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Friederike Mayröcker (* 20. Dezember 1924 in Wien; † 4. Juni 2021 ebenda)[1][2] war eine österreichische Schriftstellerin. Sie veröffentlichte ab den 1950er-Jahren bis zu ihrem Tod über 80 Bücher, Lyrik, Prosa, Kinderbücher, Bühnentexte und Hörspiele und zählt zu den wichtigsten Autorinnen ihrer Generation im deutschsprachigen Raum.

Friederike Mayröcker (2015)
Friederike Mayröcker (2015)

Leben und Werk


Bereits als Kind erhielt Mayröcker während ihrer Sommeraufenthalte in Deinzendorf (bei Retz) prägende Eindrücke für die lebenslange schriftstellerische Arbeit. 1939, als sie fünfzehn Jahre alt war, schrieb sie erste literarische Texte. Von 1946 an war sie als Englischlehrerin an verschiedenen Wiener Hauptschulen tätig, zwischenzeitlich holte sie 1950 die Matura nach. Mayröcker lernte 1946 Otto Basil kennen, den Herausgeber der avantgardistischen Nachkriegszeitschrift Plan, in der auch Paul Celan und Erich Fried veröffentlichten. Einige Jahre später veröffentlichte der einflussreiche Kritiker Hans Weigel ihre Gedichte. Andreas Okopenko entdeckte sie für die Zeitschrift Neue Wege und brachte sie in Kontakt mit der Wiener Gruppe um H. C. Artmann und Gerhard Rühm.

Ernst Jandl und Friederike Mayröcker, anlässlich einer Lesung, Wien 1974
Ernst Jandl und Friederike Mayröcker, anlässlich einer Lesung, Wien 1974

1954 lernte sie Ernst Jandl kennen. Beide waren von Wort und Sprache besessen, blieben aber noch auf den Brotberuf des Lehrers angewiesen, den sie beide weiterhin ausübten. Die ersten Veröffentlichungen wurden von der Öffentlichkeit wenig beachtet, man ordnete sie der experimentellen Wiener Gruppe zu, die nach Dada-Art die Bürger verschreckte und Verlage scheu machte. Jandl ging daher 1963 in die Bundesrepublik und nahm auch Mayröckers Arbeiten mit. In Stuttgart gewann er Max Bense für ihre Texte, in Berlin Walter Höllerer mit dem Literarischen Colloquium Berlin. 1965 erschien ihr Gedichtband metaphorisch.[3] Gerald Bisinger vermittelte sie an den Rowohlt Verlag, wo 1966 Tod durch Musen erschien[4] mit einem Nachwort Eugen Gomringers, der das Neuartige der Montagetechnik Mayröckers hervorhob. Einer größeren Öffentlichkeit wurden Mayröcker und Jandl durch das gemeinsam verfasste Hörspiel Fünf Mann Menschen bekannt, für das sie den Hörspielpreis der Kriegsblinden erhielten. Arbeiten für den Rundfunk machten ein bescheidenes Leben ohne den Beruf als Lehrer möglich. 1969 ließ sich Mayröcker als Lehrerin karenzieren und konnte sich nun ungeteilt größeren Prosawerken und weiteren Hörspielen widmen.[3] 1977 ließ sie sich frühpensionieren.

Friederike Mayröcker, Wien 1974
Friederike Mayröcker, Wien 1974

Friederike Mayröcker galt als eine der bedeutendsten zeitgenössischen Schriftstellerinnen im deutschen Sprachraum. Diese Stellung verdankte sie in erster Linie ihrer Lyrik, Erfolg hatte sie aber auch mit Prosa und Hörspielen. Vier davon verfasste sie gemeinsam mit Ernst Jandl, mit dem sie von 1954 bis zu dessen Tod im Jahr 2000 zusammenlebte. Teile ihres Werks wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

Ihre Arbeitsweise beschrieb Mayröcker so: „Ich lebe in Bildern. Ich sehe alles in Bildern, meine ganze Vergangenheit, Erinnerungen sind Bilder. Ich mache die Bilder zu Sprache, indem ich ganz hineinsteige in das Bild. Ich steige solange hinein, bis es Sprache wird.“[5]

Mayröckers Prosawerk wurde oft als autofiktional beschrieben. Die prominenten Ich-Erzählinstanzen berichten meist von lebensweltlichen und alltäglichen Begebenheiten, häufig werden klassisch autobiographische Elemente wie Zitationen privater Gespräche, Briefe und Tagebucheinträge in die Prosatexte eingearbeitet. Paradoxerweise bestand Mayröcker in Interviews immer wieder auf ihrer „Biographielosigkeit“. Weil die meisten Informationen über ihr Leben dem Werk der Autorin entstammen, folgert Inge Arteel über Mayröckers Schreiben: „Das Werk ist nicht autobiographisch, es gibt aber kein Leben außerhalb des Werks, das Leben ist somit das Werk.“[6] Dadurch reflektiere die autofiktionale Prosa Mayröckers die Möglichkeiten und Grenzen autobiographischer Referentialität stets mit.

Bei FemBio wurde sie folgendermaßen eingeschätzt: „Ihre Texte entziehen sich dem rationalen Zugriff, sind ein poetisches, oft melancholisches Gespinst, sind Träume, die uns bezaubern – und befreien.“[7] Zu ihrem Buch Paloma schreibt Jörg Drews in der Süddeutschen Zeitung: „… die Autorin sagt ganz unkokett, dass sie 84 Jahre alt ist. Aber Friederike Mayröcker schreibt in ihrer ‚pneumatischen Fetzensprache‘, haucht alles in einer melancholischen Hast hin, im Ton einer entzückenden Leier, klagend und zugleich glücklich im Schreiben und nur noch im Schreiben.“[8]

Grab von Friederike Mayröcker am Wiener Zentralfriedhof
Grab von Friederike Mayröcker am Wiener Zentralfriedhof

2008 wurde der „BioPic“-Dokumentarfilm Das Schreiben und das Schweigen über die Schriftstellerin veröffentlicht. Für den 2016 veröffentlichten Gedichtband fleurs, der nach études (2013) und cahier (2014) das Ende einer Trilogie markiert, gewann Mayröcker im selben Jahr den erstmals vergebenen Österreichischen Buchpreis. 2019 erwarb das Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek einen Teilvorlass.[9] 2021 wurde sie für ihren Prosaband da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete für den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik nominiert.[10]

Friederike Mayröcker war 1973 Gründungsmitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung und nahm an deren Versammlungen und Veranstaltungen teil. Sie lebte in Wien, wo sie im Juni 2021 im Alter von 96 Jahren starb. Sie wurde in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 33 G, Nummer 29) beerdigt.[11]


Einzeltitel (Auswahl)



Lyrik und Prosa



Hörspiele



Tonträger



Libretto



Vertonungen



Auszeichnungen


Ehrenbürgerschaft der Stadt Wien (2015), Tafel im Wiener Rathaus
Ehrenbürgerschaft der Stadt Wien (2015), Tafel im Wiener Rathaus

Literatur



Zeitschriften als Mayröcker-Themenhefte (alphabetisch geordnet)



Dokumentarfilme




Commons: Friederike Mayröcker – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Christine Lehnen: Grande Dame der Literatur: Friedericke Mayröcker ist tot. In: dw.com. Deutsche Welle, 4. Juni 2021, abgerufen am 5. Juni 2021.
  2. Volker Weidermann: Lasst die Wörter aufjaulen. In: spiegel.de. Spiegel Online, 4. Juni 2021, abgerufen am 7. Juni 2021.
  3. Irma Hildebrandt: Große Frauen. Portraits aus fünf Jahrhunderten. Diederichs Verlag, München 2010, ISBN 978-3-641-03972-1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Friederike Mayröcker: Das Jahr Schnee. In: planetlyrik.de. 16. September 2010 (planetlyrik.de [abgerufen am 5. Juni 2021]).
  5. In: Heimspiel. Programmzeitschrift des ORF-Radiokulturhauses, März 2007, S. 5.
  6. Inge Arteel: Biographie einer Biographielosen. In: Études Germaniques. Nr. 276. Klincksieck, April 2014, S. 505–516.
  7. Friederike Mayröcker. In: FemBio. Frauen-Biographieforschung (mit Literaturangaben und Zitaten).
  8. Jörg Drews: Mir schwebt etwas Zartes vor – Inneres Gemurmel: Friederike Mayröckers Briefbuch „Paloma“. In: joerg-drews.de. 14. Mai 2008, abgerufen am 5. Juni 2021.
  9. Literarisches Zetteluniversum: Österreichische Nationalbibliothek erwirbt bedeutenden Teil-Vorlass der großen Autorin Friederike Mayröcker. In: onb.ac.at. Österreichische Nationalbibliothek, 6. Dezember 2019, abgerufen am 5. Juni 2021.
  10. Belletristik. Nominierungen für den Preis der Leipziger Buchmesse 2021. (Nicht mehr online verfügbar.) In: preis-der-leipziger-buchmesse.de. Archiviert vom Original am 15. September 2019; abgerufen am 5. Juni 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.preis-der-leipziger-buchmesse.de
  11. Friederike Mayröcker in der Verstorbenensuche bei friedhoefewien.at
  12. Michaela Schmitz: Rezension zu Ich bin in der Anstalt im Literaturhaus Wien. 25. Mai 2010, abgerufen am 5. Juni 2021.
  13. Michaela Schmitz: Rezension zu Vom Umhalsen der Sperlingswand im Deutschlandfunk. 21. Februar 2011, abgerufen am 5. Juni 2021.
  14. Michaela Schmitz: Rezension zu Von den Umarmungen im Deutschlandfunk. 20. Juni 2012, abgerufen am 5. Juni 2021.
  15. Ernst Osterkamp: Friederike Mayröcker: études. Kein Hinscheiden, kein Abschied, kein Unisono. Rezension in der FAZ. 12. Januar 2014, abgerufen am 5. Juni 2021.
  16. Michaela Schmitz: Rezension zu cahier im Literaturhaus Wien. 20. Oktober 2014, abgerufen am 5. Juni 2021.
  17. Friederike Mayröcker: Die Kantate oder, Gottes Augenstern bist Du. In: BR.de. BR-Hörspiel-Pool, 22. September 2017, abgerufen am 6. Juni 2021.
  18. Ö1: „Hörspiel des Jahres 2017“ ist „Oper!“ von Friederike Mayröcker – „Hörspielpreis der Kritik“ für Mischa Zickler, Abgerufen am 5. Juni 2021.
  19. Axel Bauni, Werner Oehlmann, Kilian Sprau, Klaus Hinrich Stahmer (Hrsg.): Reclams Liedführer. 6. Auflage. Philipp Reclam jun., Stuttgart 2008, ISBN 978-3-15-010680-8, S. 1097 (Abschnitt verfasst von Kilian Sprau).
  20. Friederike Mayröcker erhält Hermann-Lenz-Preis. (Memento vom 14. Januar 2013 im Webarchiv archive.today).
  21. Lassnig und Mayröcker Akademie-Mitglieder. In: ORF.at. 11. April 2012, abgerufen am 5. Juni 2021.
  22. Buchpreis der Wiener Wirtschaft an Friederike Mayröcker. In: derStandard.at. 5. Juni 2014, abgerufen am 5. Juni 2021.
  23. Preisträger der Stiftung. In: bibel-und-kultur.de. Abgerufen am 5. Juni 2021.
  24. Friederike Mayröcker ist Ehrenbürgerin der Stadt Wien. In: Wien.gv.at. Rathauskorrespondenz vom 3. Juni 2015, abgerufen am 5. Juni 2021.
  25. Ehrendoktorat an Friederike Mayröcker. In: ORF.at. 10. November 2015, abgerufen am 5. Juni 2021.
  26. Mayröcker, Friederike. Biographie. In: austria-forum.org. Abgerufen am 6. Juni 2021.
Personendaten
NAME Mayröcker, Friederike
KURZBESCHREIBUNG österreichische Schriftstellerin
GEBURTSDATUM 20. Dezember 1924
GEBURTSORT Wien
STERBEDATUM 4. Juni 2021
STERBEORT Wien

На других языках


- [de] Friederike Mayröcker

[en] Friederike Mayröcker

Friederike Mayröcker (20 December 1924 – 4 June 2021) was an Austrian writer of poetry and prose, audio plays, children's books and dramatic texts. She experimented with language, and was regarded as an avantgarde poet,[1] and as one of the leading authors in German.[2] Her work, inspired by art, music, literature and everyday life, appeared as "novel and also dense text formations, often described as 'magical'."[3] According to The New York Times, her work was "formally inventive, much of it exploiting the imaginative potential of language to capture the minutiae of daily life, the natural world, love and grief".[4]

[fr] Friederike Mayröcker

Friederike Mayröcker, née le 20 décembre 1924[2] à Vienne et morte le 4 juin 2021 dans la même ville[3],[4], est une auteure autrichienne.

[ru] Майрёккер, Фридерика

Фридерика Майрёккер (Майрёкер, нем.  Friederike Mayröcker; 20 декабря 1924, Вена — 4 июня 2021, там же) — австрийский поэт, прозаик, драматург.



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