Hilma af Klint (* 26. Oktober 1862 auf Schloss Karlberg in Solna; † 21. Oktober 1944 in Djursholm) war eine schwedische Malerin. Sie ist eine Pionierin der abstrakten Malerei[1] und gilt als eine der hervorragenden Malerinnen des frühen 20.Jahrhunderts.
Sie stellte ihr großes Œuvre, das vom theosophischen Okkultismus inspiriert war, zeitlebens nicht aus und verfügte, dass es frühestens 20 Jahre nach ihrem Tod ausgestellt werden dürfte. Erst in den 1980er-Jahren wurden ihre Werke international bekannt und anerkannt.
Hilma af Klint, 1901
Leben und Werk
Kindheit, Schule und Ausbildung
Selbstporträt, undatiert
Hilma af Klint wurde als viertes Kind von Mathilda Sonntag († 1920) und Victor af Klint († 1898) auf Schloss Karlberg geboren. Der Vater war Offizier bei der schwedischen Marine, die Familie war wohlhabend. 1872 zog die Familie von Karlberg an die Nortullsgatan in Stockholm; an der Riddargatan besuchte sie eine Mädchenschule.
Eftersommar (Spätsommer), ein frühes naturalistisches Bild, gemalt 1903
Von 1880 bis 1882 lernte sie an der Schwedischen Kunsthochschule zusätzlich bei Kerstin Cardon Porträtmalerei. Sie gehörte zu den ersten Malerinnen, die an der Königlichen Akademie der freien Künste in Stockholm von 1882 bis 1887 Malerei studierten, nachdem diese Institution von 1864 an auch Frauen in der Kunst den Zugang gewährt hatte. Ihre Lehrer dort waren unter anderem Georg von Rosen und August Malmström.
Nach dem Abschluss der Kunstakademie 1887 malte Hilma af Klint im eigenen Atelier. Zunächst schuf sie naturalistische Landschaften und Porträts gemäß ihrer akademischen Ausbildung und oft nach Auftrag. Hilma af Klint blieb unverheiratet und kinderlos.
Okkulte Einflüsse, spirituelle Suche
Die zehn Größten, Nr. 2, Kindheit, Gruppe IV, 1907, Öl und Tempera auf Papier, auf Pappe montiert, 328×240cm, Moderna Museet, StockholmDer Schwan, Nr. 17, Serie SUW, Oktober 1914 bis März 1915, Öl auf Leinwand, 155×152cm, Stiftelsen Hilma af Klints Verk, StockholmAltarbild Nr.1, Gruppe X, 1915, Tempera auf Papier, 185×152cm, Moderna Museet, StockholmStandpunkt Buddhas auf der Erde, Serie II, Nr. 3a, 1920, Öl auf Leinwand, 36×27cm, Moderna Museet, Stockholm
Der frühe Tod ihrer Schwester Hermine steigerte ihr Interesse an Religion und Spiritismus. Bereits 1879, im Alter von siebzehn Jahren, beteiligte sich Hilma af Klint an Séancen. Wie viele Künstler und Intellektuelle ihrer Generation interessierte sie sich für Theosophie[2] und 1888 trat sie der Theosophischen Gesellschaft (TG) bei und folgte 1895 nach der Spaltung derselben der Theosophischen Gesellschaft Adyar (Adyar-TG). An Edvard Munch, der in der direkten Nähe ihres Ateliers 1894 eine Ausstellung hatte, interessierte sie, wie er psychischen Zuständen malerisch Ausdruck verlieh. Malerei jenseits des naturalistischen Ausdrucks war die Folge für sie. Auf der Suche nach einer geistigen Dimension, auch in der Kunst, nahm sie ab 1886 regelmäßig mit vier weiteren Frauen an Zusammenkünften der Gruppe „De Fem“ („Die Fünf“) teil; in dieser Gemeinschaft fungierte sie selbst als Medium. Die Gruppe dokumentierte ihre Erfahrungen in Notizbüchern und praktizierte lange vor den Surrealisten das automatische Zeichnen und Schreiben.
Von 1900 bis 1901 war sie als Zeichnerin und Malerin beim „Veterinärinstitutet“ (Tiermedizinische Hochschule) angestellt. Im November 1906 und damit früher als die gemeinhin als Pioniere der abstrakten Malerei geltenden Künstler malte sie die erste Serie kleinformatiger abstrakter Bilder. Sie markiert den Anfang einer Schaffensperiode, die später in der großformatigen Serie Malereien für den Tempel mündete, einem Projekt, das schließlich 193 Gemälde umfasste, die meisten davon abstrakt, ihr zentrales Œuvre.[3]
Anthroposophie
1908 traf Hilma af Klint erstmals mit Rudolf Steiner zusammen, damals noch Generalsekretär der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft, der Schweden besuchte. Sie erhoffte sich von ihm Deutungen ihrer Malereien. Steiner besuchte ihr Atelier, interpretierte und analysierte ihre Werke nicht und äußerte sich kritisch gegenüber der Art ihrer medialen Inspirationen. In der Folge hörte sie für vier Jahre vollkommen auf zu malen mit der Ausnahme eines Porträts im Jahr 1910.[3]
Als sie 1912 an der Tempelserie wirkte, war Hilma af Klint unabhängiger von medialen Einflüssen. Ihre Kompositionen wirken zunehmend strenger: Die organischen Gebilde der früheren Jahre wichen geometrischen Formen. Sie wandte sich mehr und mehr Steiners Anthroposophie zu und schloss sich 1920 der Anthroposophischen Gesellschaft an. Nach dem Tod ihrer fast blinden Mutter, die sie jahrelang versorgt hatte, hatte sie mehr Zeit zu reisen und besuchte das erste Goetheanum in Dornach, wo sie Steiner erneut traf. In den folgenden Jahrzehnten weilte sie mehrmals monatelang am Goetheanum. Nach Hinwendung zur Anthroposophie entwickelte sie in den 1920er-Jahren einen davon beeinflussten Stil.
Zu Lebzeiten untersagte Hilma af Klint jegliche Ausstellung ihrer abstrakten Werke und verfügte testamentarisch, dass sie erst 20 Jahre nach ihrem Tod öffentlich gezeigt werden durften. Eine große Zahl der Arbeiten wurde der Öffentlichkeit für längere Zeit nicht bekannt und blieb bei ihrem Neffen und Erben Erik af Klint gelagert. Anfang der 1980er-Jahre machte dieser den Bestand für wenige Kunsthistoriker und Theologen zugänglich. Schließlich kam ihr Gesamtwerk von mehr als eintausend Werken und 125 Notizbüchern in die Obhut der Stiftelsen Hilma af Klints Verk[4] in Stockholm, die es bis heute (Stand 2020) verwaltet und veröffentlicht. Nach dem Willen der Malerin darf ein genau definiertes zentrales Konvolut ihrer Werke nie verkauft werden.[5]
Rezeption
Es war der schwedische Kunsthistoriker Åke Fant, der in den 1980er-Jahren Hilma af Klint in der internationalen Kunstwelt bekanntmachte. Er präsentierte Hilma af Klint 1984 anlässlich einer nordischen Konferenz in Helsinki. Zwei Jahre später, 1986, wurden einige ihrer Werke Seite an Seite mit den Pionieren der Abstrakten Kunst gezeigt wie Kandinsky, Malewitsch, Mondrian und Picabia in der von Maurice Tuchman eingerichteten Ausstellung The Spiritual in Art in Los Angeles, Chicago und Den Haag, zu der Fant den Katalogbeitrag verfasste. Im deutschsprachigen Raum wurde af Klint erstmals dem kunstinteressierten Publikum bei der großen Ausstellung Okkultismus und Avantgarde 1995 in Frankfurt vorgestellt.
Zu der großen Retrospektive im Jahr 2013 im Moderna Museet in Stockholm, die anschließend im Hamburger Bahnhof in Berlin, im Museo Picasso in Málaga sowie im Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk, Dänemark gezeigt wurde, erschienen umfangreiche Kataloge.[6] Viele Werke wurden in dieser Wanderausstellung erstmals etwa 100Jahre nach ihrer Entstehung gezeigt. Ebenfalls 2013 waren einige Werke von Hilma af Klint auf der Biennale in Venedig ausgestellt.[7]
2018 zeigte das Guggenheim in New York City eine Retrospektive der Künstlerin.[1] 2018 entstand der Dokumentarfilm Jenseits des Sichtbaren der Regisseurin Halina Dyrschka über Leben und Werk der Malerin.[8] Für ihr Gesamtwerk wird als kunsthistorischer Beleg angeführt, dass ein Teil der Bildsprache der abstrakten Kunst durch okkulte Kunst beeinflusst wurde.[9] Hilma af Klint gilt gleichermaßen als Pionierin der abstrakten wie der mystischen Kunst.[10][11]
Literatur
Åke Fant: The case of the artist Hilma af Klint. In: Maurice Tuchman, Judi Freeman (Hrsg.): The Spiritual in Art: Abstract Painting 1890–1985. Los Angeles County Museum of Art, Los Angeles 1986, ISBN 0-87587-130-5.
Åke Fant: Okkultismus und Abstraktion: Die Malerin Hilma af Klint (1862–1944). Albertina, Wien 1992, ISBN 3-900656-17-7.
Åke Fant: Secret Pictures by Hilma af Klint. The Nordic Arts Centre, Helsinki 1988–1989, ISBN 951-96051-6-9.
John Hutchinson u. a. (Hrsg.): Hilma af Klint, the Greatness of Things. Douglas Hyde Gallery, Dublin 2005, ISBN 0-907660-99-1.
Claudia Dichter u.a. (Hrsg.): The Message. Kunst und Okkultismus. Mit einem Essay von André Breton. Katalog zur Ausstellung im Kunstmuseum Bochum. Walther König, Köln 2007, ISBN 978-3-86560-342-5.
Ronald Jones, Liv Stoltz: Spirited Away; Occultist, mystic, painter: the life and legacy of Hilma af Klint. In Frieze. Nr. 135, November 2010 (englisch, online).
Iris Müller-Westermann (Hrsg.): Hilma af Klint. A Pioneer of Abstraction. Katalog zur Ausstellung im Moderna Museet. Hatje Cantz, Ostfildern 2013, ISBN 978-3-7757-3489-9 (englisch); deutsche Ausgabe Hilma af Klint. Wegbereiterin der Abstraktion. ISBN 978-3-7757-3488-2; schwedische Ausgabe Hilma af Klint. Abstrakt pionjär.
Daniel Birnbaum, Ann-Sofi Noring: The Legacy of Hilma Af Klint: Nine Contemporary Responses. Walther König, Köln 2013, ISBN 978-3-86335-343-8.
Julia Voss: Hilma af Klint – Die Menschheit in Erstaunen versetzen. Biografie. Fischer, Frankfurt am Main 2020, ISBN 978-3-10-397367-9.
Ausstellungen
Ausstellungsbeteiligungen zu Lebzeiten
Konst- och industriutställning, Norrköping, 1906
Konst- och industriutställning, Lund, 1907
Svenska konstnärinnor, Konstakademien, Stockholm, 1911
Baltiska utställningen, Malmö, 1914
Konstföreningen för södra Sverige och Konstnärernas förening, 1914
Einzelausstellungen posthum (Auswahl)
Hilma af Klints hemliga bilder, Nordiskt Konstcentrum, Helsinki, Finland; PS 1, New York; Nationalgalerie Listasafn, Reykjavík, Island; Galleri F 15, Moss, Norwegen
Ockult målarinna och abstrakt pionjär, Moderna Museet, Stockholm; Göteborgs Konsthall, Göteborg; Fyns Kunstmuseum, 1989–1991
De geheime schilderijen van Hilma af Klint. Museum voor Moderne Kunst, Arnhem. März bis Mai 2010 (59 Gemälde)
Beyond Colour. innerhalb See! Colour! – Vier Einzelausstellungen im Kulturforum Järna, Schweden mit James Turrell, Rudolf Steiner Mai bis Oktober 2011
Hilma af Klint – Abstrakt pionjär. Moderna Museet, Stockholm, 16. Februar bis 26. Mai 2013;[12]
Jenseits der Sterne – Mystische Landschaften von Monet bis Kandinsky, Musée d’Orsay, Paris, 13. März – 25. Juni 2017[20]
Jardin infini. De Giverny à l’Amazonie, Centre Pompidou, Metz, 18. März – 28. August 2017
Weltempfänger, Lenbachhaus, 6. November 2018 bis 10. März 2019
Filme
Hilma af Klint und ihre Arbeit werden in dem Film Personal Shopper präsentiert, Regie: Olivier Assayas, Film-Premiere in Deutschland am 19. Januar 2017
Jenseits des Sichtbaren – Hilma af Klint, Dokumentarfilm/Filmbiografie, Schweden/Deutschland/Schweiz/UK 2019, Regie: Halina Dyrschka
Julia Voss: Die Thronstürmerin. In: FAZ, 18. April 2011 (mit Abbildungen der Vorstudie zu dem Zyklus Die zehn Größten von 1907, einer Tagebuchseite mit Zeichnungen von 1919, Der Schwan von 1920 und Foto der Künstlerin)
Iris Müller-Westermann (Hrsg.): Hilma af Klint. A Pioneer of Abstraction. Katalog zur Ausstellung im Moderna Museet, Stockholm 2013. Hatje Cantz, Ostfildern 2013, ISBN 978-3-7757-3489-9, S. 278.
About Hilma af Klint.Hilma af Klint Foundation,abgerufen am 4.März 2020(englisch,schwedisch).
Åke Fant:Secret Pictures by Hilma Klint. Hrsg.: Stiftelsen Hilma af Klints Verk, Stockholm. 1988, ISBN 951-96051-6-9, S.3,2–3,3 (schwedisch, finnisch, englisch: Hilma af Klints Hemliga Bilder.).
Sixten Ringbom: Transcending the Visible: The Generation of the Abstract Pionieers. The Spiritual in Art: Abstract Painting 1890–1985. Los Angeles / New York 1986.
Åke Fant:Secret Pictures by Hilma Klint. Hrsg.: Stiftelsen Hilma af Klints Verk. Stockholm 1988, ISBN 951-96051-6-9, S.3–4 (schwedisch, finnisch, englisch: Hilma af Klints Hemliga Bilder.).
Till Briegleb: Höhere Wesen befehlen! art-magazin.de, 4/2013.
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