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Mama Baer (* 29. Oktober 1981 in Niebüll als Andrea Katharina Ingeborg Göthling, verheiratete Hjuler) und Kommissar Hjuler (* 30. Juni 1967 in Flensburg als Detlev Hjuler) sind ein deutsches Künstlerduo.[1] Sie arbeiten seit 1999 gemeinsam in den Bereichen Musik, Malerei, Assemblage, Collage, Installation, Performance, Experimentalfilm und Konzeptkunst.[2][3] Sie sind Vertreter der jüngsten Fluxus-Bewegung und seit 2009 feste Mitglieder der NO!art-Movement.


Leben und Werk


Detlev Hjuler wuchs in Medelby bei Flensburg auf und machte nach seinem Realschulabschluss eine Ausbildung im mittleren Dienst der Polizei. Er holte das Abitur nach, wechselte daraufhin in den gehobenen Dienst und absolvierte ein Studium an der Verwaltungsfachhochschule Altenholz. Hjuler war bis Mai 2013 im Hauptberuf als Polizeibeamter in Flensburg tätig, arbeitet seitdem nur noch als Künstler.[1]

Andrea Göthling wuchs in Süderlügum bei Niebüll auf und machte nach ihrem Realschulabschluss eine Ausbildung zur chemisch-technischen Laborantin. Kurz vor Abschluss der Ausbildung lernte sie Detlev Hjuler kennen, der gerade an seiner ersten Langspielplatte arbeitete. Sie sang Texte für diese LP ein, beide gründeten danach das Label Der Schöne-Hjuler-Memorial-Fond.

2000 heirateten beide, 2002 wurde ihr Sohn Cy Hjuler geboren, 2006 kam ihr Sohn Faust Adolf Hjuler zur Welt.

Mama Baer und Kommissar Hjuler, auch Kommissar Hjuler und Frau, veröffentlichten bereits über 500 verschiedene Tonträger mit ihrer Musik, darunter allein über 200 verschiedene Langspielplatten. Sie traten auf Festivals im europäischen Raum live auf, darunter Art Karlsruhe, Avantgarde Festival Schiphorst, Blurred Edges Hamburg, Colour Out Of Space Brighton, Fringe Festival Edinburgh, Brut de la Neige Annency, Incubate und Zappanale. Ihre experimentellen Kurzfilme wurden bei internationalen Kurzfilmfestivals aufgeführt, darunter backup_festival, Bunter Hund – Internationales Kurzfilmfest München, Flensburger Kurzfilmtage, Internationales Videofestival Bochum, Leeds Film Festival, Vienna Independent Shorts, sowie eine Aufführung im Museum of Contemporary Art (Chicago),[4]. Sie widmeten sich zudem der experimentellen Kunst. Beide arbeiten zusammen und ergänzen sich, so entstehen zumeist Mixed-Media-Arbeiten, die Malerei, Collage und Bildhauerei verbinden, vielfach auch bewegliche Bauteile oder organische Substanzen enthalten, dann zumeist als handgefertigte Holzkästen mit Plexiglas-Abdeckung. Seit 2006 stellen sie weltweit aus.[5] Bereits früh gerieten sie in Kontakt mit der NO!art-Bewegung, seit September 2009 sind beide involvierte Künstler dieser Gruppierung um Boris Lurie.[6]

Kommissar Hjuler arbeitete bis 2011 mit einer aus Brotteig geformten und getrockneten Figur, die er Brotkatze nannte und für die er ein eigenes abstrahiertes Universum schuf. Die hierzu geschaffenen Assemblagen hinter Plexiglas sind als comic-artige Abfolge von einzelnen Ereignissen gedacht. So entwickelte Kommissar Hjuler eine Religion und ein komplettes Staats- und Gesellschaftssystem um diese fiktive Figur, das auf absurde Weise immer wieder einen kritischen Bezug zum Menschen herstellt. Brotkatze endet dabei im Krieg gegen den überlegenen Gegner Votzekatze, eine Collage aus drei Vaginas als Silhouette der dreidimensionalen Brotkatze.[7] Der Marketingclub Kärnten und die Kleine Zeitung Österreich wählten seine Brotkatze-Arbeit Enter Konsum zum Gewinner einer Kunst-Ausschreibung anlässlich des Innovationkongresses 2010.[8]

Bei der Polizeiführung eckte er regelmäßig mit seinen Aktionen an, so dass bis zu seinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst mehrfach mit schriftlicher Anordnung oder Untersagung unter Gegenzeichnung verfahren wurde. Gemeinsam mit Albrecht/d. stellte er aus diesem Schriftverkehr regelmäßig Leporellos her. Streitpunkte waren die Verwendung von Dienstbekleidung und dienstlichem Schriftverkehr in Assemblagen, das Tragen von Uniform in Kurzfilmen, das spätere Verwenden von Tonbandmitschnitten (Martinshorn) aus Einsatzfahrten in Musikeinspielungen. Besondere Streitpunkte waren das Nachdrehen einer kompletten Folge der Serie Raumpatrouille Orion mit uniformierten Kollegen und die Weigerung des Lesens einer dienstlichen Regelbeurteilung, um sie dann im Status "ungelesen" zum Kunstwerk als Objet trouvé zu erklären. Anders als Kommissar Hjuler sah das Innenministerium Schleswig-Holstein im Nicht-Lesen eines Dokuments keine Bearbeitung im künstlerischen Sinne.

Hauptbetätigungsfeld der beiden ist nach wie vor die experimentelle Musik. Die Cover zu Langspielplatten stellen dabei häufig handgefertigte Unikate und Assemblagen dar, die auch des Öfteren Gegenstand von Ausstellungen sind. Das britische Musikmagazin The Wire wählte ihre CD Asylum Lunaticum unter die 15 besten Alben des Jahres 2009 im Bereich experimenteller Musik.[9] Seit 2014 stellt Kommissar Hjuler für das Plattenlabel Psych.KG aus Euskirchen eine umfangreiche Serie an Tonträgern zusammen, die er FLUXUS +/- nennt, vertreten sind Künstler wie Milan Knížák, Peter Weibel, Jonathan Meese & Tim Berresheim, Markus Kupferblum, Jo Kondo, Steuart Liebig, David Toop, Maja Ratkje, Steve Dalachinsky, Matthew Shipp, Assif Tsahar, Vernon Reid, Susie Ibarra, Mars Pharoah Ford, Karlheinz Essl, Hartmut Geerken, Charlemagne Palestine, Anna Homler, Jürgen O. Olbrich, Jaap Blonk, Uli Rehberg, Franz Kamin, Jerry Hunt, Philip Krumm, Dan Lander, Uwe Möllhusen und Albrecht/d.

Mama Baer und Kommissar Hjuler erschienen als fiktive Charaktere in einem Roman des Autors Karl P. Gaul (Im Knast mit Kommissar Hjuler und Mama Baer)[10][11] Mit dem Autor traten sie nach der Veröffentlichung bei verschiedenen Festivals auf und präsentierten Lesungen als experimentelle und vielfach improvisierte Darbietungen, die sogenannten Action-Lesungen. Die Fortsetzung der als Trilogie angesetzten Serie erschien im Mai 2022 (Im Morast mit Kommissar Hjuler und Mama Baer)[12]

Mama Baer und Kommissar Hjuler leben eher zurückgezogen in Flensburg.[1] Bei Mama Baer wurde 2015 das Asperger-Syndrom diagnostiziert, Kommissar Hjuler leidet seit 2011 an einer Epilepsie mit Grand-mal-Anfällen als Folge einer Hirnblutung.


Zusammenarbeit



Brotkatze (Collaborations)


Im Konzept Brotkatze Collaborations wurden dazu jeweils von Kommissar Hjuler aus Brotteig geformte Katzen von weltweit 194 teilnehmenden Künstlern in deren eigenem Arbeitsstil bearbeitet, Ausstellungen organisierte Kommissar Hjuler dazu in den Jahren 2010 bis 2013.[7][13]


Fluxporn


Im Konzept fluxporn arbeitet Kommissar Hjuler mit Pornodarstellerinnen wie z. B. Lena Nitro, Samira Summer, Kitty Blair, Annika Bond, Violet Storm, Texas Patti, Leonie Lingua, Elly Darnell, Josy Fine, Medea Fox, Kiara Kane und Taya Lamai zusammen, daneben auch mit dem Playboy-Fotografen Marco Pallotti aus Santa Monica. Ein Projekt, das mit Pornografie kaum etwas zu tun hat, denn die Darstellerinnen agieren hier gemeinsam mit Kommissar Hjuler als kreative Köpfe bei der Herstellung von Assemblagen. So entstand z. B. eine funktionstüchtige und ca. 50 cm große Tipp-Kick-Figur als Abbild der ehemaligen Fußballspielerin Samira Summer. Die katholisch erzogene Texas Patti und Kommissar Hjuler erschufen Madonnen-Statuen mit getragener Unterwäsche. Mit Annika Bond entstanden Comics in Form von Assemblagen.[14]


(SHMF - 019+...)


Im Konzept (SHMF - 019+...) stellen Kommissar Hjuler und Frau anderen Musikern eine gesprochene Tonspur zur Antizipation des Generalized Other nach George Herbert Mead zur Verfügung, die frei bearbeitet werden darf. Die Resultate veröffentlichen sie zunächst selbst, einige erschienen später als Re-Issues auf anderen Labels. Bislang kam es hier zu ca. 120 Collaborationen per mail mit anderen Musikern. Vornehmlich wirken Musiker aus dem Industrial Music Umfeld mit, aber auch eine Heavy-Metal-Band und ein afro-französischer Rapper arbeiteten mit dem Text.


Fluxus +/-


Fluxus +/- ist der Titel einer Reihe von Tonträgern, die Kommissar Hjuler seit 2014 für das Plattenlabel Psych.KG aus Euskirchen zusammenstellt, es handelt sich vornehmlich um Langspielplatten in Kleinstauflage (100 Exemplare oder weniger), vertreten sind zeitgenössische Künstler. Die Serie wurde mehrfach international ausgestellt, u. a. 2021 im Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste Wien, einzelne Exemplare sind Teil verschiedener Mediatheken und Kunstsammlungen, z. B. des Musikarchivs der Deutschen Nationalbibliothek, des Deutschen Rundfunkarchivs, des SWR und WDR Köln, des WFMU, der Sammlung Archive Artist Publications, der Akademie der Künste (Berlin), des ZKM Karlsruhe, der Jan van Eyck Academie, der Boston University. Vertrieben werden die LPs und verschiedene Unikate Kommissar Hjulers exklusiv durch Sprüth Magers Berlin.


Ausstellungen (Auswahl)



Einzelausstellungen



Gruppenausstellungen



Diskografie (Auswahl)



Langspielplatte



CD



MC





Einzelnachweise


  1. Kunst in der Polizei: Kommissar Hjuler (Memento vom 3. April 2013 im Internet Archive)
  2. Kieler Nachrichten und Eckernförder Nachrichten, die Ausgabe vom Freitag 12. 2012, Nummer 239, die auf Seite 25 einen ausführlichen Bericht zu beiden mit Foto liefern. Redaktion KN, Sabine Tholund.
  3. Daniel Spice: Kommissar Hjuler & Mama Baer. The German policeman and his wife talk transgressive art and outsider noise. In: The Wire. Nr. 321, November 2010.
  4. Programmhefte, Cataloge, Poster der Festivals
  5. Artikel im Magazin The Wire no. 321, S. 18, Artikel von Thurston Moore und Byron Coley im Arthur Magazin No. 25, 2006, diverse Artikel in Magazinen wie Bad Alchemy, Nummern 51, 54 und 59 online, skug Magazin, 11/2010 Online
  6. Künstler der NO!art
  7. Frederik Meißner: Ein Kommissar irritiert mit Kunst aus Brot. In: Flensburger Tagesblatt. 9. August 2012.
  8. Zukunftskraft: Innovation und Marketing, Peter Granig/Ronald Ivancic/Martin Maitz/Cornelia Scala-Hausmann (Hrsg.), Verlag Johannes Heyn, Klagenfurt, ISBN 978-3-7084-0411-0
  9. [Ausgabe THE WIRE 1/2010, Jahresrückblick]
  10. Im Knast mit Kommissar Hjuler und Mama Baer. P.Rathke Verlag, 2011, ISBN 978-3-9804622-0-4.
  11. Neo Fluxus: Kommissar Hjuler und Mama Baer. flensburg-online.de, archiviert vom Original am 9. Juli 2012; abgerufen am 19. Juni 2021.
  12. Im Morast mit Kommissar Hjuler und Mama Baer. P.Rathke Verlag, 2022, ISBN 978-3-9822031-2-6.
  13. KHJs BROTKATZE-Kollaborationen :: 14.01.-01.02.2012. 2012, archiviert vom Original am 22. Juli 2013; abgerufen am 19. Juni 2021.
  14. Kommissar Hjuler und Mama Baer in der EAGL gallery. 5. April 2012.
  15. Mama Baer Kommissar Hjuler & Violet Storm: Flux+(st/p) or (m/n)
  16. Langspielplatte auf Psych.KG (D), die Aufnahmen stammen aus verschiedenen Jahren, sie wurden erst nach Conrad Schnitzlers Tode endgültig abgemischt.



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