Wolfgang Mattheuer (* 7. April 1927 in Reichenbach im Vogtland; † 7. April 2004 in Leipzig) war ein deutscher Maler, Graphiker und Bildhauer. Neben Werner Tübke und Bernhard Heisig gehört Wolfgang Mattheuer zu den Hauptvertretern der so genannten Leipziger Schule.
Grabstätte Mattheuers auf dem Leipziger Südfriedhof mit Bronzeplastik „Gesichtzeigen“, Juni 2007
Leben
Mattheuers Vater Otto Walter Mattheuer war Buchbinder in dem polygrafischen Großbetrieb Carl Werner, seine Mutter Helene Mattheuer, geborene Spindler, Hausfrau. Wolfgang Mattheuer hatte zwei Schwestern, Gerda und Annerose. Nach dem Schulbesuch in Reichenbach (1933 bis 1941) absolvierte er von 1941 bis 1944 eine Lehre als Lithograph in der Firma Carl Werner in Reichenbach. Erste künstlerische Arbeiten entstanden während der Teilnahme an betriebsinternen Zeichenkursen. Nach Abschluss seiner Ausbildung konnte er ein Studium der Gebrauchsgrafik, das ihm nach einem gewonnenen Wettbewerb in München in Aussicht gestellt wurde, wegen seiner Einberufung zu den Gebirgsjägern nach Salzburg nicht antreten. 1945 wurde Mattheuer an der Front in der Slowakei verwundet und in ein Lazarett nach Prag gebracht. Er geriet in Kriegsgefangenschaft durch die Rote Armee, aus der ihm die Flucht gelang.
1945 kehrte Mattheuer nach Reichenbach zurück und musste sich an der Demontage der Firma Carl Werner beteiligen. Von 1946 bis 1947 besuchte Mattheuer die Kunstgewerbeschule in Leipzig, wo er seiner späteren Frau Ursula Neustädt begegnete. Von 1947 bis 1951 studierte Mattheuer an der Hochschule für Graphik und Buchkunst in Leipzig bei den Professoren Egon Pruggmayer, Walter Arnold und Elisabeth Voigt. Das Studium schloss er mit dem Grafikdiplom ab. Von 1951 bis 1952 arbeitete er als Grafiker bei der „Illustrierten Rundschau“ in Berlin. 1952 kehrte er nach Leipzig zurück, heiratete die Grafikerin Ursula Neustädt und begann eine Lehrtätigkeit an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (1952 bis 1956 Assistent, 1956 bis 1965 Dozent, 1965 bis 1974 Professor). Während seiner Lehrtätigkeit wirkte er auf viele seiner Schüler prägend, z. B. Sighard Gille, Erich Kissing und Wolfgang Peuker. Der Hochschullehrer Wolfgang Mattheuer bewirkte als Mitglied der ersten Absolventengeneration der Hochschule für Grafik und Buchkunst gemeinsam mit seinen Kollegen Bernhard Heisig und Werner Tübke eine Richtungsänderung weg von der Lehre des Sozialistischen Realismus. Diese drei Künstler gelten als Vertreter der sogenannten Leipziger Schule, die ab 1960 für das Kunstschaffen der DDR bedeutsam wurde und die Akademie bekannt und ihre Begründer erfolgreich machte. Auf eigenen Wunsch legte Wolfgang Mattheuer 1974 sein Lehramt nieder und arbeitete fortan nur noch freiberuflich. Ab 1978 war er Mitglied der Akademie der Künste der DDR.
1953 kauften erstmals private Sammler Bilder und Grafiken. 1954 war Mattheuer das erste Mal auf der Leipziger Bezirkskunstausstellung mit Gemälden vertreten. Bis 1985 nahm er regelmäßig an wichtigen Ausstellungen in Leipzig teil. 1958 beteiligte sich Mattheuer mit freier Grafik und Illustrationen an der IV.Deutschen Kunstausstellung in Dresden. Seitdem war er bei allen weiteren DDR-Kunstausstellungen in Dresden vertreten. 1963 fand die erste große Museumsausstellung im Staatlichen Lindenau-Museum in Altenburg statt. 1965 erwarb als erstes Museum die Staatliche Galerie Moritzburg in Halle/Saale unter Heinz Schönemann ein Bild von Wolfgang Mattheuer (Kain, 1965).
1963 freundete sich Mattheuer mit der Studentin seiner Fachklasse Inge Gohrisch (Brüx) an. 1966 wurde Mattheuers Sohn Richard Gohrisch (Brüx) geboren.
Seit 1962 wohnte und arbeitete er außer in seinem Reichenbacher Elternhaus auch in einer Altbauwohnung am Clara-Zetkin-Park in Leipzig, in der zwei 4,20m hohe Zimmer ihm und seiner Frau als Atelier dienten. Nachdem er anfangs nur als Maler und Grafiker tätig gewesen war, schuf er seit 1971 auch plastische Arbeiten. Sein bekanntestes Werk war dabei die Plastik Der Jahrhundertschritt (1984), in der er eine Bilanz der gesellschaftlichen Widersprüche des 20. Jahrhunderts zieht. Der Gegensatz von Faschismus, Sozialismus, Barbarei und Reaktion fordert vom Betrachter eine eigene Einschätzung. 1974/75 fand in der Galerie Neue Meister parallel zur großen Caspar-David-Friedrich-Ausstellung eine Personalausstellung Wolfgang Mattheuer statt. 1977 war Mattheuer an der documenta 6 in Kassel beteiligt, als es dort um das Thema Neue realistische Kunst ging und er als Vertreter des Sozialistischen Realismus des anderen deutschen Staates vorgestellt wurde. 1984 nahm er an der 41.Biennale in Venedig teil.
Inspiration für seine Arbeiten fand Wolfgang Mattheuer bei Caspar David Friedrich, bei den alten holländischen Malern, aber auch bei Künstlern des 20. Jahrhunderts wie Picasso, Léger, Magritte, Beckmann und Hofer. Die Inhalte von Mattheuers Werk speisten sich aus allem, was er sah, las und erlebte. Sein Hauptthema war die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit, im eigenen Land, aber auch weltweit, stets schwankend zwischen Hoffnung und Zweifel, Widerstand und Resignation.
Am 7. Oktober 1988, dem Nationalfeiertag der DDR (ein Jahr vor der Wende) trat er mit einem offenen Brief aus der SED aus, der er 1958 – nach Chruschtschows forcierter Entstalinisierung – beigetreten war. Umfangreiche Akten der Staatssicherheit belegen, dass Mattheuer seit den 1960er-Jahren bespitzelt und gegen Ende der DDR sogar als Staatsfeind eingestuft wurde. Im Jahr 1989 beteiligte sich Mattheuer aktiv an den Leipziger Montagsdemonstrationen.
Wolfgang Mattheuer starb am 7. April 2004 in der ersten Stunde seines 77. Geburtstages an Herzversagen, nachdem er eine Woche zuvor wegen einer beim Sturz gebrochenen Hand ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Leipziger Südfriedhof (II. Abteilung).
Wolfgang Mattheuer galt als Chronist der Gesellschaft. Nach seinem Tod wurde im Jahr 2006 die Ursula Mattheuer-Neustädt und Wolfgang Mattheuer Stiftung mit Sitz in Leipzig gegründet. Anliegen und Zweck der Stiftung ist es, das künstlerische Werk beider Künstler zu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Darüber hinaus sollen das Wirken von Wolfgang Mattheuer als akademischer Lehrer und seine Ausstrahlung auf Schüler und künstlerische Nachfahren hervorgehoben werden.
Preise und Auszeichnungen
1968 – Kunstpreis der Stadt Leipzig
1973 – Kunstpreis der DDR
1975 – Nationalpreis der DDR, II. Klasse
1984 – Nationalpreis der DDR für Kunst und Literatur, I. Klasse
1993 – Verleihung des Verdienstkreuzes I. Klasse zum Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland durch Richard von Weizsäcker
2003 – Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg
2004 – Verleihung der Ehrenmedaille der Stadt Leipzig (posthum)
Ehrungen
Auf Beschluss des Leipziger Stadtrates[2] erhielt 2011 eine neue Straße im Ortsteil Probstheida den Namen Mattheuerbogen.
Werke
Bronzeplastik „Der Jahrhundertschritt“ in Potsdam auf dem Hof des Kutschstalls„Der Jahrhundertschritt“ – Eisenabguss vor dem Haus der Geschichte in BonnBronze-Statue „Gesichtzeigen“ auf dem Markt von Reichenbach/VogtlandRückansicht der Bronzeplastik
Das Werk Wolfgang Mattheuers umfasst 740 Gemälde, mehr als 5500 Zeichnungen, circa 850 Druckgrafiken[3] sowie 50 Plastiken und Objekte.[4]
Zeichnungen (Beispiel)
1981 – Prometheus verlässt das Theater oder Das Ende der Aufklärung Bleistift 60 × 80,2 cm, Privatbesitz.
1967 – Adam wartet, 118 × 96 cm, Staatliche Galerie Moritzburg Halle/Saale.
1968 – Tauwetter (erste Fassung) 50 × 70 cm, Privatbesitz.
1969 – Das große Dachfenster
1970 – Schwebendes Liebespaar, 96 × 118 cm, Staatliches Museum Schwerin,
1971 – Das blaue Leipzig, 119,5 × 96 cm, Museum der bildenden Künste Leipzig.
1971/72 – Osterspaziergang II, 58 × 89 cm, Museum Moderne Kunst Wien.
1972 – Die Flucht des Sisyphos, 96 × 118 cm, Galerie Neue Meister Dresden.
1973 – Ein weites Feld, 105 × 129 cm, Nationalgalerie Berlin.
1973 – Hinter den sieben Bergen, 170 × 130 cm, Museum der bildenden Künste Leipzig.[5]
1973/74 – Die Ausgezeichnete, 125 × 100 cm, Nationalgalerie Berlin.
1979 – Unterbuchwald, 85 × 70 cm, Privatbesitz.
1986 – Draußen, Drinnen und Ich, 200 × 200 cm, Nationalgalerie Berlin, Leihgabe Sammlung Fritz P. Mayer
1985 – Geh aus deinem Kasten, 147 × 253 cm, Sprengel-Museum Hannover.
2002 – Nichts Neues im neuen Jahrhundert
Plastiken (Auswahl)
1975 – Sisyphos im Rad
1979 – Verstrickt
1981 – Mann mit Maske (Maskenmann). – In Erinnerung an die Montagsdemonstrationen wurde die in mehreren Güssen verbreitete Plastik in Leipzig in Gesichtzeigen umbenannt. Die Heilbronner Kopie behielt ihren ursprünglichen Namen.[6]
Weitere Güsse der Bronze: Nationalgalerie, Berlin; Museum der bildenden Künste, Leipzig; Südfriedhof, Grab von Wolfgang Mattheuer; Stadt Heilbronn; Reichenbach im Vogtland, Marktplatz vor dem Rathaus
Weitere Abgüsse: Haus der Geschichte, Bonn (Eisen); Grundkreditbank, Berlin (Eisen); Stiftung Moritzburg, Halle/Saale (Bronze); Museum Ludwig, Oberhausen (Bronze); Zeitgeschichtliches Forum, Leipzig (Bronze); Solbrigplatz, Reichenbach im Vogtland
St. Petersburg, Museum Ludwig im Russischen Museum
Weimar, Klassik Stiftung Weimar, Neues Museum und Schloßmuseum
Wien, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig
Würzburg, Museum am Dom
Ausstellung (Beispiel)
„Wolfgang Mattheuer - das druckgrafische Werk“, Rathausgalerie Grimma, 17. November 2018 – 13. Januar 2019[7]
Film
Wolfgang Mattheuer, Regie: Reiner E. Moritz, Dokumentation 51 Min., Arthaus Musik GmbH 2009 (1991), ISBN 978-3-941311-78-7
Publikationen (Auszug)
1974: Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Hrsg.): Wolfgang Mattheuer, Ausstellungskatalog Gemäldegalerie Neue Meister – Albertinum, Dresden, mit dem Text von Joachim Uhlitzsch: „Der ungewöhnliche Realismus Wolfgang Mattheuers“
1997: Ursula Mattheuer-Neustädt: Bilder als Botschaft – Die Botschaft der Bilder, Betrachtungen zum Werk bei Faber & Faber, Leipzig
2002: Ingrid Mössinger, Kerstin Drechsel (Hrsg.): Wolfgang Mattheuer, Ausstellungskatalog Retrospektive Kunstsammlungen Chemnitz, Seemann-Verlag, Leipzig
2005: Edition Galerie Schwind: Wolfgang Mattheuer – Werkverzeichnis der Plastiken und Objekte, Frankfurt a. Main
2005: Suermondt-Ludwig-Museum Aachen: Wolfgang Mattheuer – Ikarus, der Unerkannte und der Jahrhundertschritt, Ausstellungskatalog Zeichnungen aus Privatbesitz, Aachen
2007: Museum der bildenden Künste Leipzig: Wolfgang Mattheuer – Abend, Hügel, Wälder, Liebe. Der andere Mattheuer, Ausstellungskatalog
2008: Ingrid Mössinger, Kerstin Drechsel (Hrsg.): Wolfgang Mattheuer – Flugversuch, Ausstellungskatalog der Retrospektive der Zeichnungen, Edition Minerva, München
2009: Jürgen Lennsen (Hrsg.): Wolfgang Mattheuer – Jahrhundertschritt, Katalog der Ausstellung im Museum am Dom, Würzburg
2010: Ingrid Mössinger, Kerstin Drechsel (Hrsg.): Wolfgang Mattheuer, Das druckgrafische Werk – Schenkung Hartmut Koch, Bestandsverzeichnis des druckgrafischen Werkes (deutsche und englische Ausgabe), Wienand-Verlag, Köln, ISBN 978-3-86832-031-2
Literatur
Anja Hertel: Wolfgang Mattheuer – Die politische Landschaft. Marburg 2014, 369 Seiten, ISBN 978-3-8288-3302-9.
Annette Müller-Spreitz: Anpassung und Autonomie – Die Bildtitel bei Wolfgang Mattheuer 1950 bis 1990. Leipzig 2018, 387 Seiten. ISBN 978-3-96023-153-0[8]
Stefanie Michels (Hrsg.), Eduard Beaucamp, Annette Müller-Spreitz (Autoren): Wolfgang Mattheuer – Bilder als Botschaft. Werkverzeichnis der Gemälde 1950-2003. Leipzig 2017, 367 Seiten, ISBN 978-3-932830-71-6
Kirsten Leuenroth (Hrsg. und Redaktion): Wolfgang Mattheuer – Werkverzeichnis der Plastiken und Objekte. Frankfurt am Main 2005. ISBN 3-932830-51-2
Anke Scharnhorst:Mattheuer, Wolfgang. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band2. Ch.Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
Wolfgang Hütt: Wolfgang Mattheuer. Maler und Werk. Verlag der Kunst. Dresden 1975
Wolfgang Mattheuer, Joachim Uhlitzsch, Ausstellungskatalog Gemäldegalerie Neue Meister Dresden, 1975
Klaus Eberhard: Zu Gast bei Mattheuer und Rauch – Tagebuch eines Leipziger Kunstsammlers, E.A. Seemann Verlag, Leipzig 2012, ISBN 978-3-86502-292-9
Ratsversammlung vom 18. Mai 2011 (Beschluss-Nr. RBV-822/11), amtliche Bekanntmachung: Leipziger Amtsblatt Nr. 11 vom 4. Juni 2011, bestandskräftig seit dem 5. Juli 2011 bzw. 5. August 2011. Vgl. Leipziger Amtsblatt Nr. 16 vom 10. September 2011.
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