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Die Schlacht von Anghiari (1505) ist ein verschollenes Gemälde von Leonardo da Vinci, das sich an der Stelle eines späteren Freskos von Giorgio Vasari im Salone dei Cinquecento des Palazzo Vecchio in Florenz befunden haben soll. Thema des Gemäldes ist eine Szene aus der Schlacht von Anghiari von 1440, in der das Heer von Florenz mit Unterstützung des Kirchenstaates und der Republik Venedig eine überlegene Streitmacht des Herzogtums Mailand geschlagen hat.

Die These des italienischen Ingenieurs Maurizio Seracini, dass sich das Fresko immer noch hinter einer von Vasari eingezogenen Zwischenwand befindet, konnte bisher (2012) nicht bewiesen werden.[1]


Historischer Hintergrund


Von 1500 bis 1506 hielt sich Leonardo ein zweites Mal in Florenz auf, wo er zunächst mit verschiedenen Ingenieurprojekten für Cesare Borgia und die Medici befasst war. Von 1503 bis 1506 war er, ebenso wie Michelangelo, der 1504 mit einem Auftrag bedacht wurde, mit Vorarbeiten für die Ausmalung des Salone dei Cinquecento (Sala del maggior consiglio) beschäftigt, der unter den Architekten Simone del Pollaiuolo und Antonio da Sangallo in einem Anbau des Palazzo della Signoria errichtet worden war, um Platz für den neuen, damals aus 500 Bürgern bestehenden Stadtrat zu schaffen. Laut Vasari war die Ausstattung des Saals mit Fresken von Anfang an geplant. Themen der monumentalen Wandbilder waren neben der Schlacht bei Anghiari die Schlacht bei Cascina (1364), in der Florenz einen entscheidenden Sieg über den Konkurrenten Pisa errungen hatte, und für die Michelangelo beauftragt wurde. An der Erfindung des Bildprogramms waren wahrscheinlich Macchiavelli und Marcello Adriani beteiligt.[2]

Sala del Gran Consiglio, 1860/61
Sala del Gran Consiglio, 1860/61

Allerdings gibt es für beide Aufträge bisher keine Vertragsdokumente.[3] Die spärlichen Quellen für die beiden Bilder beruhen auf verstreuten Daten aus Material- und Handwerkerrechnungen, sowie auf Berichten von Vasari und anderen Zeitgenossen.[4] Ab 1503 gibt es erste Vorzeichnungen Leonardos für die Anghiarischlacht.[5] Im Herbst 1503 erhielt Leonardo Zutritt zur Sala del Papa im Kloster Santa Maria Novella zur Herstellung des Kartons für das Fresko. 1506 wurde er für eine dreimonatige Reise nach Mailand beurlaubt. Nach seiner Rückkehr scheint er die Arbeit an der Anghiari-Schlacht nicht wieder aufgenommen zu haben.[6] Ungeklärt ist bisher sowohl die Dimension der Gemälde, als auch deren genaue Platzierung.[3] Ab 1555 wurde der Salone dei Cinquecento von Vasari nach den Wünschen von Cosimo I. de’ Medici als Audienzsaal vollständig umgestaltet. 1558 ließ Vasari den Saal um 8 Meter aufstocken und die Fenster vergrößern.[7] Ob Leonardos Bild dabei zerstört oder zugemauert wurde, konnte bisher nicht geklärt werden.


Studien


Der Karton des Bildes ist nicht erhalten, allerdings gibt es eine Reihe von vorbereitenden Zeichnungen. Um 1503 entstandene Studien für das Gemälde befinden sich in der Royal Collection in Windsor, im British Museum in London, dem Museum der Schönen Künste in Budapest und in den Gallerie dell’Accademia in Venedig, darunter allerdings keine eines Gesamtkonzepts.


Die Ausführung des Gemäldes


Die Vorarbeiten fanden in der Sala del Papa statt, die durch die Signoria für Leonardo und seine Gehilfen eingerichtet wurde. Das Dach der Sala wurde repariert, die Fenster wurden mit Vorhängen versehen.[8] Für die Arbeiten am Karton konstruierte Leonardo ein kompliziertes, in sich bewegliches fahrbares Gerüst.[9] Im Juni 1505, so schreibt Leonardo in seinen Notizen, kam es zu heftigen Regenfällen, die bis in die Nacht andauerten, und bei denen durch ein Loch im Dach der Karton beschädigt wurde.[10]

Leonardo führte das Bild nicht als Fresko aus, was eine rasche Arbeitsweise erfordert hätte, sondern experimentierte mit einer Öltechnik auf einer Gipsgrundierung, ähnlich wie bei seinem Mailänder Abendmahl von 1494/1497. Auch hier kam es jetzt zu maltechnischen Problemen, da die Farbe nicht gut auf der Grundierung haftete.[3] Angeregt durch die römische Technik der Enkaustik-Malerei mischte er flüssiges Bienenwachs mit Öl und Farbpigmenten. Um den Trocknungsprozess zu beschleunigen, ließ er Feuerschalen (braziers) an der Wand aufstellen. Wie Vasari in der Erstausgabe seiner Vite berichtet, verflüssigte sich dadurch das beigemischte Wachs, begann an der Wand herunterzutropfen, und Leonardo gab diese Versuche auf.[11][12] Als Leonardo 1506 nach Mailand ging, hat sich die Malerei auf der Wand möglicherweise bereits in einem heiklen Zustand befunden. Nach seiner Rückkehr nach Florenz hat er die Arbeiten an der Anghiarischlacht nicht wieder aufgenommen.


Suche nach dem verschollenen Gemälde


Die Suche nach Leonardos Anghiarischlacht begann 1967 mit den Untersuchungen, die der damalige Stadtarchitekt von Florenz, Piero Micheli, an den Wänden des Saals unternahm, fachlich beraten durch Carlo Pedretti. Pedretti lehrte seit 1960 an der University of California UCLA und gilt als ausgewiesener Leonardo-Spezialist. Micheli ließ auf beiden Seiten des Saals in etwa 5 Meter Höhe Stücke aus den Fresken entnehmen, fand jedoch keinerlei Spuren von Malereien vor.[13]

1976 startete ein Team unter Leitung von Pedretti, an dem auch sein Schüler Travers Newton beteiligt war, eine weitere Suchaktion, in der sie sich auf die Ostwand des Saals konzentrierten. Finanziert wurde die Aktion durch einen Fonds der Kress-Foundation von 50.000 $, der durch Gelder von Armand Hammer und der Smithsonian Institution aufgestockt wurde.[13] Auch diese Suche brachte keine Ergebnisse.

1982 unternahmen der Historiker John Spencer zusammen mit Travers Newton einen erneuten Versuch. Sie gingen nach Neuinterpretation bekannter Quellen[13] von der Hypothese aus, dass sich Leonardos Bild auf der Westwand des Saals befinde und setzten Infrarot und Ultraschall bei ihren Untersuchungen ein. Mit Erlaubnis des zuständigen Ministeriums in Rom lösten sie mit Stacco-Technik ein Stück von Vasaris Fresko ab, fanden dort aber keinerlei Spuren eines anderen Gemäldes vor.[14]

Der bisher letzte Anlauf in der Suche nach der Anghiarischlacht wurde 2012 unter Leitung des Italo-Amerikaners Maurizio Seracini unternommen. Seracini hat sich bei Untersuchungen von Altmeistergemälden mit modernen technischen Methoden einen Namen gemacht. Nach eigenen Aussagen befasst er sich seit 1975 mit dem Bild, war schon bei Pedrettis Untersuchungen von 1975 als Assistent beteiligt und hat sogar einen Auftritt in Dan Browns Leonardo-Thriller.[15][16] National Geographic unterstützte mit einer Summe von 250.000 $ das Projekt.[17] Um hinter Vasaris Fresko zu gelangen, wurden sechs kleine Löcher gebohrt. Durch diese Löcher steckte man winzige Sonden und Spezialkameras, die üblicherweise in der Medizin eingesetzt werden. Außer einigen Farbpigmenten, wie sie Leonardo möglicherweise benutzt hat, blieben die Bohrungen ohne Ergebnis. Seracinis Vorgehen provozierte heftige Proteste unter Kunstwissenschaftlern und Restauratoren und wurde im September 2012 eingestellt.[18]

2020 stellte die Kunsthistorikern Francesca Fiorani von der University of Virginia auf einem Symposium der Uffizien ihre neusten Forschungsergebnisse vor und vertritt dabei die These, Leonardo habe das Fresko nie gemalt und sei über vorbereitende Skizzen nie hinausgekommen.[19]


Ausstellungen



Quellen


Edition Giorgio Vasari. Gesamtausgabe in 45 Bänden + Supplementband. Berlin: Wagenbach 2015, ISBN 978-3-8031-5067-7.

Literatur


Series II: Leonardo’s Projects, 1500–1519. Darin: The Battle of Anghiari. Mit Beiträgen von Johannes Wilde, Günther Neufeld, H. Travers Newton, John Spencer und Claire J. Farago, S. 39–127.


Commons: Die Schlacht von Anghiari – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Dirk Schümer: Wer suchet, der findet schon einen Krümel. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 11. März 2012 (faz.net, abgerufen am 13. Mai 2019).
  2. Alessandro Cecchi: Ipotesi sul programma iconografico e l’assetto originario delle Battaglie di Leonardo e Michelangelo per la Sala del Maggior Consiglio in Palazzo Vecchio. In: Prospettiva. Band 83/84. 1996, S. 102–115;
    Daniel Arasse: Leonardo da Vinci. Köln 1999, S. 429.
  3. Die Sala del Maggior Consiglio und ihre Ausmalung, arthistoricum.net, abgerufen am 13. Mai 2010.
  4. Christian Adolf Isermeyer: Die Arbeiten Leonardos und Michelangelos für den grossen Ratssaal in Florenz. In: W. Lotz, L. Möller (Hrsg.): Studien zur toskanischen Kunst. Festschrift für Ludwig Heydenreich. München 1964, S. 83–130.
  5. I cavalli di Leonardo. Studi sul cavallo e altri annimali di Leonardo da Vinci dalle Biblioteca Reale nel Castello di Windsor. (Ausstellungskatalog des Palazzo Vecchio Florenz). Giunti 1984, S. 55–56, S. 137.
  6. Frank Zöllner: Rubens Reworks Leonardo. The Fight for the Standard. In: Academia Leonardo Vinci. Nr. 4. 1991, S. 177–178.
  7. Gerd Blum: Giorgio Vasari, der Schöpfer der Renaissance. Beck, München 2011, S. 199.
  8. Bernd Roeck: Leonardo. Der Mann, der alles wollte. Beck, München 2019. Kapitel III.3: Das unbekannte Meisterwerk.
  9. Martin Kemp: Leonardo. Leben und Werk. Aus dem. Engl. von Nikolaus B. Schneider. Beck, München 2005, S. 292.
  10. Anna Maria Brizio: Los codices de Madrid. In: The UNESCO Courier. abgerufen am 16. Mai 2019.
  11. royalacademy.org.uk RA Collection: Art, abgerufen am 21. Mai 2019.
  12. Clarie J. Farago: Leonardo’s Battle of Anghiari. A Study in the Exchange between Theory and Praxis. In: Claire Farago (Hrsg.): Leonardo da Vinci. Selected Scholarship. Garland, London 1999, S. 105.
  13. Lost Da Vinci Mural Believed Discovered The New York Times, 2. November 1979, abgerufen am 22. Mai 2019.
  14. Geoffrey Luck: The New Battle of Anghiari. In: Quadrant Magazine. Band 56. Nr. 5. 2012, S. 43–47.
  15. Rätsel um geheimen Da Vinci-Code merkur.de, 14. März 2012, abgerufen am 24. Mai 2019.
  16. Interview, abgerufen am 24. Mai 2019.
  17. Leonardo da Vinci Malerei entdeckt – oder doch nicht?, artinfo24.com, abgerufen am 24. Mai 2019.
  18. Renate Meinhof: Gegen die Wand. Sechs Löcher und die Farben der Mona Lisa: Maurizio Seracini sucht seit Jahrzehnten nach einem verborgenen Bild Leonardo da Vincis. Nun glaubt er am Ziel zu sein – und steckt mitten in einem Krimi, in: Süddeutsche Zeitung. 30. März 2012, S. 3;
    The Battle of Anghiari timelinefy.com, abgerufen am 24. Mai 2019.
  19. Leonardo da Vinci hat Fresko in Florenz wohl nie gemalt Der Spiegel, 7. Oktober 2020
  20. Pressemitteilung des Palazzo Vecchio arte.it, abgerufen am 13. Mai 2019.

На других языках


- [de] Schlacht von Anghiari (Leonardo da Vinci)

[en] The Battle of Anghiari (Leonardo)

The Battle of Anghiari (1505) was a planned painting by Leonardo da Vinci in the Salone dei Cinquecento (Hall of the Five Hundred) in the Palazzo Vecchio, Florence. Its central scene would have depicted four men riding raging war horses engaged in a battle for possession of a standard at the Battle of Anghiari in 1440.

[es] La batalla de Anghiari (Leonardo)

La batalla de Anghiari (en italiano, La battaglia di Anghiari) es una pintura al fresco de Leonardo da Vinci, actualmente perdida, pintada en un muro del Salón de los Quinientos del Palazzo Vecchio de Florencia entre 1503 y 1506. Consta que en su ejecución Leonardo contó con la ayuda de un pintor al que los documentos llaman «Ferrando Spagnuolo, dipintore», que pudiera ser Fernando Yáñez de la Almedina o quizá Fernando Llanos. Leonardo abandonó Florencia en 1506, dejando la pintura inacabada. En 1549 aún estaba a la vista, pero desapareció en 1563 como muy tarde, al encomendarse a Giorgio Vasari la remodelación decorativa del gran salón. Recientemente algún experto ha afirmado haber hallado con ayuda de un endoscopio, el antiguo fresco disimulado tras un muro debajo de los frescos de Vasari.

[fr] La Bataille d'Anghiari

La Bataille d'Anghiari est une peinture murale peinte par Léonard de Vinci de 1504 à 1506 sur le mur Est de la salle du Grand Conseil (appelée aujourd'hui salle des Cinq-Cents) du Palazzo Vecchio de Florence. Léonard de Vinci quitta Florence en 1506, laissant l'œuvre inachevée. Pour la plupart des commentateurs, Léonard avait utilisé pour ce travail un procédé nouveau, à l'encaustique, et son travail ne se conserva pas, bien que les artistes aient admiré ses cartons, encore visibles au début du XVIIe siècle. Son pendant, la Bataille de Cascina de Michel-Ange, resta également inachevé. En 1563, Vasari, chargé de la rénovation du Palazzo Vecchio, peignit de nouvelles scènes de bataille sur les murs de la salle des Cinq-Cents.

[it] Battaglia di Anghiari (Leonardo)

La Battaglia di Anghiari era una pittura murale di Leonardo da Vinci, databile al 1503-1504 e già commissionata per il Salone dei Cinquecento (allora detto "Sala del Gran Consiglio") di Palazzo Vecchio a Firenze. A causa dell'inadeguatezza della tecnica, il dipinto subì danni e non è certo che i suoi resti fossero stati lasciati in loco, incompiuti e mutili; circa sessant'anni dopo, la decorazione del salone venne rifatta da Giorgio Vasari; non si conosce se all'epoca fossero ancora presenti i frammenti leonardiani o se l'architetto aretino li abbia distrutti. Alcuni sostengono che li abbia nascosti sotto un nuovo intonaco o una nuova parete: ricerche e 'saggi' finora condotti non hanno sciolto il mistero. Nel mese di ottobre 2020, dopo anni di ricerche, viene reso noto che probabilmente Leonardo si fermò alla delicata fase preparatoria del muro, non portata a termine per motivi tecnici, senza mai iniziare la pittura vera e propria[1].

[ru] Битва при Ангиари (фреска)

«Битва при Ангиари» (итал. Battaglia di Anghiari, также иногда передается как «Битва при Ангьяри») — утраченная фреска Леонардо да Винчи. Художник работал над ней в 1503—1506 гг.



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