art.wikisort.org - Forscher

Search / Calendar

Werner Spies (* 1. April 1937 in Tübingen) ist ein deutscher Kunsthistoriker, Journalist, Kunstvermittler und Museumsdirektor.


Leben und Wirken


Werner Spies besuchte als Sohn eines Rottenburger Volksschuldirektors die Volksschule in Rottenburg am Neckar; ab dem Jahr 1952 das Albertus-Magnus-Gymnasium in Rottweil. Als Abiturient gab er als Berufswunsch Kulturschriftsteller an.

In den Jahren von 1956 bis 1958 war er Volontär bei der in Rottweil erscheinenden Zeitung Schwarzwälder Volksfreund. Im Jahr 1958 arbeitete er als Redakteur für das Feuilleton der Stuttgarter Zeitung.

Er studierte Kunstgeschichte, Philosophie und Romanistik in Wien, Tübingen und Paris, schloss aber sein Studium zunächst nicht mit einer Promotion ab.

In Paris lernte er als Literaturagent und Lektor zahlreiche französische Autoren wie Samuel Beckett, Nathalie Sarraute, Michel Butor, Alain Robbe-Grillet, Claude Simon, Marguerite Duras, Francis Ponge, Robert Pinget und Monique Wittig kennen. In kürzester Zeit war er in der Pariser Literaturszene akzeptiert. Seit 1960 in Paris wohnhaft, ließ er sich dort im Jahr 1962 nieder und schrieb ab 1964 regelmäßig für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Er beeinflusste „mit seinem prägnanten Argumentationsstil eine ganze Generation von Kunsthistorikern.“[1]

Für den Süddeutschen Rundfunk gab er bei ihm bekannten und befreundeten Schriftstellern eigens für den Hörfunk erstellte Prosatexte in Auftrag, denn die bisherigen Hörfunkbearbeitungen missfielen ihm. In dieser Zusammenarbeit entstand beispielsweise das erste Hörspiel Samuel Becketts für den deutschen Rundfunk. Als Übersetzer übertrug Werner Spies Werke von Alain Robbe-Grillet, Marguerite Duras, Francis Ponge und Jean Tardieu.

Die Begegnungen mit Daniel-Henry Kahnweiler und Pablo Picasso wirkten sich entscheidend auf sein weiteres Leben aus. Mit Max Ernst, den er im Jahr 1966 kennenlernte, verband ihn bis zu dessen Tod im Jahr 1976 eine tiefe Freundschaft. Zu einem Zeitpunkt, zu dem er bereits während des Direktorats von Norbert Kricke an der Kunstakademie Düsseldorf eine Professur erhalten hatte, wurde Spies mit einer Dissertation über die Collagen von Max Ernst durch den Kunsthistoriker und früheren Direktor der Kunstakademie Düsseldorf Eduard Trier an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn promoviert.


Werk


Spies publizierte zahlreiche Monographien zur Kunst des 20. Jahrhunderts, betreute Ausstellungen zum Surrealismus und den Künstlern Max Ernst und Pablo Picasso und ist Kunstkritiker bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Der international renommierte Kunstwissenschaftler hat maßgeblich dazu beigetragen, dass sich die Klassische Moderne in Deutschland durchsetzen konnte. Als Kunstvermittler ist er bestrebt, das Werk bedeutender Künstler der Moderne in Monographien einem großen Publikum anschaulich nahezubringen, darunter das Werk von Ernst und Picasso.


Lehre, Kuratorenamt und Herausgeberschaft

In den Jahren 1975 bis 2002 hatte Werner Spies den Lehrstuhl für Kunst des 20. Jahrhunderts an der Kunstakademie Düsseldorf inne.

Von 1997 bis zum Jahr 2000 war er Direktor des Centre Beaubourg, des heutigen Centre Georges Pompidou in Paris, und war dort verantwortlich für die Neugestaltung des Musée National d’Art Moderne und für die Präsentation der Sammlungen. Seine Ernennung zum Museumsdirektor führte zu einem großen Medienecho, da eine solche Position im französischen Museumswesen eigentlich Karrierediplomaten vorbehalten ist.

Für das Centre Georges Pompidou organisierte er die Ausstellungen Max Ernst, sculptures, maisons, paysages im Jahr 1998, Picasso sculpteur im Jahr 2000 und La Révolution surréaliste im Jahr 2002, die anschließend in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf gezeigt wurde. Werner Spies war Vorsitzender des Stiftungsrates und des Kuratoriums der Stiftung Max Ernst in Brühl und in dieser Eigenschaft mitverantwortlich für das am 4. September 2005 in Brühl eröffnete Max-Ernst-Museum, das sich seit dem 1. Juni 2007 in der Trägerschaft des Landschaftsverbandes Rheinland befindet. Beide Ämter gab er im Juni 2012 auf.[2]

Im Auftrag von Max Ernst und der Menil Foundation in Houston/Texas betreute er gemeinsam mit Sigrid und Günter Metken als Herausgeber den Werkkatalog von Max Ernst. Die Künstler Pablo Picasso und der Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler beauftragten ihn, den Werkkatalog der Skulpturen Picassos zu erstellen. Im Jahr 1968 war Werner Spies Mitglied der Jury der 4. documenta. Als Kommissar der Ausstellung Max Ernst im Grand Palais in Paris war er im Jahr 1975 tätig, im Jahr 1978 kuratierte er seine erste eigene Ausstellung Paris-Berlin 1900–1933 im Centre Beaubourg. Er organisierte zahlreiche Ausstellungen, so über den deutschen Künstler Josef Albers, über Max Ernst und zu den Skulpturen, Aquarellen, Pastellen und Zeichnungen von Picasso. Weitere Picasso-Ausstellungen fanden zu den Themen Die Zeit nach Guernica oder Picasso – die Welt der Kinder statt. Die Retrospektive zu Max Ernst im Metropolitan Museum of Art in New York des Jahres 2005 betreute er ebenfalls. Im Jahr 2006 war Werner Spies für die Ausstellung Picasso – Malen gegen die Zeit – 200 Bilder, Skulpturen, Zeichnungen in der Albertina in Wien zuständig; diese Ausstellung wurde anschließend in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf gezeigt.

Spies publiziert seit vierzig Jahren Aufsätze in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Einige zwischen September 1998 und Oktober 2004 erschienene wurden 2005 leicht überarbeitet unter dem Titel Duchamp starb in seinem Badezimmer an einem Lachanfall – Portraits (Edition Akzente) zusammengefasst.

Spies ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.


Kunstfälscherskandal

2010 bestätigte Spies als hinzugezogener Gutachter durch Expertisen die Echtheit einiger Werke von Max Ernst aus der fingierten „Kunstsammlung Jägers“. Die Arbeiten wurden als authentische Werke des Künstlers versteigert, stellten sich jedoch als Fälschungen heraus.[3] Sieben Bilder, im Max-Ernst-Stil gefälscht, hatte er für echt befunden. An ihrem späteren Verkauf war er auch finanziell beteiligt; allein von der Fälscherfamilie Beltracchi erhielt er Provisionen in Höhe von 400.000 Euro, weitere Provisionen in unbekannter Höhe von dem Kunsthändler Marc Blondeau, unter anderem auch für seine Tätigkeit als Mitglied des Kunstbeirats der Sammlung Reinhold Würth, die zwei gefälschte Werke, eines angeblich von Heinrich Campendonk, das andere von Max Ernst, erworben hat. Ein weiteres gefälschtes Werk von Max Ernst kam in den Handel und wurde verkauft, nachdem es in einer von Werner Spies betreuten Ausstellung im Max Ernst Museum Brühl des LVR gezeigt worden war.[4]

Dass Spies „offensichtlich nicht nur hohe Provisionszahlungen vom Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi erhalten, sondern diese Zahlungen – wie auch Überweisungen von Kunsthändlern und Galeristen – über ein Konto in der Schweiz abgewickelt“ hat, schrieb im Januar 2012 die Süddeutsche Zeitung.[5] Kurz zuvor hatte die Wochenzeitung Die Zeit in einem Beitrag die Rolle des Max-Ernst-Spezialisten Spies in einer „Kamarilla aus Politikern, Händlern und Kunsthistorikern“ fokussiert, „fragwürdige Geschäfte mit dem großen Surrealisten“ und dabei auch die „problematische Vorgeschichte“ und Verwicklung des Max Ernst Museums Brühl des LVR beleuchtet.[6]


Ehrungen


Werner Spies bekam zahlreiche Preise verliehen; so den Johann-Heinrich-Merck-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, die Wilhelm-Hausenstein-Ehrung der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und den Premio internazionale arte et letterature Sergio Polillo, der in Bergamo verliehen wird. Im Jahr 2001 wurde ihm die Goethe-Medaille verliehen, im Jahr 2003 erhielt er den Elsie-Kühn-Leitz-Preis der deutsch-französischen Gesellschaften und den ART Cologne Preis, Köln.

Die Ehrendoktorwürde der Freien Universität Berlin wurde Werner Spies im Mai des Jahres 2003 verliehen, im Februar 2005 folgte der Ehrendoktor der Universität Tübingen.

Zudem trägt Werner Spies die Kommandeurkreuze des Ordre des Arts et des Lettres und des Ordre national du Mérite, er ist Kommandeur der französischen Ehrenlegion[7] und Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern, des Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen und der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg.[8]

Er war Laudator bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Anselm Kiefer 2008. Im Jahre 2010 erhielt Spies den Förderpreis der Carlo-Schmid-Stiftung, Laudator war Volker Schlöndorff.[9]


Publikationen



Literatur





Einzelnachweise


  1. Ehrendoktorwürde für Werner Spies (Memento vom 28. April 2007 im Internet Archive), auf uni-tuebingen.de
  2. Kunstexperte Spies gibt Job am Max-Ernst-Museum auf, welt.de vom 12. Juni 2012, abgerufen am 12. Juni 2012.
  3. Rose-Maria Gropp: Jägers-Kunstfälschungen: Am Pranger stehen die Falschen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15. Dezember 2010.
  4. Julia Voss, Niklas Maak:Als ich mich fand in einem dunklen Walde. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 18. Juni 2011, S. 33.
  5. Catrin Lorch: Vogel im Wald: Neues zum Fälscherprozess: Die Honorare des Vermittlers. In: Süddeutsche Zeitung vom 13. Januar 2012.
  6. Stefan Koldehoff, Tobias Timm: Max Ernst GmbH & Co. KG. In: Die Zeit. 12. Januar 2012, S. 39–40 (Online, abgerufen am 27. Juli 2012)
  7. Werner Spies – von Frankreich geehrt (Memento vom 9. Januar 2012 im Internet Archive)
  8. Liste der Ordensträger 1975–2022. (PDF; 394 kB) Staatsministerium Baden-Württemberg, 30. April 2022, S. 41
  9. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. Juni 2010, S. 33. (Online-Version, abgerufen am 27. Mai 2013)
  10. Tobias Wenzel: Werner Spies: „Max Ernst und die Geburt des Surrealismus“ – Eine neue Welt zimmern. In: Deutschlandfunk Kultur. 12. März 2019, abgerufen am 19. März 2019.
Personendaten
NAME Spies, Werner
KURZBESCHREIBUNG deutscher Kunsthistoriker, Journalist und Museumsdirektor
GEBURTSDATUM 1. April 1937
GEBURTSORT Tübingen

На других языках


- [de] Werner Spies

[en] Werner Spies

Werner Spies (born 1 April 1937 in Tübingen) is a German art historian, journalist and exhibition organizer. From 1997 to 2000, he was a director of the Centre Georges Pompidou in Paris.[1] Klaus Albrecht Schröder, director of the Albertina in Vienna, has called Spies "one of the most influential art historians of the 20th century."[2]

[fr] Werner Spies

Werner Spies, né le 1er avril 1937 à Tübingen (alors partie de l'État populaire libre de Wurtemberg) en Allemagne, est un journaliste, historien d'art, critique d'art et un essayiste allemand, reconnu en particulier pour son travail sur le surréalisme et le cubisme. Il a également été le directeur du musée national d'Art moderne à Paris de 1997 à 2000.



Текст в блоке "Читать" взят с сайта "Википедия" и доступен по лицензии Creative Commons Attribution-ShareAlike; в отдельных случаях могут действовать дополнительные условия.

Другой контент может иметь иную лицензию. Перед использованием материалов сайта WikiSort.org внимательно изучите правила лицензирования конкретных элементов наполнения сайта.

2019-2024
WikiSort.org - проект по пересортировке и дополнению контента Википедии