Stephan Balkenhol (* 10. Februar 1957 in Fritzlar) ist ein zeitgenössischer deutscher Bildhauer.
Stephan Balkenhol 2018
Leben
Stephan Balkenhol wuchs in Fritzlar, Luxemburg und Kassel als jüngster von vier Söhnen einer Hausfrau und eines Gymnasiallehrers auf und besuchte mehrere Jahre die Europäische Schule in Luxemburg, an der sein Vater zu dieser Zeit lehrte. Balkenhol legte sein Abitur am Kasseler Friedrichsgymnasium ab. Mit seinem Mitschüler Peer Schröder gab er die hektographierte Zeitschrift Schorli Morli heraus;[1] bereits Jahre zuvor erkundeten sie die Documenta 5.[2] Balkenhol studierte von 1976 bis 1982 an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg unter anderem bei Ulrich Rückriem. Durch das Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendium konnte er seinen Weg zum Bildhauer einschlagen.
Danach war er Lehrer am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt. Seit 1992 ist er Professor an der Akademie der bildenden Künste in Karlsruhe. In seinem Dienstatelier in Karlsruhe haben seine Studenten die Gelegenheit, seine Arbeit zu kommentieren.[3]
Balkenhol lebt und arbeitet in Karlsruhe, Berlin, Meisenthal in Lothringen[4] und Kassel.[5]
Balkenhol arbeitet in Skulpturen, Reliefs, Zeichnungen und graphischen Techniken wie Lithographie, Holzschnitt und Siebdruck. Seine grob gehauenen und farbig bemalten Holzskulpturen sind sein Markenzeichen. Er stellt Menschen, Tiere und Architekturen dar, zuweilen surreal kombiniert. Der Mensch steht im Mittelpunkt seiner Arbeiten. Er entwickelt Grundtypen, die er vielfältig variiert. Sein bekanntester Figurentypus ist der Mann mit schwarzer Hose und weißem Hemd. Kleidung und Haltung der dargestellten Menschen deuten auf die Gegenwart. Sie zeigen keine eindeutigen Emotionen, sie blicken scheinbar ins Leere oder auf – für den Betrachter – unbekannte Punkte. Die Figuren bleiben distanziert, anonym und rätselhaft.
Holz ist Balkenhols wichtigstes Arbeitsmaterial. Weiche Holzarten wie Pappel oder Wawaholz erlauben dem Künstler ein präzises Herausarbeiten der Gesichter seiner Figuren. Bei den meisten Skulpturen ist die Figur so aus dem Holz herausgearbeitet, dass Figur und Sockel als ein Stück verbunden bleiben. Das Material bleibt in seinen Werken deutlich erkennbar und auch die Bearbeitung bleibt in der groben Struktur unter der Farbfassung sichtbar. Material und sichtbare Spuren des Arbeitsprozesses sind damit Teil des Kunstwerkes.
Der Arm vor dem Deutschen Schifffahrtsmuseum
„Meine Skulpturen erzählen keine Geschichten. In ihnen versteckt sich etwas Geheimnisvolles. Es ist nicht meine Aufgabe, es zu enthüllen, sondern die des Zuschauers, es zu entdecken.“
– Stephan Balkenhol
„Dabei wollte ich Bildwerke schaffen, die sich – abgesehen von der Figuration – jeder Schublade entzogen: kein expliziter Rückgriff auf die Tradition, keine Botschaften jeglicher Art, keine starke Expressivität.“
– Stephan Balkenhol
Er gibt seinen Figuren bewusst einen indifferenten Ausdruck, damit dem Betrachter Deutungsmöglichkeiten bleiben. Ein Lächeln oder ein anderer Gemütszustand würde zu sehr „eingefroren“ wirken. Er arbeitet an mehreren Skulpturen gleichzeitig und fertigt ungefähr 100 Skulpturen pro Jahr. Bei Holzfiguren wird der Rundholzsockel festgeklemmt. Die Figuren wachsen aus dem Rundholz mit der Arbeit und werden durch den Sockel auf Höhe gehalten.[3]
Seine bisher höchste Skulptur, der sechs Meter hohe Männertorso aus Zedernholz Sempre più („Immer mehr“), wurde 2009 temporär im Caesarforum in Rom aufgestellt.[6]
2012 sorgte eine Balkenhol-Skulptur auf dem Turm der Sankt-Elisabeth-Kirche in Kassel für Streit. Die Leiterin der documenta 13, Carolyn Christov-Bakargiev, kritisierte die katholische Kirche für die Aufstellung dieses Kunstwerks im Vorfeld der documenta. „Es stört erheblich. Die künstlerische Leiterin fühlt sich von dieser Figur bedroht, die mit der documenta (13) nichts zu tun hat“, ließ documenta-Geschäftsführer Bernd Leifeld verlauten. Die Kirche hielt dessen ungeachtet an der Balkenhol-Ausstellung und Installation fest.[7] Die Skulptur wurde im Anschluss an die Ausstellung vom Künstler der Sankt-Elisabeth-Kirche geschenkt.
Neben den Skulpturunikaten und den Zeichnungen hat Stephan Balkenhol auch ein umfangreiches Werk an Bronze-Editionen und druckgraphischen Arbeiten geschaffen, die 2014 und 2015 in zwei Werkverzeichnissen dokumentiert wurden.[8]
Werkauswahl
Kunst im öffentlichen Raum
Mann mit Hirsch in HannoverGroße Säulenfigur in LörrachMann+Frau in Hamburg vor der Zentralbibliothek der Öffentlichen BücherhallenMann auf Giraffe vor dem Tierpark HagenbeckDas Richard-Wagner-Denkmal in Leipzig auf einem Sockel von Max KlingerEmma, in memoriam Emma Hellenstainer. Bronze, bemalt
L’Homme sur sa Bouée, Amiens, Frankreich
L’Homme à la Chemise rouge, Amiens, Frankreich
La Femme à la Robe verte, Amiens, Frankreich
Großer Mann mit kleinem Mann im Palais am Pariser Platz, Berlin-Mitte
Bonhoefferkirche, Wolfsburg-Westhagen
Campus der Universität Bayreuth
Mann mit Vogel (1996), Bremen, am Martinianleger (bis 2003 am Bredenplatz)
Vier Männer auf Bojen in Hamburg in weißem Hemd und schwarzer Hose. Die ursprünglichen Figuren waren aus Eichenholz, wogen je neun Tonnen und waren jede auf einem Schwimmkörper montiert. Jedes Frühjahr wurden sie in der Stackmeisterei auf Finkenwerder von Balkenhol überholt.[9] Im Sommer 2020/Frühjahr 2021 wurden/werden sie durch vom Künstler neu geschaffene, bemalte witterungsbeständige Figuren aus Aluminiumguss ersetzt.[10] Die vier Standorte sind:
Hamburg-Altona, Elbe bei Övelgönne
Hamburg-Bergedorf, Serrahn
Hamburg-Mitte, Außenalster, Höhe Sechslingspforte
Hamburg-Harburg, Süderelbe, östlich der Brücke des 17. Juni
Männliche Figur, Singen, Wasserturm der Firma Maggi – Nestlé Deutschland AG
Bronzeplastiken Mann + Frau vor der Zentralbibliothek Hamburg (Am Hühnerposten)[11]
Bronzeplastiken Mann auf dem Hals einer Giraffe, enthüllt am 26. April 2001 in Hamburg-Stellingen (Am Haupteingang zu Hagenbecks Tierpark, Ecke Lokstedter Grenzstraße und Koppelstraße)
Große Säulenfigur auf dem Senser Platz in Lörrach
Mann mit Hirsch, Hannover
Mann im Hirschgeweih, Bronzeplastik, Ratingen Angertal, Höhe Parkplatz Steinkothen
Neuer Eiserner Mann im „Amphitheater“ in den barocken Gartenanlagen von Kleve
MARTa Herford
Der Arm vor dem Deutschen Schifffahrtsmuseum, Bremerhaven
Sphaera (Skulptur Mann auf Mozartkugel) in Salzburg
Mann mit ausgebreiteten Armen und weißem Hemd, Kaufingerstraße München, vor der Kaufingertorpassage
2019: deadline. Stephan Balkenhol, 6. April – 14. Juli 2019, Museum für Sepulkralkultur, Kassel
2020–2021: Lehmbruck-Museum Duisburg, 22. Oktober 2020 bis 24. Mai 2021[17]
2021: Kunstmuseum Walter, Augsburg: Stephan Balkenhol in der Sammlung Walter. 29. Juni bis 5. September 2021[18]
Einzelnachweise
„Produktionsmittel waren Spirit-Carbon-Umdrucker sowie zugehörige Geha-Sets (Matrizen). 'Vor Ort' produzierten Herausgeber Peer Schröder und Miterfinder Stephan Balkenhol: Texte und Zeichnungen direkt auf Matrize, diese durch die Maschine gezogen, Rückseite dito, nächstes Blatt (…) alle 'guten Blätter' zusammengesucht (die Maschine hatte ihre Tücken), Titelblatt, an der Seite zusammengeheftet – und manchmal entstanden wirklich kaum mehr Hefte als die Anzahl der schreibenden, collagierenden und zeichnenden Akteure, die am jeweiligen Heft beteiligt waren.“ Michael Kellner: Der Vorderste Westen. 'Loose Blätter Sammlung' und 'Schorli Morli' 1976 – 1979. In: Kasseler Literatur-Spaziergang. Kassel 1997, S. 79
Spaziergang mit Stephan Balkenhol, in: Weltkunst, Ausgabe 131, Spezial 03 – "DOCUMENTA" (2017), S. 75
Interview mit Balkenhol im Norddeutschen Rundfunk, NDR Kultur, am 5. Januar 2009 von 10:30-10:45 sowie von 13:00-14:00
Ute Diehl, Barbarisches Relikt in der Trümmerstätte (Mementodes Originals vom 8. November 2009 im Internet Archive)Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.art-magazin.de, art-magazin.de, 2. November 2009
Zeitungsverlag Waiblingen, Germany:Waiblingen: Seepferdchen-Skulptur auf der Rems gelandet - Zeitungsverlag Waiblingen. (zvw.de[abgerufen am 21.Juli 2018]).
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