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Dominik Steiger (* 18. Oktober 1940[1] in Wien; † 12. Jänner 2014[2] ebenda) war ein österreichischer Literat und Künstler aus dem Umfeld der Wiener Gruppe und des Wiener Aktionismus. Mit seinen Werken zählt er zu den wichtigen Vertretern der österreichischen Avantgarden seit den 1950er Jahren.

Dominik Steiger, LETTERFALL, ca. 1989, Marker und Deckweiß auf S/W-Fotografie
Dominik Steiger, LETTERFALL, ca. 1989, Marker und Deckweiß auf S/W-Fotografie

Leben und Werk


Nach der Matura und einem abgebrochenen Studium der Staatswissenschaften und der Slawistik trat Dominik Steiger Silvester 1958/59 in den Dienst der Légion etrangère, aus der er nach 15 Monaten vorzeitig entlassen wurde. Der frühe Kontakt zu dem Lyriker Hermann Schürrer, und mehr noch der intensive Austausch ab den 1960er-Jahren mit den Mitgliedern der Wiener GruppeH. C. Artmann, Gerhard Rühm, Konrad Bayer und Oswald Wiener – waren impulsgebend für Steigers literarisches Frühwerk wie auch für sein späteres künstlerisches Schaffen. Vor allem die Freundschaft mit dem Schweizer Dichter und Künstler Dieter Roth, den er 1966 in Wien kennenlernte, wurden für sein Werk bestimmend. Ausgedehnte Reisen führten Anfang der 1960er-Jahre in die Länder Frankreich, Türkei, Iran, Pakistan und Indien.[3]

Nach ersten Veröffentlichungen von Gedichten im Selbstverlag (ab 1961) und in der österreichischen Kulturzeitschrift Neue Wege (1962–1964) kam rasch internationaler Erfolg: Im Berliner Rainer Verlag erschien der Prosaband Die verbesserte Große Sozialistische Oktoberrevolution (1967) und im Suhrkamp Verlag die Erzählungen Wunderpost für Co-Piloten (1968) und Hupen Jolly fahrt Elektroauto (1969). Der Kritiker Siegfried Schober dazu in der Wochenzeitung Die Zeit: „Steiger ist ein blitzgescheiter, pfiffiger, aberwitziger, auch kindlicher, verschrobener, melancholischer und manchmal nicht wenig böser und heimtückischer Sprachzauberer, Grammatikdresseur und Stilakrobat.“[4] Steiger publizierte in der Folge auch regelmäßig Beiträge, etwa in der von Günter Brus herausgegebenen Künstlerzeitschrift Die Schastrommel. Organ der österreichischen Exilregierung, in der Zeitschrift für Alles von Dieter Roth oder in der Edition Hundertmark. Im 1975 von Steiger gegründeten Verlag Buchdienst Fesch erschien neben eigenen Werken und Künstlerbüchern auch seine kurzlebige Zeitschrift NERVENKRITIK mit Beiträgen u. a. von den Künstlern Christian Ludwig Attersee, Konrad Bayer, Günter Brus, Urs Lüthi, Hermann Nitsch, Walter Pichler, Arnulf Rainer, Dieter Roth und Oswald Wiener.

Sein Prosawerk, das Steiger bis zu seiner letzten Publikation spuk und geflunker (2014) stetig fortführte, begleiteten ab den 1970er-Jahren bildkünstlerische Werke. Mit ausschlaggebend hierfür war die Begegnung mit Joseph Beuys, der 1971 bei einem Wien-Aufenthalt bei ihm nächtigte. Auf der Gründungsversammlung der Grazer Autorinnen Autorenversammlung präsentierte Dominik Steiger im Oktober 1973 mit seinen Knöchelchen-Zeichnungen einen Übergang vom schriftsprachlichen Zeichen zur Zeichnung. „Sie waren einer Zergliederungsphase in meinen schriftlichen Arbeiten gefolgt an einem Punkt, wo die Schreibarbeit an die Knöchelchen stieß“.[5] Unter dem Titel Biometrische Texte widmete Günter Brus diesen chiffreartigen Miniaturen mit „Stempelcharakter“[6] eine Sondernummer der Schastrommel (1974). In den Basler Nachrichten schrieb Peter Weibel hierzu: „Das von Sprache und Schrift Verdrängte in seinen Spuren zu suchen […] initiiert zu einer erneuerten totaleren Kommunikation“.[7] 1977 kommt es zu einer Kollaboration zwischen Steiger und Brus, die unter dem Titel Jeden jeden Mittwoch. Ein Zwoman veröffentlicht wurde: Innerhalb eines Jahres wechselten die Künstler auf dem Postweg zwischen Wien und Berlin immer mittwochs halbseitige Zeichnungen, die vom jeweils anderen ergänzt wurden.

Gemeinschaftsarbeiten und quasi aktionistische Unternehmungen mit Künstlerfreunden finden sich in Steigers Werk zahlreich. 1965 entstand der Kurzfilm das kind, in dem er sich als Kind verkleidet von Oswald Wiener filmen ließ.[8] Im selben Kostüm nahm Steiger 1967 als „FNUFI“ an dem maßgeblich von Otto Muehl gestalteten „ZOCK“-Fest im Wiener Gasthaus Grünes Tor teil, auch in dessen 1966 initiiertem Actions Concert für Al Hansen in der Galerie nächst St. Stephan war er aufgetreten, ebenso in Selten gehörte Musik. Das Berliner Konzert (1974) gemeinsam mit Christian Ludwig Attersee, Günter Brus, Hermann Nitsch, Arnulf Rainer, Dieter Roth, Gerhard Rühm und Oswald Wiener. In dem von Dieter Roth angeregten Wandgemälde Allerweltsbild (1982–1985) im Bahnhofsbuffet Basel, arbeiteten neben Dieter Roth selbst auch dessen Sohn Björn, André Thomkins, Ömar Stefansson und in besonderem Maße Dominik Steiger mit.

Dominik Steiger, Zeichnung aus der Serie „Knöchelchen“, 1973, Bleistift auf Papier
Dominik Steiger, Zeichnung aus der Serie „Knöchelchen“, 1973, Bleistift auf Papier

Trotz seiner Nähe zu Protagonisten des Wiener Aktionismus ließ Steiger sich zeitlebens von keiner Bewegung vereinnahmen. Seine künstlerische Strategie war spielerische Vernetzung, geprägt von kindlicher Anarchie und karikierendem Übermut. 1968 gründete er den Micky-Maus-Klub Flakturm, dem u. a. der Wiener Künstler Heinz Frank (* 1939), der Dichter Reinhard Priessnitz und der legendäre Galerist Kurt Kalb (* 1935) angehörten.

Mit Bleistift- und Tusche-Feder-Zeichnungen begann Steiger sein bildnerisches Werk; die Knöchelchen fanden ihre vergrößerte Fortführung 1975 in den Zeichenzyklen WARS DENEN? und Dieter Roth’s Tränenmeer 4b nach vor empfunden gegriffen. Figurativer dann die komplexen und narrativ dichten Kompositionen der Kleinen Aquarelle in den 1970ern. Um 1980 folgte die Serie Exzerptmarterln: eng beschriebe und gezeichnete Blätter von pseudowissenschaftlichem Charakter. In seinen durch Dieter Roth angeregten Druckgrafiken benutzte Steiger neben der Radierung selbst erdachte Verfahren: die Farbe übertrug er etwa in den Rollbildern mittels Paketgriffen, Versandrollen oder Nudelhölzern.

Dominik Steiger, aus der Serie „Kulturcollagen“, ca. 1999, Collage auf Postkarte
Dominik Steiger, aus der Serie „Kulturcollagen“, ca. 1999, Collage auf Postkarte

Vorgefundene Materialien werden von Anbeginn verwendet: in frühen, stark konzeptuellen Arbeiten wie Zyklus ökonomischer Literatur (1965) werden z. B. Formulare für den Postscheckverkehr zum literarischen Readymade erklärt, in der Serie Autographe Bene aus den 80-Jahren historische Autografen berühmter Persönlichkeiten zerschnitten, neu montiert und überzeichnet. Ähnlich die Serie Markenbilder, die aus übermalten Blättern alter Briefmarkenalben besteht. Auch in den 1990ern erweiterte und veränderte Dominik Steiger die für ihn typischen Techniken der Collage und Assemblage: für den Zyklus Konversationsgrafiken überträgt er mittels Tesafilm ausschnitthafte Sujets aus Landkarten, Lexika, Büchern etc. auf die Bildfläche, um diese mit eigenen zeichnerischen und malerischen Spuren in Beziehung zu setzen, ähnlich das Verfahren in den Kulturcollagen. Die Werke der Serie Bois sind Assemblagen aus den Holzresten einer Tischlerei. Der Titel bois (französisch Holz), der auch „boys“ und Beuys anklingen lässt, zeigt die Leidenschaft des Sprachspielers für die Verschiebung von Ebenen und Inhalten. Auf vielen dieser plastischen Objekte sind zusätzlich Beschriftungen angebracht, sogenannte Letterfälle, eine von Steiger erdachte Abwandlung des klassischen Akrostichons. Ab 2005 entstanden die Werkgruppen Flaschen-Multiples und ART COMPLETE.

Auch auf dem ihm so wichtigen Feld der Musik war Steiger schöpferisch tätig: 1971 nahm er mit dem Hörspiel Ultramundane Melodie, einer Improvisation mit Sing- bzw. Sprechstimme und Radioaufzeichnung, an der Experimenta 4 in Frankfurt teil. 1979 erschien im Dieter Roth’s Verlag die Langspielplatte Wiener Lieder und gemischte Weisen mit von Steiger erdachten, gesungenen und gespielten Kompositionen. Es folgten die im eigenen Verlag Buchdienst Fesch herausgegebenen Musikkassetten 31 Lieder mit Musik in deutsch, englisch, französisch, freisprachlich, griechisch, spanisch, wienerisch (1980), Es singt und spielt Zupfgeigenhansls Großneffe Dominik Steiger ganz eigene Lieder (1982) und Zibeben in den Reis (1984). Unter dem Titel AD HOC MUSI erschien 2013 eine Langspielplatte bei Tochnit Aleph, welche eine Auswahl dieser Lieder aus den 1980er-Jahren versammelt. Die oben erwähnte Mitwirkung an künstlerischen Aktionen und Konzerten wie Selten gehörte Musik 1974 setzte Steiger in den 80ern fort, etwa in Veranstaltungen von Christian Ludwig Attersee wie der Matinee Malermusik und Malersprache (1984) im Museum des 20. Jahrhunderts in Wien oder dem Multimedia-Abend Attersee und seine Freunde – rücksichtslose Unterhaltung im Rahmen der Ars Electronica (1986) im Linzer Brucknerhaus.

Zahlreich auch die Lesungen: von einer Ad-hoc-Lesung gemeinsam mit H. C. Artmann und Otto Jägersberg im Rahmen des sogenannten Provo-Festes während der Frankfurter Buchmesse 1967 bis hin zu Steigers letztem Auftritt im August 2012, einer Spoken Word Performance im Rahmen der Veranstaltungsreihe Ephemeropterae˜ X/XV+ bei Thyssen-Bornemisza Art Contemporary (TBA21) – Augarten in Wien.


Publikationen



Ausstellungen



Auszeichnungen



Literatur





Einzelnachweise


  1. Dominik Steiger. In: Kürschners Deutscher Literatur-Kalender 2014/2015. Band II: P-Z. Walter De Gruyter, 2014, ISBN 978-3-11-033720-4, S. 1022.
  2. Kunsthalle Krems vom 13. Jänner 2014: Bildender Künstler und Literat Dominik Steiger gestorben. (abgerufen am 22. Oktober 2014)
  3. Hans-Peter Wipplinger (Hrsg.): Dominik Steiger. Retrospektive. Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2014, ISBN 978-3-86335-672-9.
  4. Siegfried Schober: Wunderpost für Co-Piloten. In: Die Zeit. Hamburg 4. April 1969.
  5. Dominik Steiger: Über meine Knöchelchen-Zeichnungen. In: Otto Breicha (Hrsg.): Zeitschrift für Literatur und Kunst. Band 3. Jugend und Volk, Wien/ München 1982, S. 221.
  6. Susanne Längle: Dominik Steiger. Retrospektive, Ausst.-Kat. Kunsthalle Krems. Hrsg.: Hans-Peter Wipplinger. Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2014, ISBN 978-3-86335-672-9, S. 401.
  7. Peter Weibel: Biometrische Texte von Dominik Steiger. In: Basler Nachrichten. Band 76, 1974, S. 38.
  8. 2013 erschien eine digitalisierte Version des Kurzfilms unter dem Titel „Dominik Steiger als Kind“ bei dem Berliner Label Tochnit Aleph.
Personendaten
NAME Steiger, Dominik
KURZBESCHREIBUNG österreichischer Autor und bildender Künstler
GEBURTSDATUM 18. Oktober 1940
GEBURTSORT Wien
STERBEDATUM 12. Januar 2014
STERBEORT Wien



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