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Als Pazzi-Madonna oder Madonna Pazzi wird ein hochformatiges Flachrelief bezeichnet, das aus dem Palast der Familie Pazzi in Florenz stammen soll. Die Provenienzgeschichte des Werks ist umstritten. Das Werk stammt aus der Hand Donatellos. Es wird auf circa 1420 datiert. Naturgetreue Darstellung der Figuren und die zentralperspektivische Ausrichtung der werkimmanenten Rahmung greifen wesentliche Elemente der frühen Renaissance-Skulptur auf.[1] Dargestellt in inniger Umarmung, die Köpfe im Profil aneinandergelegt, sind die Madonna und das Jesuskind. In dieser Geste sind Zärtlichkeit und Trauer der Gottesmutter vereint. Ihr Wissen um den frühen Opfertod ihres Sohnes ist in der Darstellung mit abgebildet. Der Erfolg der Komposition lässt sich an den vielen Repliken in Bildhauerei und Malerei ablesen. Das Werk ist Teil der Skulpturensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin und befindet sich im Bode-Museum.

Pazzi-Madonna, Donatello (1386–1466), circa 1420, Relief, Marmor, 74,5 × 73 × 6,5 cm, Bode Museum, Berlin.
Pazzi-Madonna, Donatello (1386–1466), circa 1420, Relief, Marmor, 74,5 × 73 × 6,5 cm, Bode Museum, Berlin.

Beschreibung


Das 74,5 × 73 × 6,5 cm große Marmorrelief ist in einem hochrechteckigen Format angelegt. Madonna und Kind sind lebensgroß in einer den Regeln der Zentralperspektive folgenden Fensterarchitektur dargestellt, die einen dreidimensionalen Bildraum erzeugt. Zentrales Bildthema ist die innige Beziehung zwischen Mutter und Kind.

Die stehende Halbfigur der Madonna ist von der Brüstung der Fensterarchitektur auf Hüfthöhe abgeschnitten und nimmt einen Großteil der linken Relieffläche ein. Sie zeigt sich dem Betrachter nach links unten gewandt im Profil. Ihr Körper ist von einem schweren Mantel mit unbewegtem Faltenwurf umhüllt. Um ihren Hals und Schulterbereich ist ein zarter Schleier gelegt, der sich durch einen feineren Faltenwurf auszeichnet. Der Schleier liegt locker auf ihren Hinterkopf auf und verläuft hinter ihrem Ohr. Er verdeckt das im Stirnbereich sichtbare, leicht gewellte und weich ausgearbeitete Kopfhaar der Madonna. Ihr Kopf überschneidet die obere „Nischenarchitektur“ und verstärkt dadurch den Eindruck von Tiefe. Der Gesichtsausdruck ist einer Skulptur ähnlich und regungslos. Ihre Gesichtszüge sind idealisiert: In einer geraden Linie verläuft die Stirn zur Nase, ihre Augen sind abstrakt und ohne Pupillen, der Mund ist unbewegt. Ihre Stirn ist zärtlich an die des Jesusknaben gelegt, den sie vor sich hält und durch ihre linke Hand stützt. Mit der rechten Hand zieht sie ihn sanft an der Schulter an sich. Ihre gesamte Körperhaltung ist nach innen auf das auf Brusthöhe an sich gezogene Kind ausgerichtet. Das Profil ihrer Nase und Stirn überdeckt das des Kindes. Der betrübte Blick der Madonna wird durch die weit geöffneten Augen des Jesusknaben direkt erwidert. Das im Profil dargestellte Gesicht des Kindes ist durch eine deutlich weichere Formensprache ausgezeichnet als das der Mutter. Die Lippen sind leicht geöffnet, was dem kindlichen Gesicht Lebhaftigkeit verleiht. Mit dem linken Arm greift das Jesuskind unterhalb ihres Kinns in den Schleier seiner Mutter. Der kindliche Körper, der sich im Dreiviertelprofil zum Betrachter wendet, ist mit einem Hemdchen mit langen Ärmeln bis zu den Oberschenkeln bedeckt.[2] Das linke leicht angewinkelte Bein ruht mit dem Fuß auf der Brüstung der zentralperspektivisch konstruierten Fensterrahmung. Von dem rechten Bein, welches teilweise hinter dem linken hervorschaut, ist beinahe nur die Unterseite des Fußes zu sehen. Dennoch scheint die Bewegung der Figuren auf ein Minimum reduziert. Besonders der schwere Faltenwurf des Umhangs der Gottesmutter wirkt statisch. Hauptaugenmerk liegt auf der Beziehung zwischen Mutter und Kind, die durch die völlige Abgeschlossenheit der Figuren zur Außenwelt gesteigert wird. Die werkimmanente Rahmung lässt Mutter und Kind wie in einem realen Fenster oder in einer Nische stehend erscheinen. Die in der Rahmenarchitektur eingelassenen rechteckigen Vertiefungen unterstützen in ihrer Linienführung die zentralperspektivische Ausrichtung der Nische. Der Blick wird durch einen Bogen, der entlang des Schleiers der Maria über den Arm des Jesuskindes verläuft, auf die sanft aneinandergelegten Köpfe geleitet. Die dominierenden Geraden der Nischenarchitektur werden durch die Schräge der aneinandergelegten Profile aufgebrochen, was den Blick abermals auf die intime Geste lenkt.


Komposition


Die Komposition der Pazzi-Madonna kann auf den byzantinischen Madonnentyp der Eleusa zurückgeführt werden, bei der das Kind seinen Kopf an die Wange seiner Mutter legt. Dabei wurde das Thema in der Renaissance stets neu formuliert und die Form der Umarmung abgewandelt. So auch bei der Pazzi-Madonna: Madonna und Kind haben ihre Köpfe Stirn an Stirn aneinandergelegt. Kecks stellt sie an den Beginn einer in der italienischen Renaissance immer neu formulierten Bildthematik von sich umarmenden Mutter und Kind.[3] Anhand der Vielzahl von Reproduktionen kann ein gewisser Erfolg der Komposition der Pazzi-Madonna als Vorreiter für spätere Werke gesehen werden.[1]

Die im Trecento dominierende Darstellungsweise, Madonna und Kind als göttliche Wesen „[…] einer konkret faßbaren [sic!] Erscheinung ebenso wie einem realen Bereich entrückt, […]“[4] abzubilden, wird im Quattrocento aufgebrochen.[4] Die zu Beginn des Quattrocento angestrebte Darstellung von inniger Beziehung und naturgetreue Vermenschlichung von Mutter und Kind wird in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts durch ein zeitgenössisches, repräsentatives Madonnenideal verdrängt.[5] Der weltliche Bezug bei der Pazzi-Madonna ist vor allem durch den „[…] bildimmanente[n] gestalterische[n] Rahmen um Madonna und Kind.“[4] verstärkt, wie Ronald Kecks bemerkt. Die nach unten abschließende Brüstung dient nicht nur als Abschluss der halbfigurigen Komposition, sondern stellt Reliefgrund und Rahmen in einen inhaltlichen Zusammenhang. Madonna und Kind erscheinen in einer Fensterarchitektur, die nicht in einer himmlischen Sphäre verortet ist. Diese Einbindung der kompositorischen Rahmung stellt die Pazzi-Madonna als besonders neuartig heraus.[4] Zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurde die Madonna überwiegend vor einem Goldgrund dargestellt. Madonna und Kind in einen architektonischen greifbaren Rahmen zu setzen spricht für die moderne Ausrichtung der Pazzi-Madonna.[6] Ronald Kecks sieht das Relief als Vorreiter für eine Komposition „[…], die die Madonna als stehende Halbfigur mit dem vor ihr auf einer Brüstung angeordneten Knaben dem Betrachter erscheinen läßt.“[7], die bis zur Jahrhundertmitte zu einem von drei dominierenden Darstellungsformen in halbfigurigen plastischen Bildkompositionen zählt.[4] Auch das Bildthema behandelt bis zur Jahrhundertmitte häufig Madonna und Kind in enger gegenseitiger Umarmung.[4] Im Kontrast zu diesem angestrebten weltlichen Bezug sieht Anna Jolly das sehr klassisch wirkende Gesicht der Madonna, welches mit den Ansprüchen der Renaissance bricht, die Figuren möglichst natürlich und menschlich darzustellen.[8]

Die Pazzi-Madonna hebt sich zudem durch die Verwendung der Zentralperspektive hervor. Die zentralperspektivische Ausrichtung der bildimmanenten Nische wurde in der Forschung besonders als Zeichen für Innovativität gewertet.[1] Innovativ, weil die Zentralperspektive erst 1415 entdeckt wurde. Als Vorreiter bei der Entwicklung der geometrisch konstruierbaren Perspektive gilt Fillippo Brunelleschi. Donatello verwendete die Zentralperspektive zum ersten Mal 1417 in der Predella der St. Georg Skulptur, die er für die Kirche Orsanmichele (Florenz) schuf. Da der Entstehungszeitraum der Pazzi-Madonna auf ca. 1420 geschätzt wird, stellt sie ebenfalls einen sehr frühen Einsatz der Zentralperspektive dar. Die Fluchtlinien der Nische laufen in einem Fluchtpunkt zusammen, wodurch der Bildraum wie eine Erweiterung des realen Raumes wirkt. Nur die obere und seitliche Nischenarchitektur ist dabei zentralperspektivisch korrekt ausgerichtet. Die Nische ist perspektivisch stark verkürzt, was auf einen ursprünglich höheren Aufhängungsort schließen lassen kann.[1]

Auch die Umsetzung des Themas als Flachrelief (typisch war das halbfigurige Hochrelief), besonders aber die perspektivische Gestaltung des Hintergrundes als Innenraum, unterscheidet die Madonna von ähnlichen Werken.[9] Die durch die zentralperspektivische Nischenarchitektur gegebene Tiefenwirkung wird durch die Technik des „rilievo schiacciato“ (ital. für „gepresstes Relief“) unterstützt. Eine aus der Antike von Vasen und Münzprägungen stammende Technik, die Donatello als erster zur Gestaltung von Marmorreliefs verwendet hat. Die physische Tiefe der Figuren wird stark reduziert, stattdessen werden verschiedene Eigenschaften wie überlappende Oberflächen genutzt, um Tiefe zu erzeugen.[10] Die Figuren überschneiden beide die werkimmanente Nische und gewinnen damit an Dreidimensionalität. Der Kopf der Madonna überschneidet die obere Nischenarchitektur, während ihr schweres Gewand im linken unteren Bereich die Kante der unteren Nische, die auch als Brüstung bezeichnet werden kann, teilweise bis über die Hälfte überlappt. Das Jesuskind „stützt“ sich mit dem linken Fuß auf der Brüstung ab. Das Fehlen der physischen Tiefe wird durch Unterschneidungen der Konturen ausgeglichen. Die Kontur des Profils der Madonna hebt sich anhand einer deutlichen Schattenbildung von dem des Kindes ab und erzeugt dadurch, neben der Überlappung der beiden Profile, eine Tiefenwirkung.

Ein weiterer Verweis auf Innovativität könnte die Verwendung von monochromem Marmor sein. Dieser stünde im Kontrast zu den häufig farbig gefassten bildhauerischen Werken zum Anfang des florentinischen 15. Jahrhundert.[1] Zudem könnte die Oberflächenstruktur des Marmors in die Form eingearbeitet sein, indem die Kontur der Nase der Madonna entlang einer weißen Marmorader verläuft.[11] Den meisten Varianten wurden natürliche Farben hinzugefügt. Ebenso wurde auch die perspektivische Nische nur selten übernommen.[11] Zu dieser ungewöhnlichen Farblosigkeit des Reliefs tritt das abermals ungewöhnliche Fehlen der Nimben. Ob sich dies daran ableiten lässt, dass Donatello sich beim Erschaffen der Pazzi-Madonna, an einem antiken Werk als Vorbild bedient hat[12] oder das Fehlen der Heiligenscheine und Embleme die Nähe und Menschlichkeit der Figuren unterstreichen soll[6] ist bislang ungeklärt.[1]


Kopien


Orlandini-Madonna, Michelozzo (1396–1472), ca. 1426, Relief, Marmor, Bode Museum, Inv. SKS 55, Berlin.
Orlandini-Madonna, Michelozzo (1396–1472), ca. 1426, Relief, Marmor, Bode Museum, Inv. SKS 55, Berlin.
Madonna und Kind (Kopie der Pazzi Madonna), aus der Werkstatt Donatellos, um 1450, Flachrelief, polychromes Gesso, 70 cm × 53 cm, Musée du Louvre, Inv. Nr. RF 744, Paris.
Madonna und Kind (Kopie der Pazzi Madonna), aus der Werkstatt Donatellos, um 1450, Flachrelief, polychromes Gesso, 70 cm × 53 cm, Musée du Louvre, Inv. Nr. RF 744, Paris.

Die Komposition der Pazzi-Madonna findet sich in einer Vielzahl von bildhauerischen Werken wie in der florentinischen Malerei wieder. Neville Rowley sieht den Erfolg der Komposition vorrangig in der sehr privaten und zarten Geste der aneinander gelegten Köpfe begründet, welche die gemischten Gefühle der Madonna besonders hervorheben. Derzeit sind über fünfzehn weitere Versionen der Pazzi-Madonna bekannt.[1] Von vielen Marmor- und Terracottareliefs, wie auch von der Pazzi-Madonna, wurden Abgüsse und Reproduktionen aus günstigeren Materialien wie Gips erschaffen.[13] Bei der Pazzi-Madonna im Bode-Museum handelt es sich jedoch um die einzige bekannte Marmorversion der Komposition.[14]

Besonders frühe Reproduktionen haben neben den Figuren häufig auch die werkimmanente Nischenarchitektur übernommen, dabei aber häufig die perspektivische Ausrichtung dieser nur abgeschwächt aufgegriffen.[1] Andere sind eher stilistische Reinterpretationen. So wurden den meisten Stucco-Abgüssen gemalte oder eingeritzte Heiligenscheine hinzugefügt, um dem eher traditionellen Geschmack des 15. Jahrhunderts entgegenzukommen.[12] Zudem wurden häufig natürliche Farben hinzugefügt.[11] Aufgrund der vielen Reproduktionen sei es wahrscheinlich, dass die Pazzi-Madonna für Florentiner Künstler des Quattrocento leicht zugänglich war.[1]

Zu den frühen Nachahmern zählt die Orlandini-Madonna in den Berliner Museen, welche möglicherweise von Michelozzo stammt und auf ca. 1426 datiert wird. Einige farbig gefasste Varianten befinden sich im Rijksmuseum (Amsterdam), im Musée du Louvre (Paris) und im Victoria and Albert Museum[15] (London). Ein Auflistung weiterer Repliken der Pazzi-Madonna findet sich im digitalen Inventareintrag der Staatlichen Museen zu Berlin.[1]

Maria met kind, type ‘Madonna dei pazzi’, tondo, Donatello, 1386–1466, Relief, Stucco, 70 cm × 103 cm × 11 cm, Rijksmuseum, Obj. Nr. BK-NM-11935, Amsterdam.
Maria met kind, type ‘Madonna dei pazzi’, tondo, Donatello, 1386–1466, Relief, Stucco, 70 cm × 103 cm × 11 cm, Rijksmuseum, Obj. Nr. BK-NM-11935, Amsterdam.

Ikonografie


Dem ikonographischen Typus entsprechend und durch formale Gestaltung der Zuwendung bedingt, ruhen die Köpfe von Madonna und Kind Stirn an Stirn.[9] Das beliebte Bildthema, bei dem das Jesuskind seinen Kopf in enger Umarmung an die Wange der Mutter schmiegt, geht auf den seit dem Dugento in Italien immer beliebter werdenden byzantinischen Madonnentyp der Eleusa zurück.[16] Trotz der Hinwendung zu einer deutlich naturalistischeren und weltlicheren Darstellungsweise von Mutter und Kind, wurden doch einige wesentliche Gestaltungsaspekte „von einzelnen sehr viel älteren, byzantinischen Madonnenbildern“[17] in Madonnenrelief-Kompositionen des Quattrocento aufgegriffen.[17] In der dem Betrachter entgegenstreckten rechten Fußsohle des Kindes findet sich ebenfalls ein Verweis auf frühere Madonnen-Ikonen. Das Motiv der sichtbaren rechten Fußsohle des Kindes tritt häufig in byzantinischen Madonnendarstellungen wie der Eleusa oder auch den synonym verwendeten und zur Gruppe der Eleusa gehörenden Glykophilusa-Typus[18] auf.[19]

Ein „trauriger Ernst und tiefe Schwermut“[20] im Gesichtsausdruck der Madonna zeugen von der angstvollen Vorahnung um das Schicksal ihres Sohnes. Die wesentliche Bildaussage im Hausandachtsbild des Florentiner Quattrocento geht über die Darstellung der innigen Beziehung zwischen Mutter und Sohn hinaus. Dahinter verborgen und durch den melancholischen Ausdruck der Madonna sichtbar gemacht, ist der Hinweis auf die Passion, den Opfertod Christi. Damit ist auch die für Gläubige wichtige Verheißung auf die Erlösung durch die Auferstehung Christi verbunden.[20]

Heilsgeschichtliche Hinweise können ebenso in den Gesten des Kindes erkannt werden. So kann das Einhüllen des Kindes in den Mantel der Madonna im übertragenen Sinne auch als Zurückschrecken vor dem angekündigten Schicksal, dem Kreuzestod, aufgefasst werden.[20] Die Gesten im Hausandachtsbild des Quattrocentos stehen nie ausschließlich für den christlichen Gehalt der Darstellung. Die Bildaussage ist symbolisch durch diese unterstrichen.[21] So drückt sich in den Gesten des Kindes, welches sich der Madonna über die Umarmung hinaus zuwendet, mehr als ein typisch kindliches Verhalten aus.[3] Der Griff in ihr Gewand, welcher nicht nur die Verbindung zwischen Mutter und Sohn formal stärkt, versteht Kecks als „ein Zeichen der Inbesitznahme Mariens durch das Göttliche“.[21] In dieser Geste verbirgt sich ein Hinweis auf Maria als „[…] Ersterlöste ihres Sohnes, als die neue Eva, frei von der Erbsünde ist, und ebenso auf ihre Stellung als,Königin der Märtyrer‘, da sie ihren Sohn zum Heile der Menschheit opferte.“[21] In der engen, durch Gesten unterstützten Verbindung zwischen Mutter und Kind sei die bedeutende Rolle der Maria im Erlösungswerk aufgegriffen. In der engen Verbindung von Madonna und Kind sei die Verbindung von Christus und der Ecclesia, die Kirche dargestellt, die Maria verkörpert.[21]

Auffällig bleibt zudem das in der Literatur oft als griechisch klassisch beschriebene Profil der Madonna. Im Forschungsdiskurs wird mehrfach auf die Möglichkeit verwiesen, Donatello habe sich an einem ikonographischen Prototypen aus der Antike orientiert.[22][12][23] Anna Jolly schlägt einen attischen Stelai (Grabtypen) von Müttern, die während der Geburt gestorben sind vor.[22] Der melancholische Gesichtsausdruck der Madonna, sowie ihr klassisch anmutendes Profil, könnten beide in Verbindung mit einem solchen antiken Vorbild gesetzt werden. Zusätzlich könnte die Orientierung an einem antiken Vorbild für Jolly auch das ungewöhnliche Fehlen von Nimben erklären.[12] Als Gegenvorschlag zu Jolly lässt sich hier John Pope-Hennessy heranziehen, welcher das auffällige Fehlen von Heiligenscheinen und Emblemen als bewusst gesetzte Lehrstellen wertet, um Madonna und Kind näher an der Lebensrealität der Menschen darzustellen. Damit einhergehend, sowie in der schützenden Beziehung von Mutter und Kind unterstützt, sieht er einen Verweis auf die damals hohe Kindersterblichkeit.[6] Neville Rowley widerspricht diesen Vorschlägen, die Pazzi-Madonna habe einen antikes Vorbild gehabt. Ausschließlich dem Motiv der rechten, nach vorne gestreckten Fußsohle des Christuskindes, spricht er einen direkten byzantinischen Ursprung zu.[1]


Namensgebung und Provenienz



Namensgebung


Der Name „Pazzi-Madonna“ leitet sich von einer bisher ungeklärten Provenienz ab, laut der das Relief aus dem Garten des Hauses des Francesco Pazzi stammt. Diese Herkunft des Reliefs geht zurück auf eine Beschreibung von Francesco Bocchi aus dem Jahr 1677. Der Palazzo Pazzi della Congiura, bei dem es sich vermutlich um das Haus des Francesco Pazzi handelt, auf das sich Bocchi in seiner Beschreibung bezieht, war der Florentiner Hauptsitz der Familie Pazzi.[24] Die Beschreibung lautet:

“Casa di Francesco Pazzi nella quale è una bellissima Vergine di Basso rilievo in marmo di mano di Donatello: è il bambino Giesù a sedere sopra un Guanciale, e con la destra la Vergine il sostiene mentr’egli con la sinistra alzata regge i lembi del velo che dal capo della Madonna pendono; E’ vaga in ogni sua parte, ed i panneggiamenti sono bellissimi, esprime la Vergine l’affetto verso il figliuolo, con grande arte, ed è tale, che nelle divise seguite tra Pazzino, la prese Alessandro Padre di Francesco per sc. 500. Secondo la stima che n e fu fatta.”

„Im Haus von Francesco Pazzi befindet sich eine schöne Marmor-Madonna in Flachrelief von Donatello; das Christuskind, auf einem Kissen sitzend, wird von der rechten Hand der Jungfrau gestützt, während er mit seiner erhobenen linken Hand den Schleier hält, der von ihrem Haupt herabhängt. Die Madonna ist in allen Teilen bezaubernd, die Draperien sind sehr schön, und die Zärtlichkeit der Jungfrau zu ihrem Sohn ist mit großer Kunst ausgedrückt und ist so, dass Alessandro, der Vater von Francesco, es in der folgenden Folge für 500 Scudi nach der Schätzung, die gemacht wurde, gekauft hat.“

Neville Rowley[25][26]

Wie von vielen Kritikern angemerkt, sitzt das Kind weder auf einem Kissen, noch wird es von der rechten Hand der Madonna gehalten, weshalb die Zuschreibung anhand der Beschreibung von Bocchi als allgemein fragwürdig gilt.[14] Auch Vorschläge für weitere mögliche Provenienzen blieben bisher unbestätigt. Dennoch sei das Werk unter dem Namen Pazzi-Madonna inzwischen zu bekannt geworden, um ihn wieder zu ändern.[1]


Provenienz


Wilhelm von Bode erwarb das Relief im Februar 1886[27] für einen Preis von ca. 20.000 Mark von dem Florentiner Kunsthändler Stefano Bardini für die königlich preußische Kunstsammlung.[14] Laut Bardini stamme das Werk aus der Kapelle der Casa Pazzi in der Borgo degli Albizi (Florenz), welche zudem an die Via dell’Oriuolo angrenzt. Als Florenz für den Zeitraum 1865–1870 zur Hauptstadt Italiens wurde, hätten Behörden des neuen Königs Italiens die Casa Pazzi gekauft und für das Bankgeschäft umgebaut. Die weibliche Pazzi Patriarchin wäre in diesem Zusammenhang aufs Land gezogen und hätte das Relief mitgenommen, wo es bis zu ihrem Tod blieb. Die Erben brachten es zurück nach Florenz, wo es als wertlos bewertet wurde. Diese verkauften das Relief für 1000 Lire an den Oberst der Carabinieri Reali und Kunstsammler Raffaello Ettore Lamponi[28], von dem Bardini schließlich das Relief erworben hat.[27]

Lynn Catterson stellt in ihrer Untersuchung zu den Handelsbeziehungen zwischen Bode und Bardini fest, dass die Geschichte der Besitztümer der Familie Pazzi diesen Provenienzangaben Bardinis widerspricht.[27] Lediglich gesichert ist, dass Bardini das Relief von Raffaello Ettore Lamponi erworben hat.[28] Die Familie Pazzi besaß mehrere Gebäudekomplexe und Grundstücke in Florenz. Es scheint unwahrscheinlich, dass die „Casa Pazzi“, auf welche sich Bardini beruft, mit der Angabe Francesco Bocchis aus dem Jahr 1677 übereinstimmt. Bocchi bezieht sich in seiner Beschreibung auf das Haus des Francesco Pazzi, wobei es sich vermutlich um den Palazzo della Congiura handelt, welcher nicht mit den Ortsangaben der von Bardini genannten „Casa Pazzi“ übereinstimmt. Bardini bezieht sich in seiner Provenienzangabe auf einen anderen Gebäudekomplex namens Palazzo Pazzi, oder im Quattrocento auch paradiso de’ Pazzi genannt. Ebenfalls in Betracht zu ziehen ist, dass die Besitztümer der Familie Pazzi nach der Pazzi-Verschwörung 1478 von den Medici beschlagnahmt wurden. Catterson äußert demnach Zweifel daran, dass die Pazzi-Madonna nicht wie alle anderen Wertgegenstände der Pazzi von den Medici entwendet wurden. Auch der Palazzo della Congiura, auf den sich Francesco Bocchi in seiner Beschreibung von 1677 vermutlich bezieht, wurde 1478 konfisziert und ab 1498 von neuen Besitzern erstanden, von denen niemand Angehöriger der Pazzi Familie war.[24]

Trotz dieser Unstimmigkeiten erwarb Wilhelm Bode das Relief 1886 und veröffentlichte die von Stefano Bardini angegebene Provenienz mitsamt der Zuschreibung zu Donatello wenige Wochen später.[29] Von 1886 bis 1904 war die Pazzi-Madonna Teil der Skulpturensammlung des Alten Museums.[1] Von da an war sie bis 1939 in der Skulpturensammlung des Kaiser-Friedrich-Museums. Mit Einmarsch in Polen am 1. September 1939 wurde die Pazzi-Madonna mit weiteren Ausstellungsstücken in den Kellern der Museumsinsel und später im kleineren Leitturm des 1941 im Volkspark Friedrichshain errichteten Flakturmpaares gelagert. Am 6. März 1945 fiel die Entscheidung, die Pazzi-Madonna gemeinsam mit einem Großteil der Sammlung der Berliner Museen aus Berlin zu evakuieren. Im Frühjahr 1945 wurde das Relief in die Salzmine Kaiseroda in der Nähe von Merkers in Thüringen verlegt. Am 4. April 1945 fiel die Mine in die Hände der US-amerikanischen Armee, welche die dort entdeckten Werke für sich beanspruchen wollten und weiter Richtung Westen schickten, da die Region um Merkers der Sowjetunion zugesprochen war. So erreichte die Pazzi-Madonna im Jahr 1945 den Central Collecting Point in Wiesbaden. 1956 wurde die Pazzi-Madonna an den in West-Berlin gelegenen Museumskomplex Dahlem zurückgegeben, wo das Relief bis 1997 Teil der Skulpturensammlung blieb. Nach einer fast zehnjährigen Lagerung (1997–2006) ist die Pazzi Madonna mit der Wiederöffnung des Berliner Bode-Museums (ehemaliges Kaiser-Friedrich-Museum) im Jahr 2006 in dessen Sammlung zurückgeführt worden. Seitdem ist das Relief Teil der Skulpturensammlung des Bode-Museums.[30]


Material, Technik und Zustand


St. Georg, Donatello, 1415-1417, Skulptur, Marmor, Bargello Museum, Florenz
St. Georg, Donatello, 1415-1417, Skulptur, Marmor, Bargello Museum, Florenz

Material


Als Material wurde weißer, monochromer Carrara-Marmor verwendet.[2] Die Forschung geht größtenteils davon aus, dass auf Farbigkeit verzichtet wurde, was das Relief von den häufig polychrom gefassten bildhauerischen Werken seiner Zeit unterscheidet. Der Rahmen ist nicht der Ursprüngliche.[1]


Technik


Anstatt mit weit raumgreifender physischer Tiefe zu arbeiten, wird durch Unterschneidung der Konturen und Überlappung der Formen eine illusionistische Tiefe erzeugt. Dafür verwendete Donatello bei der Pazzi-Madonna die Technik des „rilievo schiaccato“ (italienisch für „gequetschtes Relief“).[31] Es handelt sich mit großer Wahrscheinlichkeit um eine Begriffsschöpfung Giorgio Vasaris: Mit „rilievo schiaccato“ bezeichnet er dabei weniger Flachreliefs generell, sondern speziell Reliefs, bei denen die Gestaltung in eine einzige Schicht von wenigen Millimetern gepresst ist.[32] Diese Definition muss sich allerdings nicht auf die Gesamtfläche des Reliefs beziehen. In der Forschung können auch nur einzelne Formbereiche als „rilievo schiaccato“ ausgeführt sein.[31] So auch bei der Pazzi-Madonna. Die rechte Hand der Madonna scheint neben ihrem Ohr den physisch höchsten Punkt im Relief zu bilden. Die nur wenig plastisch ausgearbeitete Überschneidung der Profilkonturen von Madonna und Kind bekommt seine Tiefenwirkung hingegen durch die Unterschneidung der Kontur. Donatello hat die Technik des „rilievo schiacciato“ als Erster für das Bearbeiten von Marmorreliefs verwendet.[32][33][34][35] Die bildliche Qualität des „rilievo schiaccato“ brachte einen revolutionären Wandel, da das Relief nun in Konkurrenz zu Gemälden treten konnte. Die Technik ermöglicht kleinere und dünnere Formate, die unabhängig von ihrer architektonischen Umgebung waren.[8]

Die „rilievo schiaccato“-Technik soll von Donatello zum ersten Mal 1417 in der Predella der Skulptur des St. Georg in einer der äußeren Nischen der Kirche Orsanmichele (heute im Bargello-Museum) in Florenz verwendet worden sein.[31][35][33] In dem sich in der Predella befindenden Relief „St. Georg befreit die Prinzessin“ sind die Objekte im Vordergrund als Hochrelief ausgeführt, während die Elemente im Hintergrund deutlich flacher ausgestaltet sind. Die Waldlandschaft im Hintergrund scheint fast wie in den Marmor gezeichnet. Charles Avery sieht in der experimentellen Verkürzung der linken Hand der Madonna Belege dafür, dass die Pazzi-Madonna nach dem Relief „St. Georg befreit die Prinzessin“ eines der früheren Versuche gewesen sei, mit „rilievo schiacciato“ zu arbeiten.[23]

St. Georg befreit die Prinzessin, Donatello, 1416-1417, Relief, Marmor, 39 cm × 120 cm, Bargello Museum, Florenz
St. Georg befreit die Prinzessin, Donatello, 1416-1417, Relief, Marmor, 39 cm × 120 cm, Bargello Museum, Florenz

Zustand


Bei seiner Ankunft 1886 in Berlin sei das Relief in etwa 14 Teile zerbrochen gewesen. Trotz des Skandals, der aufgrund dieser Nachricht in Italien ausgebrochen sei, ließen sich bisher keine weiteren Hinweise bezüglich der Schadensursache finden. Weder in dem Schriftwechsel zwischen Bardini und Bode noch in zeitgenössischen Presseberichten.[36] Für die Beschädigung während des Transportes spricht ein Schreiben, welches Bode im Januar 1886 an Bardini geschickt hatte (erworben hat Bode es im März 1886). In diesem Schreiben erwähnt Bode, welcher das Relief vor dem Kauf in Florenz besichtigt hatte, dass das Relief nur Rostspuren von seiner vorherigen Wandbefestigung aufweise. Dennoch ließen sich auch keinerlei Nachweise von Rechtsstreitigkeiten oder Verfahren bezüglich eines Schadens, der während des Verpackens oder des Transportes entstanden sein könnte, im ASEB (Florentine Archivio Storico Eredità Bardini) finden. Auf derartig geringer Quellenlage bleibt somit unklar, ob das Relief bereits in zerbrochenem Zustand erworben wurde oder der Schaden während des Transportes nach Berlin entstanden ist.[37]

Das Relief wurde 1967, 1979 und 2009 restauriert. Im digitalen Inventareintrag der Staatlichen Museen zu Berlin, sind keine Angaben zu Restaurierungen des Reliefs nach dessen Ankunft in Berlin aufgeführt. Der Rahmen ist nicht der Ursprüngliche.[1]


Datierung


Tanz der Salome vor Herodes und Tod des Johannes, Donatello, 1423-1427, Relief, Bronze, Wandung des Taufbeckens des Battistero di San Giovanni unter dem Domchor, Siena.
Tanz der Salome vor Herodes und Tod des Johannes, Donatello, 1423-1427, Relief, Bronze, Wandung des Taufbeckens des Battistero di San Giovanni unter dem Domchor, Siena.

Aufgrund des Vergleiches der stilistischen und technischen Ausführung mit anderen Werken Donatellos aus demselben Zeitraum, schwankt die Datierung der Pazzi-Madonna zwischen den Jahren 1420–1422.

Für einen Großteil der Kunstwissenschaftler steht die perspektivisch schwach ausgearbeitete Verkürzung der linken Hand der Madonna als Zeichen für die Jugend Donatellos. Bode datierte das Werk 1886 um 1420.[1] Frida Schottmüller (1933) hatte die Pazzi-Madonna aufgrund des Stils auf das Jahr 1422 datiert.[2] Die Darstellung und Verkürzung der linken Hand hat Hans Kauffmann (1935)[38] mit der des „Segnenden Gottvaters“ oberhalb der St.-Georg-Nische in Orsanmichele verglichen, die Donatello etwa 1417 angefertigt hat. Für Kauffmann ergab sich aus diesem Vergleich eine Datierung der Pazzi-Madonna auf circa 1418.[38] John Pope-Hennessy (1958) hat die Ausführung der linken Hand des Herodes im Bronzerelief „Tanz der Salome“, welches Donatello zwischen 1423 und 1427 für das Taufbecken des Baptisteriums der Kathedrale in Siena gefertigt hat, mit der der Pazzi-Madonna verglichen. Auf Basis dieses Vergleiches wendet er sich von der Datierung um 1420–22 ab und bestimmt den Entstehungszeitraum der Pazzi-Madonna auf ca. 1430.[39]

Laut Horst W. Janson (1957) muss sie mindestens vier oder fünf Jahre nach der Entstehung des St. Georg Ensemble gefertigt worden sein, was sich bereits an dem besser ausgefertigtem Faltenwurf ableiten lasse. Gleichzeitig ordnet er das Relief vor dem Bronzerelief „Tanz der Salome“ ein, da in diesem eine künstlerisch und technisch höhere Umsetzung der zentralperspektivischen Darstellungsweise zu erkennen sei. Die meisten Überschneidungen zur Pazzi-Madonna sieht er in den beiden Figuren des Propheten und Sibylle, die Donatello 1422 für das Relief über der Porta della Mandorla der Kathedrale von Florenz (Kathedrale Santa Maria del Fiore) gefertigt hat. Dementsprechend sieht Janson die Pazzi-Madonna in zeitlicher Nähe zur Entstehung dieser beiden Figuren, um ca. 1422.[40]

Charles Avery (1994) schreibt der Pazzi-Madonna mit 1425–1430 einen etwas späteren Entstehungszeitraum zu.[23] Anna Jolly (1998) datierte das Werk aufgrund der für sie relativ einfach umgesetzten Perspektive[12] etwas früher, auf 1418.[22] Neville Rowley (2016) widerspricht der breiter akzeptierten Datierung auf circa 1422. Der Vergleich mit dem Profil Isaaks in der Gruppe von Abraham und Isaak, welche Donatello 1421 für die Campanile der Kathedrale von Florenz (Kathedrale Santa Maria del Fiore) anfertigte (heute im Museo dell’Opera del Duomo), legt für Rowley eine Datierung auf ca. 1420 näher.[1]


Autorschaft


Die Autorschaft Donatellos ist in der kunstgeschichtlichen Literatur praktisch durchgehend anerkannt. Bode erwarb das Relief 1886 als ein Werk Donatellos und veröffentlichte es nach seiner Ankunft in Berlin auch als solches. 1933 veröffentlichte Frida Schottmüller einen neuen Katalog der italienischen Skulpturen des Kaiser Friedrich-Museums, in dem sie Donatello ebenfalls als Künstler der Pazzi-Madonna nennt.[2] Nach den Kriegsjahren wurde die Pazzi-Madonna Mitte der fünfziger Jahre wieder prominent in der kunstgeschichtlichen Literatur aufgegriffen. Horst W. Janson (1957) veröffentlichte eine Monographie zu Donatello, in welcher die Pazzi-Madonna eine der wenigen Werke war, die er als Original anerkannte.[40] Pope-Hennessy (1958) bestätigt die Zuschreibung Jansons.[6] Die jüngere Forschung schließt sich dieser Zuschreibung an.[1]


Funktion


Im Zusammenhang mit der ungeklärten Provenienz ist die ursprüngliche Funktion des Reliefs nicht belegt. Dennoch spricht viel dafür, dass die Pazzi-Madonna für die private Andacht geschaffen wurde.[4] Bei dem Andachtsbild handelt es sich um einen Bildtyp, der im 13. Jahrhundert entsteht und im 14. und 15. Jahrhundert den Höhepunkt seiner Verbreitung erlebt. Das private Andachtsbild im kleinen Format erlangte als „[…] materielle Verselbstständigung der Szene auf der Einzeltafel“[41] eine herausragend hohe Verbreitung.[41] Neben Szenen aus dem Leben und der Passion Christi und weiterer heiligen Figuren bildet die stehende oder sitzende Madonna mit dem Christuskind ein bevorzugtes Bildthema. Dabei war die gegenseitige Umarmung von Madonna und Kind, dem Typ der byzantinischen Eleusa entsprechend, als Thema für die private Andacht besonders gut geeignet. Die „seelische[n] Beziehung zwischen Mutter und Kind“ stellt im Quattrocento für das Hausandachtsbild das „Leitmotiv“ dar.[16] Von den Bildern wurde erwartet, die Stimmungslage der Gläubigen zu erwidern oder sogar zu erzeugen.[42]

Die ungesicherte Provenienz verortet das Relief ebenfalls in einem privaten Kontext, was die ursprüngliche Funktion zur Hausandacht stützt. Zudem bemerkte bereits Bode und neben ihm noch Weitere, dass die starke perspektivische Verkürzung der Nische, als Zeichen für eine höhere Wandhängung gewertet werden könnte. Der von Rosenauer (1993) unterbreitete Vorschlag, die Pazzi-Madonna wäre ursprünglich als Straßentabernakel gefertigt gewesen,[43] widerspricht Neville Rowley. Die Marmoroberfläche weise kaum Abnutzungsspuren auf, welche ein Standort unter freien Himmel bedingen würde.[1]


Literatur





Einzelnachweise


  1. Neville Rowley: Inv. 51. Donatello, Virgin and Child (called the Pazzi Madonna). In: SMB-digital. Online-Datenbank der Sammlungen. Sammlung: Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst. 10. Februar 2016, abgerufen am 28. Februar 2021 (englisch).
  2. Frida Schottmüller: Bildwerke des Kaiser-Friedrich-Museums. Die italienischen und spanischen Bildwerke der Renaissance und des Barock, 1. Die Bildwerke in Stein, Holz, Ton und Wachs: mit den Abbildungen sämtlicher Bildwerke. Hrsg.: Staatliche Museen zu Berlin. 2. Auflage. Band 1. De Gruyter, Berlin / Leipzig 1933, S. 7.
  3. Ronald G. Kecks: Madonna und Kind. Das häusliche Andachtsbild im Florenz des 15. Jahrhunderts. Hrsg.: Wolfram Prinz (= Frankfurter Forschungen zur Kunst. Band 15). Gebr. Mann Verlag, Berlin 1988, S. 55.
  4. Ronald G. Kecks: Madonna und Kind. Das häusliche Andachtsbild im Florenz des 15. Jahrhunderts. Hrsg.: Wolfram Prinz (= Frankfurter Forschungen zur Kunst. Band 15). Gebr. Mann Verlag, Berlin 1988, S. 37 f.
  5. Ronald G. Kecks: Madonna und Kind. Das häusliche Andachtsbild im Florenz des 15. Jahrhunderts. Hrsg.: Wolfram Prinz (= Frankfurter Forschungen zur Kunst, Band 15). Gebr. Mann Verlag, Berlin 1988, S. 79.
  6. John Pope-Hennessy: An Introduction to Italian Sculpture. Band 2. Italian Renaissance Sculpture. 4. Auflage. Phaidon, London 1996, S. 66.
  7. Ronald G. Kecks: Madonna und Kind. Das häusliche Andachtsbild im Florenz des 15. Jahrhunderts. Hrsg.: Wolfram Prinz (= Frankfurter Forschungen zur Kunst. Band 15). Gebr. Mann Verlag, Berlin 1988, S. 152.
  8. Anna Jolly: Madonna by Donatello and his circle (= European university studies: Ser. 28, History of art: Vol. 319). Lang, Frankfurt am Main / Berlin / Bern et al. 1998, S. 30 (englisch).
  9. Ronald G. Kecks: Madonna und Kind. Das häusliche Andachtsbild im Florenz des 15. Jahrhunderts. Hrsg.: Wolfram Prinz (= Frankfurter Forschungen zur Kunst. Band 15). Gebr. Mann Verlag, Berlin 1988, S. 84 f.
  10. Niehaus, Andrea: Florentiner Reliefkunst von Brunelleschi bis Michelangelo. Deutscher Kunstverlag, 1998, OCLC 984096619, S. 91.
  11. Anna Jolly: Madonna by Donatello and his circle (= European university studies. Band 319, Nr. 28, History of art). Lang, Frankfurt am Main / Berlin / Bern et al. 1998, S. 31 (englisch).
  12. Anna Jolly: Madonna by Donatello and his circle (= European university studies: Nr. 28, History of art; Band 319). Lang, Frankfurt am Main / Berlin / Bern et al. 1998, S. 101 (englisch).
  13. Jolly, Anna: Madonna by Donatello and his circle (=European university studies: Nr. 28, History of art: Band 319). Lang, Frankfurt am Main / Berlin / Bern et al. 1998, S. 53f. (englisch).
  14. Lynn Catterson: Art Market, Social Network and Contamination: Bardini, Bode and the Madonna Pazzi Puzzle. In: Lynn Catterson (Hrsg.): Florence, Berlin and Beyond: Late Nineteenth-Century Art Markets and their Social Networks (= Studies in the History of Collecting & Art Markets. Band 9). Brill, 2020, ISBN 978-90-04-43104-1, S. 516, doi:10.1163/9789004431041_016 (englisch).
  15. Relief, Inv. Nr. A.51-1935, Victoria and Albert Museum, [abgerufen am 16. Mai 2021].
  16. Ronald G. Kecks: Madonna und Kind: das häusliche Andachtsbild im Florenz des 15. Jahrhunderts. Hrsg.: Wolfram Prinz (= Frankfurter Forschungen zur Kunst. Band 15). Gebr. Mann, Berlin 1988, S. 5254.
  17. Günter Passavant: Zu einigen toskanischen Terrakotta-Madonnen der Frührenaissance. In: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz (= Kunsthistorisches Institut in Florenz, Max-Planck-Institut (Hrsg.): Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, Band 31, Heft 2/3). 1987, S. 219 f. JSTOR:27653203.
  18. Günter Passavant: Zu einigen toskanischen Terrakotta-Madonnen der Frührenaissance. In: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz (= Kunsthistorisches Institut in Florenz, Max-Planck-Institut (Hrsg.): Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz. Band 31, H. 2/3). 1987, JSTOR: www.jstor.org/stable/27653203. S. 229, Endnote 14. [abgerufen am 29. April 2021].
  19. Günter Passavant: Zu einigen toskanischen Terrakotta-Madonnen der Frührenaissance. In: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz (= Kunsthistorisches Institut in Florenz, Max-Planck-Institut (Hrsg.): Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz. Band 31, H. 2/3). 1987, JSTOR: www.jstor.org/stable/27653203. S. 206f. [abgerufen am 29. April 2021].
  20. Ronald G. Kecks: Madonna und Kind: das häusliche Andachtsbild im Florenz des 15. Jahrhunderts. Hrsg.: Wolfram Prinz (= Frankfurter Forschungen zur Kunst. Band 15). Gebr. Mann, Berlin 1988, S. 59 f.
  21. Ronald G. Kecks: Madonna und Kind: das häusliche Andachtsbild im Florenz des 15. Jahrhunderts. Hrsg.: Wolfram Prinz (= Frankfurter Forschungen zu Kunst. Band 15). Gebr. Mann, 1998, S. 61.
  22. Anna Jolly: Madonnas by Donatello and his circle (= European university studies. Band 319, Nr. 28, History of art). Peter Lang, Frankfurt am Main / Berlin / Bern et al. 1998, S. 28 f.
  23. Charles Avery: Donatello: an introduction. Harper Collins Publishers, New York 1994, ISBN 0-7195-5411-X, S. 42 f.
  24. Lynn Catterson: Art Market, Social Network and Contamination: Bardini, Bode and the Madonna Pazzi Puzzle. In: Lynn Catterson (Hrsg.): Florence, Berlin and Beyond: Late Nineteenth-Century Art Markets and their Social Networks (= Studies in the History of Collecting & Art Markets. Band 9). Brill, 2020, ISBN 978-90-04-41990-2, S. 518521, doi:10.1163/9789004431041_016.
  25. Neville Rowley, 2016, zitiert nach Francesco Bocchi: Le bellezze della città di Firenze. Giovanni Chellini (Hrsg.). Gugliantini, Florence 1677, S. 369–370.
  26. Ins Deutsche übersetzt durch den Verfasser dieses Artikels. Grundlage der Übersetzung, war nicht das italienische Original, sondern die englische Übersetzung, welche Neville Rowley in seinem Inventareintrag der Staatlichen Museen zu Berlin angibt. Diese lautet wie folgt: "In the house of Francesco Pazzi there is a beautiful marble Madonna in low relief by Donatello; the Christ Child, seated upon a cushion, is supported by the Virgin’s right hand, while he, with his raised left hand, holds the veil that hangs from her head. It is charming in every part, the draperies are most beautiful, and the Virgin’s tenderness toward her son is expressed with great art and is such, that in the following succession, Alessandro, the father of Francesco, bought it for 500 scudi according to the valuation that was made." Neville Rowley: Inv. 51. Donatello, Virgin and Child (called the Pazzi Madonna). In: SMB-digital. Online-Datenbank der Sammlungen. Sammlung: Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, 10. Februar 2016 (englisch) abgerufen am 28. Februar 2021.
  27. Lynn Catterson: Art Market, Social Network and Contamination: Bardini, Bode and the Madonna Pazzi Puzzle. In: Lynn Catterson (Hrsg.): Florence, Berlin and Beyond: Late Nineteenth-Century Art Markets and their Social Networks (= Studies in the History of Collecting & Art Markets. Band 9). Brill, 2020, ISBN 978-90-04-41990-2, S. 536, doi:10.1163/9789004431041_016.
  28. Lynn Catterson: Art Market, Social Network and Contamination: Bardini, Bode and the Madonna Pazzi Puzzle. In: Lynn Catterson (Hrsg.): Florence, Berlin and Beyond: Late Nineteenth-Century Art Markets and their Social Networks (= Studies in the History of Collecting & Art Markets. Band 9). Brill, 2020, ISBN 978-90-04-41990-2, S. 523, doi:10.1163/9789004431041_016.
  29. Lynn Catterson 2020: S. 541 zitiert nach Wilhelm Bode: Neue Erwerbungen für die Abteilung der christlichen Plastik in den königlichen Museen. In: Jahrbuch der Königlich preußischen Kunstsammlungen, Band 7. 1886. S. 203–206.
  30. Neville Rowley: Donatello and the two Madonnas. A Short History of the Berlin Museums’ Sculpture Collection. In: Igor Borodin (Hrsg.): Twice Saved. Ausst. Kat. Russian Centre of Science and Culture, Chennai 2020, S. 711 (museumconservation.ru [abgerufen am 28. Februar 2021]).
  31. Andrea Niehaus: Florentiner Reliefkunst von Brunelleschi bis Michelangelo. Dt. Kunstverlag, München 1998, S. 87 f. (Kunstwissenschaftliche Studien BV037477561 73).
  32. Andrea Niehaus: Florentiner Reliefkunst von Brunelleschi bis Michelangelo. Dt. Kunstverlag, München 1998, S. 90 f. (Kunstwissenschaftliche Studien BV037477561 73).
  33. John Pope-Hennessy: An Introduction to Italian Sculpture. Italian Renaissance Sculpture. Band 2. 4. Auflage. Phaidon, London 1996, S. 44 f.
  34. Anna Jolly: Madonna by Donatello and his circle. (= European university studies: Nr. 28, History of art: Band 319). Peter Lang, Frankfurt am Main / Berlin / Bern et al. 1998, S. 85.
  35. Charles Avery: Donatello. An Introduction. Harper Collins Publishers, New York 1994, ISBN 0-7195-5411-X, S. 31 ff.
  36. Neville Rowley, 10. Februar 2016, zitiert nach Giovanni Lista: Medardo Rosso: Scultura E Fotografia, Milano: 5 Continents, 2004, S. 54.
  37. Lynn Catterson: Art Market, Social Network and Contamination: Bardini, Bode and the Madonna Pazzi Puzzle. In: Lynn Catterson (Hrsg.): Florence, Berlin and Beyond: Late Nineteenth-Century Art Markets and Their Social Networks (= Studies in the History of Collecting & Art Markets, Band 9). Brill, 2020, ISBN 978-90-04-41990-2, S. 538, doi:10.1163/9789004431041_016.
  38. Neville Rowley, 10. Februar 2016 zitiert nach Hans Kauffmann: Donatello. Eine Einführung in sein Bilden und Denken, Berlin, Grotesche Verlagsbuchhandlung, 1935, S. 67–68, 70, 83, 157, 215, 218; Notizen 203–207: datiert die Pazzi Madonna auf ca. 1418; die Datierung beruht auf der Nähe zum Relief von Gott Vater oberhalb des St.-Georg-Tabernakels.
  39. John Pope-Hennessy: An Introduction to Italian Sculpture. Band 2. Italian Renaissance Sculpture. 4. Auflage. Phaidon, London 1996, S. 355.
  40. Horst. W. Janson: The sculpture of Donatello. Incorporating the Notes and Photographs of the Late Jenö Lányi. Princeton University Press, Princeton, New Jersey 1963, S. 43 ff. (englisch, Erstausgabe: 1957).
  41. Hans Belting: Das Bild und sein Publikum im Mittelalter. Form und Funktion früher Bildtafeln der Passion. Mann, Berlin 1981, ISBN 3-7861-1307-6, S. 32.
  42. Hans Belting: Das Bild und sein Publikum im Mittelalter: Form und Funktion früher Bildtafeln der Passion. Mann, Berlin 1981, ISBN 3-7861-1307-6, S. 98.
  43. Neville Rowley, 10. Februar 2016 zitiert nach Artur Rosenauer: Donatello, Milan, Electa, 1993, S. 89–90.

На других языках


- [de] Pazzi-Madonna

[en] Pazzi Madonna

The Pazzi Madonna is a rectangular "stiacciato" marble relief sculpture by Donatello, now in the sculpture collections of the Bode-Museum in Berlin.[1][2] Dating to around 1425-1430, it was probably originally produced for private devotion in the Palazzo Pazzi della Congiura in Florence at the beginning of Donatello's collaboration with Michelozzo.[3] It was extremely popular and is known in several copies.

[es] Madonna Pazzi

La Madonna Pazzi es una obra de Donatello, conservada en el Staatliche Museen de Berlín, en la colección de esculturas (Skulpturensammlung) del Bode-Museum. Se trata de un relieve de mármol de forma rectangular con unas medidas de 74,50 x 69, 50 cm, que data de alrededor de 1425-1430.

[it] Madonna Pazzi

La Madonna Pazzi è un'opera di Donatello, conservata nel Bode-Museum di Berlino, in particolare nella collezione di sculture (Skulpturensammlung). Si tratta di un rilievo marmoreo di forma rettangolare (74,50x69,50 cm), risalente al 1425-1430 circa.



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