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Jean Tinguely (auch: Jeannot; * 22. Mai 1925 in Freiburg im Üechtland; † 30. August 1991 in Bern; heimatberechtigt in La Roche, Pont-la-Ville und Basel, ab 1985 Ehrenbürger von Freiburg im Üechtland) war ein Schweizer Maler und Bildhauer des Nouveau Réalisme. Er gilt als einer der Hauptvertreter der kinetischen Kunst. Tinguely wurde vor allem durch seine beweglichen, maschinenähnlichen Skulpturen bekannt.

Jean Tinguely, 1963Foto: Erling Mandelmann
Jean Tinguely, 1963
Foto: Erling Mandelmann

Leben und Werk


Als einziges Kind von Charles Célestin Tinguely und Jeanne Louise Tinguely-Ruffieux, wurde er am 22. Mai 1925 in Fribourg geboren. Die Mutter zog mit ihrem Kind im Juli 1925 von Bulle nach Basel.[1] Dort wuchs Tinguely im Gundeldinger-Quartier auf und besuchte zunächst die Schulen in Basel, bevor er von 1941 bis 1944 eine Ausbildung zum Dekorateur absolvierte und Kurse an der Allgemeinen Gewerbeschule Basel belegte. In dieser Zeit lernte er Daniel Spoerri kennen, mit dem er an einem Theaterprojekt arbeitete.

1951 heiratete Tinguely Eva Aeppli (1925–2015), mit der er im darauffolgenden Jahr nach Paris zog. Kurz nachdem Tinguely 1955 in die Impasse Ronsin, nahe Constantin Brâncușis Atelier, gezogen war, lernte er Yves Klein und Niki de Saint Phalle kennen, die er 1971 in zweiter Ehe heiratete, obwohl er bereits seit 1968 eine Beziehung zur Fotografin Micheline Gygax (1944–1991) hatte, die seine dritte Ehefrau wurde.[2]

Mit dem Eisenplastiker Bernhard Luginbühl verband ihn eine langjährige Freundschaft. Mit ihm und weiteren Künstlern sowie mit seiner Frau Niki de Saint Phalle realisierte er diverse gemeinsame Projekte. Zur Verbreitung des Werks von Tinguely trugen wesentlich die Galeristen Iris Clert in Paris und Alexander Iolas in New York bei.

Eos xk III, 1965, beim Israel Museum, Jerusalem
Eos xk III, 1965, beim Israel Museum, Jerusalem

Tinguely hatte bereits in seinem ersten Beruf Drahtfiguren als Schaufenster-Dekorationen eingesetzt. Seine ersten freien Kunstwerke griffen dieses Mittel wieder auf. Erstmals 1954 setzte er diese Figuren in Bewegung. Er begann sein umfangreiches Werk mit zerbrechlichen und zittrigen Draht-Blech-Kompositionen. Die Blechteile besitzen meist eine bunte Bemalung. In seinen Maschinenplastiken griff er abstrakte Elemente von Kasimir Malewitsch, Wassily Kandinsky und Auguste Herbin auf und ging über sie hinaus, indem er „die definitive Farb-Form-Konstellation, bisher eine Selbstverständlichkeit, infrage [stellte]“.[3] 1955 erfand und baute Tinguely Zeichenautomaten, die auf Papierformaten und -bahnen maschinelle Zeichnungen anfertigen konnten. Wenn diese den Stil von Jackson Pollock oder Georges Mathieu nachahmten, „ironisiert [Tinguely] den Werkprozess und das Künstlergenie“.[3] Tinguelys beweglichen Plastiken werden vom Betrachter als höchst aktiv, anrührend, heiter und verspielt, oft als witzig und manchmal auch als melancholisch erlebt. 1960 wurde er Mitglied der Künstlervereinigung der Nouveaux Réalistes, die sich in diesem Jahr unter der Leitung von Pierre Restany gründete. Im selben Jahr begann er «Fundgegenstände» in seinen Werken zu verarbeiten.

Aufsehen erregte ebenfalls 1960 eine gigantische Maschine im Garten des Museum of Modern Art, New York, die aus Schrott zusammengesetzt in der Lage war, sich selbst zu zerstören. Diese autodestruktive Kunst stand im Kontext von Gustav Metzgers „Manifest der autodestruktiven Kunst“.

In den folgenden Jahren entwickelte er – häufig in Kollaboration mit Künstlerkollegen – große, bewegliche Maschinen. Sie werden „als kreativer Umgang mit dem Industriematerial und als zeitgemäßer künstlerischer Ausdruck des Maschinenzeitalters“ verstanden, sollen aber nach der Aussage des Künstlers auch „Kritik an der Gleichförmigkeit industrieller Vorgänge und der Produktion von unnützen Dingen“ darstellen.[3] 1969 hat sich Tinguely auf die Nachfolge von Harald Szeemann als Leiter der Kunsthalle Bern beworben. Aufgrund der mehrheitlich administrativen Aufgaben der Stellung, hat sich der Vorstand aber entschieden, diese nicht mit einem bildenden Künstler zu besetzen.[4] 1977 begann Tinguely mit dem Entwurf von Brunnen, er konzentrierte sich auf die Arbeit mit fließendem, spritzendem und im Winter gefrierendem Wasser. 1979 begannen Niki de Saint Phalle und Tinguely mit den Arbeiten am Tarotgarten in Garavicchio (Toskana). Ab 1981 nahm Tinguely auch tierische Materialien in seine Installationen auf. Knochen, Schädel und Hörner werden auf Motorradschrott montiert, mit dem ein Fahrer bei einem Unfall ums Leben gekommen war. So verweist Tinguely auf Vergänglichkeit und Tod. Nach der Identifizierung der Leiche Josef Mengeles 1986 entsteht das „Mengele-Totentheater“, eine mehrteilige Installation aus dem Schutt eines abgebrannten Bauernhauses. Eine für die Frankfurter Zeil vorgesehene Brunnengestaltung mit einer skelettierten Rinderherde aus Stahl in einem Wasserbassin (Totentanz) wurde wegen einer Erkrankung Tinguelys nicht mehr realisiert.[5]

In seinem Spätwerk erweitert Tinguely seine künstlerischen Ausdrucksformen um den Faktor Licht. 1991 entsteht der Luminator, eine Lichtskulptur für den Bahnhof Basel SBB, die – nach einem Umbau – im Flughafen Basel-Mülhausen (Schweizer Seite im Obergeschoss) gegenwärtig aufgestellt ist.

Grab von Jean Tinguely und Micheline Gygax
Grab von Jean Tinguely und Micheline Gygax

Er nahm mit Niki de Saint Phalle 1962 an der Ausstellung Dylaby in Amsterdam teil und war auf der documenta III in Kassel im Jahr 1964, auf der 4. documenta im Jahr 1968 sowie auf der documenta 6 (1977) als Künstler vertreten. Er genoss internationalen Ruf und erhielt 1976 den Wilhelm-Lehmbruck-Preis der Stadt Duisburg und 1980 den Kunstpreis der Stadt Basel. 1990 fand in Moskau eine Tinguely-Ausstellung in der Tretjakow-Galerie statt.

In seinem letzten Lebensjahr schuf Tinguely die Gross-Hängeskulptur La Cascade in Charlotte (North Carolina) in den USA.

Jean Tinguely starb 1991 im Alter von 66 Jahren im Inselspital in Bern an einer Herzkrankheit. Er ist mit seiner dritten Frau Micheline Gygax auf dem Friedhof von Neyruz, Kanton Freiburg, in der Schweiz begraben, wo er sich 1968 niedergelassen hatte. Auf seinem Grab ist eine bewegliche Installation platziert.

In Tinguelys Heimatstadt Basel ist seit 1996 ein Grossteil seiner Werke in dem nach ihm benannten Museum Tinguely ausgestellt.


Werkauswahl



Fotogalerie Heureka am Zürichhorn



Fotogalerie Carnaval – Fasnachts-Brunnen am Theaterplatz Basel



Dokumentarfilme



Ausstellungen



Siehe auch



Literatur


- chronologisch -



Commons: Jean Tinguely – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Biografie Jean Tinguely | Museum Tinguely Basel. Abgerufen am 2. Oktober 2022.
  2. archive.ph. Abgerufen am 2. Oktober 2022.
  3. Rudolf Suter: Stillstand gibt es nicht. In: Neue Zürcher Zeitung. 16. Februar 2013.
  4. Archiv Kunsthalle Bern. Personalakte Harald Szeemann
  5. Karin: INTERVIEW: Haverkampf über die Zeil. In: moderneREGIONAL. 19. Juli 1998, abgerufen am 2. Oktober 2022 (deutsch).
  6. Charles Wilp: Düsseldorf ‚Vorort der Welt‘. Dazzledorf. Verlag Melzer, Dreieich 1977.
Personendaten
NAME Tinguely, Jean
KURZBESCHREIBUNG Schweizer Maler, Bildhauer und Experimental-Künstler
GEBURTSDATUM 22. Mai 1925
GEBURTSORT Freiburg im Üechtland
STERBEDATUM 30. August 1991
STERBEORT Bern

На других языках


- [de] Jean Tinguely

[en] Jean Tinguely

Jean Tinguely (22 May 1925 – 30 August 1991) was a Swiss sculptor best known for his kinetic art sculptural machines (known officially as Métamatics) that extended the Dada tradition into the later part of the 20th century.[1] Tinguely's art satirized automation and the technological overproduction of material goods.

[es] Jean Tinguely

Jean Tinguely (Friburgo, Suiza, 22 de mayo de 1925–Berna, Suiza, 30 de agosto de 1991) fue un escultor y pintor suizo. Es famoso por sus máquinas escultura o arte cinético, entroncado en la tradición Dada; conocido oficialmente como Méta - Matics. A través de su arte, Tinguely satirizó la sobreproducción sin sentido de bienes materiales por parte de la sociedad industrial avanzada.

[fr] Jean Tinguely

Jean Tinguely, né le 22 mai 1925 à Fribourg et mort le 30 août 1991 à Berne, est un sculpteur, peintre et dessinateur suisse.

[it] Jean Tinguely

Jean Tinguely (Friburgo, 22 maggio 1925 – Berna, 30 agosto 1991) è stato uno scultore svizzero.

[ru] Тенгели, Жан

Жан Тенгели́, или Жан Тэнгли́ (фр. Jean Tinguely; 22 мая 1925, Фрибур, Швейцария — 30 августа 1991, Берн, Швейцария) — швейцарский скульптор, представитель кинетического искусства, вдохновлённого дадаизмом. Его фантастические машины и гигантские саморазрушающиеся конструкции иногда называют метамеханикой.



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