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Otto Nagel (* 27. September 1894 in Berlin-Wedding; † 12. Juli 1967 in Berlin-Biesdorf) war ein deutscher Maler. Er wurde 1970 postum Ehrenbürger von Berlin.

Otto Nagel (1950)
Otto Nagel (1950)

Leben


Otto Nagel wurde als Sohn des Tischlers und Sozialdemokraten Carl Nagel geboren.[1] Nach der Volksschule begann er in einer Mosaik- und Glasmalereiwerkstatt eine Lehre zum Glasmaler, die er nicht abschloss, und arbeitete später als Transportarbeiter. Nagel engagierte sich früh in der Arbeiterjugend und trat 1912 in die SPD ein. Er leistete im Ersten Weltkrieg zunächst Kriegsdienst, kam dann aber wegen Kriegsdienstverweigerung in das Straflager Wahn bei Köln. 1917 wurde er Mitglied der USPD.

Im Jahr 1919 malte Otto Nagel seine ersten Ölbilder und Pastelle unter dem Einfluss von August Macke. Zur Gründung, 1918, wurde er Mitglied der KPD.[2] Im Jahr 1922 initiierte er mit Erwin Piscator die Künstlerhilfe in der Internationalen Arbeiterhilfe (IAH) und war für Käthe Kollwitz die Kontaktperson zu Willi Münzenberg. 1924 trat Nagel der Roten Gruppe Berlin bei und organisierte die Erste Allgemeine Deutsche Kunstausstellung 1924/1925 in Moskau, Saratow und Leningrad.[3]

  1. Berliner Einwohner > Nagel, Carl; Tischler > Reinickendorfer Str. 37 b. In: Adreßbuch für Berlin und seine Vororte, 1900, I, S. 1079 (Alle anderen Nagel(s) haben Wohnungen im Osten oder Südosten Berlins).
  2. easydb.archive. Abgerufen am 19. Oktober 2022.
  3. Sergey Fofanov: Der rote Kurator - Otto Nagel als Ausstellungsmacher in der Sowjetunion. In: Eckart Gillen im Auftrag der Stadt Eberswalde (Hrsg.): Katalog Otto Nagel. Menschensucher und Sozialist. Pastelle und Gemälde 1922 bis 1965. Eberswalde 2022, ISBN 978-3-9822404-5-9, S. 1845.

Im Jahr 1926 stellte Otto Nagel im Sängerheim, einem Bierlokal in Wedding, seine aktuellen Bilder aus. Der Wedding war inzwischen zu einem roten Arbeiterbezirk geworden, so dass es zum Ausstellungsort in der Weltbühne hieß: „Ein ungewöhnliches Milieu für Kunst. […] Das Publikum, Männer und Frauen vom Wedding, ernst, schweigsam, langsam die Bilder betrachtend. Sie sehen sich selbst an den Wänden, von einem der ihren gemalt: den Briefträger, die alte Frau im Spital, die Nutte vom Karree Nettelbeckplatz, den Idioten ‚Vater‘ von der Wach- und Schließgesellschaft, den Budiker von der Ecke. Ich stelle mir die Menschen, die im Sängerheim diese Bilder betrachten, in der Nationalgalerie vor. Sie gehen fremd, verwundert, ratlos von Bild zu Bild und gehen verdattert zur Tür hinaus. Sie dürfen ja hingehen, aber sie fühlen sehr schnell, dass sie nur geduldet sind“.[1] Seit 1927 war Nagel für die „Gesellschaft der Freunde des neuen Rußland“ aktiv.

Otto Nagel war eng mit Heinrich Zille und Käthe Kollwitz befreundet, deren Nachlass er ordnete. Nagel gab zahlreiche Schriften über ihr Werk heraus. Von 1928 bis 1931 stellte er in der Novembergruppe aus und war von 1928 bis 1932 Herausgeber und Redaktionsleiter der Satirezeitschrift Eulenspiegel. 1932 betreute er die Käthe-Kollwitz-Ausstellung in Moskau und Leningrad, bei der 160 Arbeiten der Künstlerin gezeigt wurden.

Von 1928 bis 1932 schrieb er das Manuskript zu seinem Roman Die weiße Taube oder Das nasse Dreieck, welches bis zu seiner ersten Veröffentlichung als Buch 1978 im Mitteldeutschen Verlag Halle-Leipzig mehrmals verschwunden war. Die fast unglaubliche Geschichte dieses Buches hat die Witwe des Malers, Walli Nagel, in ihrem Vorwort beschrieben.[2]

1933 wurde Otto Nagel zum Vorsitzenden des Reichsverbandes der Bildenden Künstler Deutschlands gewählt. Die Wahl wurde einen Tag später von den Nazis annulliert, weil sich Nagel zu stark politisch gegen sie engagiert hatte. Hausdurchsuchungen und Inhaftierungen (unter anderem im KZ Sachsenhausen 1936/1937, Häftlingsnummer 1287, Block 8[3]) folgten. 1937 kam Nagel auf Initiative seiner Frau wieder frei, durfte aber in seinem Atelier weiterhin nicht arbeiten. So avancierte er zum Straßenmaler mit Stadtlandschaften des damals noch nicht zerstörten Berlin.[4][1] 1937 wurde in der Aktion „Entartete Kunst“ drei Gemälde Nagels aus öffentlichen Sammlungen beschlagnahmt und vernichtet.[5]

Otto Nagel während einer Ausstellung in Berlin
Otto Nagel während einer Ausstellung in Berlin

Nach Kriegsende lebte und arbeitete Otto Nagel zuerst in Bergholz-Rehbrücke bei Potsdam, wo eine Grundschule später seinen Namen erhielt, ab 1952 in Biesdorf. Dort gibt es eine nach ihm benannte Straße, sowie ein nach ihm benanntes Gymnasium, das Otto-Nagel-Gymnasium (ONG). Nagel verband eine Freundschaft mit der Malerin Ursula Wendorff-Weidt. Ein Meisterschüler Nagels war Harald Metzkes, der die Berliner Malschule begründete.

Otto Nagel auf dem V. Parteitag der SED, 10. Juli 1958
Otto Nagel auf dem V. Parteitag der SED, 10. Juli 1958

1945 gehörte Otto Nagel zu den Mitbegründern des Kulturbundes. Die Zwangsvereinigung von SPD und KPD führte dazu, dass Nagel 1946 Mitglied der SED wurde. Der Kulturbund delegierte ihn als Mitglied der Beratenden Versammlung Brandenburgs. Außerdem war er Mitglied des 1. und 2. Volksrats der SBZ, der Provisorischen Volkskammer und anschließend der Volkskammer der DDR bis 1954. Während der Formalismusdebatte warnte Nagel vor den Gefahren einer ideologisch bornierten Kulturpolitik, die sich u. a. gegen die vermeintliche Dekadenz der Moderne richtete. Von 1956 bis 1962 wirkte er als Präsident der Akademie der Künste der DDR.

Nagel hatte in der DDR eine große Zahl von Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen, u. a. von 1949 bis 1968 auf der 2. bis VI. Deutschen Kunstausstellung in Dresden.

Grab von Otto Nagel und seiner Ehefrau Walli
Grab von Otto Nagel und seiner Ehefrau Walli

Nagels 1916 geschlossene Ehe mit Frieda Kaminski wurde bereits 1920 geschieden.[6] In zweiter Ehe war er mit der russischen Schauspielerin Walentina („Walli“) Nikitina (1904–1983) verheiratet, der er 1925 bei der oben genannten Deutschen Kunstausstellung in Leningrad begegnete.[7] 1943 kam ihre Tochter Sibylle zur Welt (gest. 2015). Die 1916 geborene Tochter Lotte war 1930 an dem sie umgebenden Milieu gescheitert und hatte den Freitod gewählt.[8] Otto Nagel wurde in der Künstlerabteilung des Berliner Zentralfriedhofs Friedrichsfelde beigesetzt, sein von Gerhard Thieme geschaffenes Grabmal steht unter Denkmalschutz.[9] Sein Grab ist Ehrengrab des Landes Berlin. Auf Initiative von Walentina Nagel eröffnete im Juli 1973 das Otto-Nagel-Haus am Märkischen Ufer in Berlin-Ost. Bis 1978 leiteten die Tochter von Otto Nagel Sibylle Schallenberg-Nagel (Kunstwissenschaftlerin) und ihr Mann Götz Schallenberg (Direktor) das Museum.[10] Seit Juli 2019 arbeitet die Journalistin und Enkelin Salka Schallenberg an einem Forschungsprojekt zum Thema „Kulturpolitik in der DDR“. Insbesondere steht dabei Otto Nagel und der Umgang des Staatsapparates mit seinem künstlerischen Erbe im Fokus.[10]


Ehrungen (Auswahl)


Otto Nagel erhält 1957 den Goethe-Preis
Otto Nagel erhält 1957 den Goethe-Preis

Erinnerungsorte


Gedenktafel am Haus Reinickendorfer Straße 67, in Berlin-Wedding
Gedenktafel am Haus Reinickendorfer Straße 67, in Berlin-Wedding
Gedenktafel am Wohnhaus/Atelier von Otto Nagel in der Otto-Nagel-Straße 6 in Berlin-Biesdorf
Gedenktafel am Wohnhaus/Atelier von Otto Nagel in der Otto-Nagel-Straße 6 in Berlin-Biesdorf

Weitere Otto-Nagel-Straßen gibt es in Bautzen, Forst (Lausitz), Frankfurt (Oder), Halle (Saale), Hoyerswerda, Magdeburg und Zwickau, eine Otto-Nagel-Allee in Zeuthen.


Rezeption


„Otto Nagels Persönlichkeit ist unter den deutschen Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts eine ungewöhnliche Erscheinung. In ihr verbinden sich Geist und Tat nicht nur zu einem besonderen künstlerischen Werk, sondern auch zu einer heute bereits historisch gewordenen kulturpolitischen Leistung“

Erhard Frommhold[11]


Werke



1937 als „entartet“ aus öffentlichen Sammlungen beschlagnahmte und vernichtete Werke



Weitere Werke



Tafelbilder (Auswahl)


Druckgrafik (Auswahl)


Pastell (Auswahl)


Ausstellungen



Literatur



Filmografie




Commons: Otto Nagel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Carl-Peter Steinmann: Sonntagsspaziergänge 2. Transit-Buchverlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-88747-286-3, S. 28–29.
  2. Neues Deutschland vom 2. Mai 1979, S. 4
  3. Auskunft Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen Auszug Datenbank 10.03.2021 '
  4. Hans-Rainer Sandvoß: Widerstand in Wedding und Gesundbrunnen. In: Gedenkstätte Deutscher Widerstand (Hrsg.): Reihe Berlin Widerstand 1933 –1945. Berlin 2003, S. 280283.
  5. Datenbank zum Beschlagnahmeinventar der Aktion "Entartete Kunst", Forschungsstelle "Entartete Kunst", FU Berlin
  6. Heiratsregister Standesamt Berlin 13b, Nr. 270/1916
  7. Exakt–Die Story vom 3. Februar 2021 abgerufen am 20. Juni 2021
  8. Die Geschichte Berlins – Otto Nagel
  9. Berliner Landesdenkmalliste: Grabstätte Otto Nagel
  10. Der Künstler Otto Nagel, abgerufen am 27. Juni 2021
  11. Otto Nagel. In: Nagel. VEB Verlag der Kunst, Dresden, 1972, S. 1
  12. Witwe | Otto Nagel | Bildindex der Kunst & Architektur - Bildindex der Kunst & Architektur - Startseite Bildindex. Abgerufen am 19. Oktober 2022.
  13. Mein Bruder der Tischler | Otto Nagel | Bildindex der Kunst & Architektur - Bildindex der Kunst & Architektur - Startseite Bildindex. Abgerufen am 19. Oktober 2022.
  14. Frühschicht | Otto Nagel | Bildindex der Kunst & Architektur - Bildindex der Kunst & Architektur - Startseite Bildindex. Abgerufen am 19. Oktober 2022.
  15. Selbstbildnis | Otto Nagel | Bildindex der Kunst & Architektur - Bildindex der Kunst & Architektur - Startseite Bildindex. Abgerufen am 19. Oktober 2022.
  16. SKD | Online Collection. Abgerufen am 19. Oktober 2022.
  17. Junger Maurer von der Stalinallee | Otto Nagel | Bildindex der Kunst & Architektur - Bildindex der Kunst & Architektur - Startseite Bildindex. Abgerufen am 19. Oktober 2022.
  18. Mädchenbildnis | Otto Nagel | Bildindex der Kunst & Architektur - Bildindex der Kunst & Architektur - Startseite Bildindex. Abgerufen am 19. Oktober 2022.
  19. Der alte Maler | Otto Nagel | Bildindex der Kunst & Architektur - Bildindex der Kunst & Architektur - Startseite Bildindex. Abgerufen am 19. Oktober 2022.
  20. Stale Session. Abgerufen am 19. Oktober 2022.
  21. SKD | Online Collection. Abgerufen am 19. Oktober 2022.
  22. Moskauer Sonntag | Otto Nagel | Bildindex der Kunst & Architektur - Bildindex der Kunst & Architektur - Startseite Bildindex. Abgerufen am 19. Oktober 2022.
  23. Abschied vom Fischerkietz | Otto Nagel | Bildindex der Kunst & Architektur - Bildindex der Kunst & Architektur - Startseite Bildindex. Abgerufen am 19. Oktober 2022.
  24. Ausstellung Otto Nagel im Schloss Biesdorf. Abgerufen im Jahr 2013.
  25. Otto Nagel – Berliner Stadtlandschaften, Porträts und Dokumente. Mitte Museum Berlin, abgerufen am 17. Dezember 2012.
  26. Bernd Schallenberg: Der Künstler Otto Nagel ist zurück. In: artist-otto-nagel.de. 23. Oktober 2022, abgerufen am 23. Oktober 2022.
Personendaten
NAME Nagel, Otto
KURZBESCHREIBUNG deutscher Maler, MdV
GEBURTSDATUM 27. September 1894
GEBURTSORT Berlin-Wedding
STERBEDATUM 12. Juli 1967
STERBEORT Berlin-Biesdorf

На других языках


- [de] Otto Nagel

[en] Otto Nagel

Otto Nagel (27 September 1894 – 12 July 1967) was a German painter, graphic designer and long-time head of the Berlin Academy of Arts who was one of the most prolific artists of East Germany.

[fr] Otto Nagel

Otto Nagel, né le 27 septembre 1894 à Berlin-Wedding (Empire allemand) et mort le 12 juillet 1967 à Berlin-Biesdorf (République démocratique allemande), est un artiste peintre allemand.

[ru] Нагель, Отто

О́тто На́гель (нем. Otto Nagel; 27 сентября 1894, Берлин, Германская империя — 12 июля 1967, Берлин, ГДР) — немецкий живописец и график, профессор, один из наиболее известных художников ГДР. Президент Академии искусств ГДР (1956—1962). Лауреат Национальной премии ГДР (1950).



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