Henri Cartier-Bresson (* 22. August 1908 in Chanteloup-en-Brie, Seine-et-Marne; † 3. August 2004 in Montjustin, Alpes-de-Haute-Provence) war ein französischer Fotograf, Regisseur, Schauspieler, Zeichner, Maler und Mitbegründer der renommierten Fotoagentur Magnum.[1] Er wurde vor allem durch seine künstlerische Schwarzweißfotografie bekannt. Im Zweiten Weltkrieg entkam er zweimal aus deutscher Kriegsgefangenschaft und fotografierte die Befreiung von Paris.
Cartier-Bresson wuchs als Sohn der wohlhabenden Familie eines Textilfabrikanten in der Normandie und in Paris auf. Dort besuchte er das Lycée Condorcet, ohne einen Abschluss zu machen.[1] Nach einem Studium der Malerei bei André Lhote in Paris von 1927 bis 1928[1] widmete er sich ab 1930 der Fotografie. Seine erste große Reportagereise führte ihn 1931 in die Elfenbeinküste.[1] Aufnahmen von seinen zahlreichen Reisen fanden schnell ein Forum in Zeitschriften und auf Ausstellungen. Erfahrungen sammelte er auch in New York bei Paul Strand.[1] 1937 fotografierte er bei der Krönung Georgs VI. in London.[1] Im Spätsommer 1937, vor der Schlacht von Belchite, reiste er mit Herbert Kline, dem ehemaligen Herausgeber der Zeitschrift New Theater, und dem Kameramann Jacques Lemare nach Spanien um einen Dokumentarfilm über den amerikanischen Sanitätsdienst American Medical Bureau im Spanischen Bürgerkrieg zu drehen. Sie drehten in der Villa Paz, dem Krankenhaus der Internationalen Brigaden in Saelices unweit von Madrid und an der Küste von Valencia, um die Wiederherstellung der verletzten Freiwilligen in den Villen von Benicàssim zu dokumentieren. Zudem besuchten sie die Abraham-Lincoln-Brigade in Quinto bei Saragossa und drehten den Film With the Abraham Lincoln Brigade in Spain.[2][3] Von 1937 bis 1939 war Cartier-Bresson Regieassistent bei drei Filmen von Jean Renoir, unter anderem bei Die Spielregel[1] und drehte selbst drei Dokumentarfilme „in der Überzeugung, dass er nicht die Fantasie für ein fiktives Werk“ besitze.[4] Seine 1952 aufgestellte Theorie der Fotografie des „entscheidenden Augenblicks“ illustrierte er schon frühzeitig in seinen Kriegsreportagen. Seine Vorgehensweise beim Fotografieren beschrieb er folgendermaßen:
„Man nähert sich auf leisen Sohlen, auch wenn es sich um ein Stillleben handelt. Auf Samtpfoten muss man gehen und ein scharfes Auge haben. [...] Kein Blitzlicht, das versteht sich wohl, aus Rücksicht vor dem Licht, selbst wenn es dunkel ist. Andernfalls wird der Photograph unerträglich aggressiv. Das Handwerk hängt stark von den Beziehungen ab, die man mit den Menschen herstellen kann. Ein Wort kann alles verderben, alle verkrampfen und machen dicht.[5]“
Er legte beim Fotografieren großen Wert auf eine möglichst perfekte Bildkomposition. Die Vergrößerung sollte dann das gesamte Kleinbildnegativ zeigen, ohne nachträgliche Zuschnitte (Crop). Cartier-Bresson überließ dabei meist die Dunkelkammerarbeit den Magnum-Agenturlabors; insbesondere arbeitete er über Jahrzehnte mit Pierre Gassmann zusammen. Er nutzte ganz überwiegend die handlichen und unauffälligen Kleinbildkameras der Marke Leica, die zum Zweck einer möglichst der menschlichen Sichtweise entsprechenden Bildwirkung, mit einem 50-mm-Standardobjektiv ausgerüstet waren. Cartier-Bresson fotografierte in Schwarz-Weiß, aufgrund der von ihm sehr geschätzten stärkeren künstlerischen Wirkung.
So behütet Henri Cartier-Bresson aufgewachsen war, so hart konfrontierte ihn sein ereignisreiches Leben mit leidvollen Erfahrungen – eigenen und solchen, die er in Reportagen dokumentierte. Er geriet 1940 für fast drei Jahre in deutsche Kriegsgefangenschaft. Nach zwei gescheiterten Fluchtversuchen gelang es ihm, sich 1943 nach Paris durchzuschlagen.[1] Dort schloss er sich einer Gruppe von Fotografen der französischen Résistance an, die die Zeit der deutschen Besatzung und den deutschen Rückzug in Bildern festhielt.
Nachdem man fälschlicherweise annahm, er sei im Krieg gefallen, widmete das Museum of Modern Art in New York Cartier-Bresson 1947 eine große „posthume“ Retrospektive. Er stellte klar, dass er noch lebte und arbeitete an der Schau mit.[1] Im gleichen Jahr gründete er mit Robert Capa, David Seymour und George Rodger die Agentur Magnum Photos in New York, die das Ziel verfolgte, den Fotografen die Rechte an ihren Arbeiten zu belassen.
1948 verbrachte er in Indien, als Mahatma Gandhi ermordet wurde, mit dem er nur kurz zuvor gesprochen hatte. Später bezeichnete Cartier-Bresson dieses Interview als prägendes Ereignis, bei dem Gandhi insbesondere ein Foto aufgefallen war, das er mit dem Tod assoziierte. 1949 erlebt er das Entstehen der Volksrepublik China und die Unabhängigkeit von Indonesien.[1] Seine Reisen führten ihn unter anderem durch Europa, nach Pakistan, in die USA und er besuchte 1954 als einer der ersten ausländischen Fotografen nach Beginn des Kalten Kriegs die Sowjetunion.[1] 1963 besuchte er Mexiko und Kuba.
Cartier-Bresson durfte 1955 als erster Fotograf überhaupt im Pariser Louvre ausstellen. Seine Fotografien wurden gesammelt unter anderem in Images à la sauvette (1952, Bilder im Vorübergehen), D’une Chine à l’autre (1968, China gestern und heute) und Moscou (1955, Moskau) publiziert. 1972 beendete Cartier-Bresson das professionelle Fotografieren und widmete sich intensiv der Zeichenkunst. 1974 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.
Im Jahr 1977 wurden Fotoarbeiten von Henri Cartier-Bresson auf der documenta 6 in Kassel in der Abteilung Fotografie gezeigt, die den Zusammenhang zur zeitgenössischen Kunst im Kontext von „150 Jahren Fotografie“ darstellte.
2003 erschien Wer sind Sie, Henri Cartier-Bresson? (original: De qui s'agit-il?) mit einem umfassenden Überblick über sein fotografisches Werk.
Im Frühjahr 2003 gründete Cartier-Bresson gemeinsam mit seiner Frau Martine Franck die Fondation Henri-Cartier-Bresson. In einem Haus im Pariser Stadtteil Montparnasse wird sein Werk archiviert, in den Ausstellungsräumen werden jedoch auch Werke anderer Künstler gezeigt. Die letzte Ausstellung seiner Werke zu seinen Lebzeiten war die große Retrospektive im Berliner Martin-Gropius-Bau.
Henri Cartier-Bresson starb 2004 im Alter von 95 Jahren und wurde auf dem Friedhof von Montjustin begraben.[6] Der französische Staatspräsident Jacques Chirac würdigte Cartier-Bresson „als genialen Fotografen und einen der begabtesten Künstler seiner Generation.“[7]
Von 1937 bis 1967 war er mit der aus Java stammenden Tänzerin Ratna Mohini und in zweiter Ehe von 1970 bis zu seinem Tod mit der belgischen Fotografin Martine Franck verheiratet. Aus letzterer Ehe stammt die Tochter Mélanie (* 1972).[8]
Zitat von Arthur Miller: „Der Augenblick, in dem Cartier-Bresson den Auslöser betätigt, ist der Moment, da Hoffnung und Verzweiflung aufeinandertreffen und eine die andere erhellt. Diesem Zusammenprall entspringt das Pathos seiner Bilder. Und was sich in diesem Moment instinktiv erkennen lässt, ist jener herrliche Glaube, der jeder Kunst irgendwo innewohnt.“[9]
Einfluss auf das Werk Henri Cartier-Bressons hatten unter anderem die Malerei des Kubismus, die Philosophie des Zen sowie der Surrealismus um André Breton.[10]
„Ein gutes Foto ist ein Foto, auf das man länger als eine Sekunde schaut.“
SBB=1
setzen)Personendaten | |
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NAME | Cartier-Bresson, Henri |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Fotograf |
GEBURTSDATUM | 22. August 1908 |
GEBURTSORT | Chanteloup-en-Brie, Département Seine et Marne, Frankreich |
STERBEDATUM | 3. August 2004 |
STERBEORT | Montjustin, Provence |