Franz Robert Adolf Lehnert (* 20. Juli 1862 in Leipzig; † 6. Januar 1948 ebenda) war ein Bildhauer und Medailleur in Leipzig.
Leben
Familie
Er kam als zweites von insgesamt zwölf Kindern des Lokomotivführers Adolph Lehnert und dessen aus Borna stammenden Gattin, Lina, geb. Werner[1] (1842–1914), zur Welt. 1889 heiratete der junge Künstler in erster Ehe Else Riedel (1864–1907), eine Tochter aus der sehr angesehenen Familie des Leipziger Musikwissenschaftlers und Chorleiters Professor Carl Riedel. Nach dem frühzeitigen Tod seiner ersten Frau heiratete er 1909 in zweiter Ehe Johanna Wildenhayn (1875–1957), die ihm zwei Kinder, Siegfried (1910–1941) und Waltraut (1916–2007), gebar.
Ausbildung
Nach dem Besuch einer Leipziger Realschule studierte Adolf Lehnert von 1880 bis 1888 an der Königlichen Kunstakademie in Leipzig bei Melchior zur Straßen. Auf der Jahresausstellung der Schülerarbeiten der Akademie wurde ihm 1882 die bronzene Medaille und 1885 die silberne Medaille verliehen. Nach Beendigung der Ausbildung hielt er sich zu Studienzwecken für ein weiteres Jahr in Rom und Paris auf.
Lehrtätigkeit
Von 1896 bis 1924 war er als Lehrer an der Kunstakademie in Leipzig tätig. Zunächst wurde Lehnert als Vertretung für den erkrankten Melchior Zur Straßen an die Akademie berufen. Nach dem plötzlichen Tod seines Lehrers erfolgte die offizielle Ernennung als Leiter der Bildhauerklasse am 1. Dezember 1897. Lehnert erteilte Unterricht im Formen nach Stillleben, im Formen nach lebenden Modellen sowie in den Maßen der menschlichen Gestalt. 1907 wurde ihm der Titel eines Professors der IV. Klasse der Hofrangordnung verliehen. Seine Schüler waren unter anderen Kurt Schmid-Ehmen, Bruno Eyermann, Fritz Zalisz, Fritz Maenicke, Albrecht Leistner, Max Alfred Brumme, Paul Stuckenbruck und Alfred Thiele, der wiederum sein Nachfolger als Leiter der Bildhauer-Abteilung an der Kunstakademie werden sollte.
Kunstschaffen
Adolf Lehnert gehört zu den bedeutendsten Vertretern des Historismus in Leipzig. Er erhielt zahlreiche öffentliche und private Aufträge, die sein vielfältiges Schaffen dokumentieren. So war er beispielsweise in Leipzig mit künstlerischen Arbeiten am Bau des Neuen Rathauses, des Gebäudes der Universitätsbibliothek und der Deutschen Bücherei sowie des Künstlerhauses beteiligt. Vom Leipziger Großbürgertum wurde er bevorzugt mit Aufträgen zur bauplastischen Ausgestaltung von Villen und Grabmalen bedacht. Neben Denkmälern, allegorischen Gestalten, figurenreichen Friesen und Büsten schuf er auch Reliefs und Kleinplastik. Besonders gefragt war sein Können als Porträtist und Medailleur. Er entwickelte den idealistischen Stil seines Lehrers Melchior Zur Straßen zu immer feinerer Individualisierung und wurde damit zum Begründer und zugleich wichtigsten Vertreter der Tradition der Leipziger Porträtkunst.
Für die WMF-Abteilung für Galvanoplastik schuf er einige sehr ansprechende Modelle von Engeln, von denen mehrere als etwa 135 cm hohe Galvanoplastiken bis heute auf deutschen und ehemals deutschen Friedhöfen erhalten sind. Sie wurden im WMF-Musterbuch mit und ohne Flügel als Grabfigur Nr. 745 a von Lehnert geführt.[2] Ein Exemplar findet sich auch im Museum für Sepulkralkultur, Kassel.
Ab 1912 wohnte und arbeitete Lehnert in einer nach seinen Plänen erbauten Villa mit angebautem Atelier in Markkleeberg[3]. In seinen letzten Lebensjahren bewohnte er eine Villa in Stötteritz[4].
Viele seiner aus Kupfer oder Bronze geschaffenen Werke fielen den Bedürfnissen der beiden Weltkriege zum Opfer.
Lebensende
Adolf Lehnert wurde auf dem Leipziger Südfriedhof (Abt. V.) an der Seite seiner ersten Frau Else († 1907) und seines im Zweiten Weltkrieg gefallenen Sohnes beigesetzt. Mit dem Entwurf des Grabmals hatte er nach dem Tod seiner ersten Ehefrau den Architekten Karl Poser beauftragt. Das Grabrelief aus Kalkstein, das eine junge Frau zeigt, die von einem Engel im Paradies tröstend empfangen wird, schuf der Künstler selbst. Anlässlich des 150. Geburtstags von Adolf Lehnert wurde die schwer geschädigte Grabstätte im Auftrag der Paul-Benndorf-Gesellschaft umfassend restauriert und nach historischem Vorbild neu bepflanzt.
Mitgliedschaften
seit 1885 Mitglied im Riedel-Verein, einem Chor zur Pflege geistlicher Vokalmusik aller Zeiten
Mitglied des Leipziger Künstlervereins
Mitglied der Allgemeinen Deutschen Künstlergenossenschaft
Mitglied der Leipziger literarisch-künstlerischen Vereinigung Stalaktiden
Mitglied der Leipziger Künstlervereinigung Leoniden
Werke
Portraitmedaillon Joh. Carl Gustav Herrmann, Marmor, 1895
Denkmal für Louise Otto-Peters im Leipziger Rosental
Gutenbergdenkmal im Deutschen Buchgewerbehaus in Leipzig, 1900
Porträtmedaillon am Grabmal Louis Kuhne, Südfriedhof Leipzig, 1901
Bronzerelief 1 am Grabmal Karl Krause, Neuer Johannisfriedhof Leipzig, 1902
Bronzerelief 2 am Grabmal Karl Krause, Neuer Johannisfriedhof Leipzig, 1902
Relief über dem Haupteingang des Reclam-Verlagsgebäudes in Leipzig, 1905
Marmorrelief am Grabmal der Familie Lehnert, Südfriedhof Leipzig, 1907
Porträtmedaillon am Grabmal Lange-Lorenz, Südfriedhof Leipzig, 1915
Porträtmedaillon am Grabmal Dr. Ludwig Schwabe, Südfriedhof Leipzig, 1916
Marmorrelief am Grabmal Alfred Lodde, Südfriedhof Leipzig, 1917
Marmorfigur am Grabmal Otto Harrassowitz, Südfriedhof Leipzig, 1920
Trauernde mit Siegespalme am Grabmal Naumann, Südfriedhof Leipzig, 1920
Gefallenendenkmal auf dem Friedhof der Ev. Auenkirchgemeinde in Markkleeberg, 1921
Friedrich-List-Büste am Westausgang des Hauptbahnhofs Leipzig, 1927
Grabengel (Galvanoplastik) nach einem Modell von Adolf Lehnert
Marmorbüste Karl Samwer, 1928
Bronzebüste Georg Grimpe, Südfriedhof Leipzig, 1928
Signatur Adolf Lehnert an der Bronzebüste Georg Grimpe
Werke in öffentlichem und privatem Besitz (Auswahl)
1885: Marmorbüste Hedwig Reicher-Kindermann, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
1895: Reliefs an den Säulenpostamenten am Gebäude des Alten Grassimuseums in Leipzig (heute Sitz der Stadtbibliothek Leipzig)
1898: Hirschgruppe in Bronze, im Schlosspark Hummelshain
1899: Schreber-Hauschild-Denkmal in Leipzig
1900: Louise-Otto-Peters-Denkmal in Leipzig
1901: Herzog-Ernst-Brunnen in Stadtroda (1989 ohne Büste als Marktbrunnen neu eingeweiht)[5]
1901: Helmuth von Moltke, Bronze-Standbild auf Serpentin-Plinthe
1902: Herzog Ernst I. von Sachsen-Altenburg, Bronzebüste auf Marmorsockel
1903: Moritz Schreber, Marmorbüste
1903: Auguste Schmidt, Gipsbüste
1904: Carl Riedel, Marmorbüste, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
1904: August Polich, Bronzebüste auf Marmorsockel, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
1905: Reliefs über dem Hauptportal am Gebäude des Reclam-Verlags in Leipzig
1908: Alabaster-Reliefs Stufen des Lebens am Verwaltungsgebäude Bahnhofstraße 3a in Gotha (heute Sitz des Deutschen Versicherungsmuseums, des Sozialgerichtes Thüringen und des Thüringer Finanzgerichts)[6]
1911: Adolf Bleichert, Bronzebüste
1911: Gustav Wustmann, Porträtrelief
1913: weibliche Figuren über dem Hauptportal der Deutschen Bücherei in Leipzig
1917: Lachendes Kind, Bronzeplastik auf Serpentin-Plinthe (vermutlich Darstellung seiner Tochter Waltraut)
1927: Portraitrelief Clara Rosenthal
Carl Ludwig Seffner, Plastik, seit 2002 als Dauerleihgabe der Letter Stiftung im Leipziger Museum für angewandte Kunst
Karl August Friedrich Samwer, Büste, im Besitz der Gothaer Versicherung
Arthur Schopenhauer, Marmorbüste
Büsten, Medaillons und Reliefs für Grabdenkmale (Auswahl)
1895 Porträtmedaillon Johann Carl Gustav Herrmann, ursprünglich Neuer Johannisfriedhof, jetzt: Lapidarium Alter Johannisfriedhof, Leipzig
1901 Porträtmedaillon Louis Kuhne, Südfriedhof in Leipzig
1902 Reliefs und Sarkophagdeckel für das Grabmal Karl Krause, Bronze, ursprünglich: Neuer Johannisfriedhof, jetzt Lapidarium Alter Johannisfriedhof, Leipzig
1903 Grabmal Ernst Mey Friedhof Plagwitz
1907 Marmorrelief Familiengrab Adolf Lehnert, Südfriedhof Leipzig
1909 Grabmal Herrmann Julius Meyer, Südfriedhof Leipzig
1916 Porträtmedaillon Ludwig Schwabe, Südfriedhof Leipzig
1917 Marmorrelief Grabmal Alfred Lodde, Südfriedhof Leipzig
1920 Kinderfigur, Marmor, Grabmal Otto Harrassowitz, Südfriedhof Leipzig
1920 Trauernde mit Siegespalme, Grabmal Naumann, Südfriedhof Leipzig
1921 Denkmal für die Gefallenen der Kirchgemeinde Markkleeberg-Dölitz, Friedhof der Ev. Auenkirchgemeinde, Markkleeberg
1928 Georg Grimpe (1853–1927), Gastwirt des Thüringer Hofs in Leipzig, Bronzebüste, bis 1970 Neuer Johannisfriedhof III. Abteilung, jetzt Urnenfeld des Südfriedhofs[7], Zweitguss am Eingang des Thüringer Hofs, Vater des Zoologen Georg Grimpe
1928 Büste von Karl August Friedrich Samwer im Sitzungssaal der Gothaer Lebensversicherungsbank
Verlorengegangene Werke (Auswahl)
1895 (zusammen mit Josef Mágr): Bismarck-Denkmal in Leipzig, zunächst vor dem Neuen Theater, 1897 im Johannapark, zerstört 1946
1897 künstlerische Ausgestaltung des Gasthauses Thüringer Hof in Leipzig mit Bronzereliefs zur Stadtgeschichte, zerstört 1943
1897 Kriegerdenkmal 1870/71 für die gefallenen Angehörigen des Infanterie-Regiment Prinz Johann Georg (8. Sächsisches) Nr. 107, enthüllt am 18. August 1897, nicht erhalten
1931 Albert und Selinde Lehnert zur Silberhochzeit
1934 Johanna und Adolf Lehnert zur Silberhochzeit; Vorderseite: Brustbilder des Paares nebeneinander nach links schauend, Rückseite: Eigenheim des Künstlers in Markkleeberg
Literatur
Hartmut Coch: Bildhauer Adolf Lehnert Leipzig und die Schule der Medailleure an der Akademie für Graphische Künste und Buchgewerbe. Saalfeld 1993.
Reiner Sörries: Seid getröstet.... In: Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal (Hrsg.): Tätigkeitsbericht 1992. Kassel 1993, S. 3ff.
Alfred E. Otto Paul: Die Kunst im Stillen. Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen. hrsg. von Paul-Benndorf-Gesellschaft zu Leipzig, No. 1., Leipzig 2009.
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