970) stellte er Verbindungen zwischen Bauern und Intellektuellen her. Das hat zum Erfolg des Streiks der Lohnabhängigen in der Domäne des Marquis de Rozambo in Solférino geführt und zum Treffen mit dem revolutionären Landarbeiter und Kleinbauern Claudius Descours, dem Mitbegründer des Landarbeiter-Bundes der Nièvre.[27] Er hat beigetragen zur Organisation der Studentenbrigaden, die auf den Bauernhöfen gearbeitet und die Forderungen der Bauern oder ihrer Familien unterstützt hatten.[28]


Ausstellungen



Einzelausstellungen



Kollektivausstellungen



Ausstellungsorganisationen



Bibliographie



Gespräche mit Maurice Matieu (Veröffentlichungen und Radio-Interviews)



Texte über Maurice Matieu



Veröffentlichungen von Maurice Matieu (als Autor, Co-Autor oder für den Text verantwortlich)





Einzelnachweise


  1. Nicole Mathieu: Maurice Matieu: inventer un rapport entre peinture, mathématiques et politique ? In: Natures Sciences Sociétés. Band 16, Nr. 1, 1. Februar 2012, ISSN 1240-1307, S. 52–56 (cairn.info [abgerufen am 17. September 2017]).
  2. Sylvain Allemand, Francine Best, Colloque de Cerisy: Une Normandie sensible: regards croisés de géographes et de plasticiens. Presses universitaires de Caen, Caen 2012, ISBN 978-2-84133-409-4, S. 73–78.
  3. Ouest France. Edition Manche. 20. Juni 2017.
  4. François Derivery: L'exposition 72-72. EC, Paris 2001, ISBN 2-911105-39-7.
  5. INA – Jalons – Intervention d'artistes lors de l'exposition 60-72, douze ans d'art contemporain en France – Ina.fr. Abgerufen am 17. September 2017.
  6. Perrot, Raymond: Le Salon de la Jeune peinture: une histoire, 1950–1983. J.P, Montreuil 1983, ISBN 978-2-904652-00-4, S. 236.
  7. Raymond Perrot: Le Collectif antifasciste: 1974–1977. E.C. éditions, Paris 2001, ISBN 2-911105-40-0.
  8. Perrot, Raymond, 1935-: Le Salon de la Jeune peinture: une histoire, 1950–1983. J.P, Montreuil [France] 1983, ISBN 978-2-904652-00-4, S. 236.
  9. Philippe Sergeant: Maurice Matieu: L'insoumission. Actes Sud, Arles 1996, ISBN 2-7427-0736-0, S. 42.
  10. Institut du Monde Arabe. Abgerufen am 17. September 2017.
  11. Philippe Sergeant: Maurice Matieu: L'insoumission. Actes Sud, Arles 1996, ISBN 2-7427-0736-0, S. 32–34.
  12. Philippe Sergeant: Maurice Matieu: L'insoumission. Actes Sud, Arles 1996, ISBN 2-7427-0736-0, S. 97.
  13. Gilles Aillaud: Le masque de Robespierre: [Strasbourg, Théâtre national de Strasbourg, 9 janvier 1996]. C. Bourgois, Paris 1996, ISBN 2-267-01332-0.
  14. Philippe Sergeant: Maurice Matieu: L'insoumission. Actes Sud, Arles 1996, ISBN 2-7427-0736-0, S. 98.
  15. Maurice Matieu: Autobiographie par la forme. Actes Sud, Arles 2009, ISBN 978-2-7427-8285-7.
  16. Maurice Matieu: Posthume sur mesure. Regard, Paris 2007, ISBN 978-2-84105-209-7, Barbara Cassin Un mathématicien est un peintre est un peintre est un peintre …, S. 27.
  17. Maurice Matieu: Posthume sur mesure. Regard, Paris 2007, ISBN 978-2-84105-209-7, Alain Badiou L’avenir du portrait, S. 53.
  18. Philippe Sergeant: Maurice Matieu: L'insoumission. Actes Sud, Arles 1996, ISBN 2-7427-0736-0, S. 21.
  19. Philippe Sergeant: Maurice Matieu: L'insoumission. Actes Sud, Arles 1996, ISBN 2-7427-0736-0, S. 56.
  20. Maurice Matieu: Posthume sur mesure. Regard, Paris 2007, ISBN 978-2-84105-209-7, Juliette Simont Une sombre protestation pensante,, S. 33.
  21. Maurice Matieu: Posthume sur mesure. Regard, Paris 2007, ISBN 978-2-84105-209-7, Pierre Verstraeten Le mystère Matieu., S. 128.
  22. Jean Borreil: Ces fauteuils, nous dit le titre, seraient ceux d’un banquet. Galerie Pascal Gabert, 1986, abgerufen am 18. September 2017 (französisch).
  23. Philippe Sergeant: Maurice Matieu: L'insoumission. Actes Sud, Arles 1996, ISBN 2-7427-0736-0, S. 46.
  24. Maurice Matieu: Posthume sur mesure. Regard, Paris 2007, ISBN 978-2-84105-209-7, Alain Badiou L’avenir du portrait., S. 52.
  25. Maurice Matieu: Posthume sur mesure. Regard, Paris 2007, ISBN 978-2-84105-209-7, Juliette Simont Une sombre protestation pensante., S. 42–44.
  26. Pierre Delain: Ateliers I – L’atelier de Valerio Adami, in Esthétique de l'Ecart (Jacques Derrida, 1994) [AEE]. Abgerufen am 18. September 2017.
  27. « 84 jours de grève à Solférino ». (PDF) In: Tout !, n°5 – , S. 8. 11. Oktober 1970, abgerufen am 17. September 2017.
  28. Nicole Mathieu: Approcher la petite paysannerie: une question de volonté et de méthode (PDF Download Available). Abgerufen am 18. September 2017 (französisch).
  29. Galerie am Savignyplatz. Abgerufen am 19. September 2017.
  30. Haus der Kulturen der Welt: Zeit der Unruhe. Über die Internationale Kunstausstellung für Palästina 1978. Abgerufen am 18. September 2017 (deutsch).
Personendaten
NAME Matieu, Maurice
KURZBESCHREIBUNG französischer Kunstmaler, Buchautor und Herausgeber
GEBURTSDATUM 11. März 1934
GEBURTSORT Paris
STERBEDATUM 17. Juni 2017
STERBEORT Saint-Denis-le-Gast, Manche

На других языках


- [de] Maurice Matieu

[fr] Maurice Matieu

Maurice Matieu, né Maurice Mathieu (1934 à Paris - 2017 à Saint-Denis-le-Gast), est un artiste peintre, auteur de plusieurs livres et éditeur.

[ru] Матьё, Морис (художник)

Морис Матьё (фр. Maurice Matieu; 11 марта 1934 — 17 июня 2017) — французский художник, автор книг и издатель книг художника.



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